Interview | Schlafmedizinerin - "Während des Schlafs kommt die Müllabfuhr und sammelt alte Proteine ein"

Do 21.03.24 | 06:15 Uhr
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Symbolbild:Eine Frau liegt im Bett im Vordergrund steht ein Wecker.(Quelle:picture alliance/dpa-tmn/C.Klose)
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Viele Menschen klagen über schlechten Schlaf. Die Medizinerin Theresa Toncar erklärt im Gespräch, was schlechter Schlaf mit dem Leben in einer Großstadt zu tun hat, wer zum Arzt gehen sollte und was Menschen mit Schlafstörungen helfen kann.

rbb|24: Frau Toncar, können Sie sagen, wie viele Menschen an Schlafstörungen leiden?

Theresa Toncar: Der neuste DAK-Gesundheitsreport sagt, dass 43 Prozent der Deutschen unter Schlafstörungen leiden. Die Hauptschlafstörungen sind die Schlaflosigkeit und die schlafbezogenen Atmungsstörungen. Bei den schlafbezogenen Atmungsstörungen sind die meisten Personen therapierelevant, das heißt, dagegen muss man auch was tun.

Theresa Toncar.(Quelle:privat)
privat

Theresa Toncar ist Ärztin und Internistin. Sie hat die Zusatzweiterbildung Schlafmedizin gemacht und behandelt im Schlafmedizinischen Zentrum der Charité Patienten, die an Schlafstörungen leiden.

Würden Sie sagen, dass das Leben in einer Großstadt wie Berlin Schlafprobleme fördern kann - zum Beispiel durch Verkehrslärm oder Lichtverschmutzung?

Das ist definitiv so. Lärm und Licht sind zwei Faktoren, die unseren Schlaf wesentlich beeinflussen können. Was Licht angeht, da kann der Patient sehr viel selber machen. Dass man zum Beispiel in dunklen Räumen schläft, wenn man jetzt zur Straße hinaus ein Zimmer hat, oder auch mit Schlafbrille. Lärm ist manchmal ein bisschen schwieriger. Nicht jeder hat die Möglichkeit, sein Zimmer zum Hinterhof auszurichten oder sich ruhige Nachbarn zu suchen. Das ist gerade in einer Stadt wie Berlin, in der mehrere Familien oder Parteien in einem Haus wohnen, in der Straßenlärm und auch ein aktives Nachtleben aufeinanderprallen, sicherlich ein Problem.

Kann man sagen, dass Berlin immer schlechter schläft? Gibt es da eine Tendenz oder einen Trend?

Ich persönlich kenne da keine Zahlen. Grundsätzlich gibt es natürlich einen Wandel, vor allem durch soziale Medien. Wir müssen ständig erreichbar sein. Wir legen unsere Smartphones nicht mehr weg, sondern denken ständig, wir könnten etwas verpassen - und das fördert natürlich Schlafstörungen. Insoweit gibt es definitiv eine Zunahme.

Welche Rolle spielt eigentlich Stress dabei?

Beispielweise bei der Insomnie, der Schlaflosigkeit, spielt Stress häufig eine wichtige Rolle. Das bedeutet, dass Patienten Gedankenkarussells haben und den Off-Schalter nicht finden. Sie denken darüber nach, dass so viel zu tun ist und die Zeit dafür nicht reicht. Oder wir haben es häufig, dass einschneidende Erlebnisse in der Historie der Patienten - sei das ein Todesfall, eine Scheidung, finanzielle Sorgen, die Corona-Pandemie mit Krankheitsängsten - dazu führen, dass Patienten nicht einschlafen und nicht durchschlafen können.

Wie therapieren Sie die Menschen, die zu Ihnen kommen?

Das ist abhängig von der Ursache. Bei den schlafbezogenen Atmungsstörungen beispielsweise nutzen wir als erstes eine Überdrucktherapie. Da bekommen Patienten eine Maske auf und werden über einen Schlauch an ein Gerät angeschlossen und durch dieses Gerät verdichtet sich die Luft und verdichtete Luft hat mehr Kraft. Das hält die Atemwege offen und dann kann die Luft besser in die Lunge reingehen.

Bei der Insomnie guckt man erstmal, was die Ursache ist. Gibt es dafür eine organische Ursache? Zum Beispiel diese Atemaussetzer oder zappeln die Beine arg? Dann kann man das spezifisch therapieren. Wenn wir für die Insomnie keine organische Ursache finden, dann bekommt man zum einen eine kognitive Verhaltenstherapie, das ist ganz wichtig. Und bei den wirklich schweren Insomnikern, die brauchen wirklich medikamentöse Unterstützung.

Jeder schläft mal schlecht, das ist vollkommen normal. Zum Problem wird es, wenn der Schlaf unser Tagesempfinden langfristig beeinflusst.

Theresa Toncar, Schlafmedizinerin an der Charité

Sollte jeder, der schlecht schläft, auch zum Arzt gehen? Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich bei Ihnen vorzustellen?

Jeder schläft mal schlecht, das ist vollkommen normal. Zum Problem wird es, wenn der Schlaf unser Tagesempfinden langfristig beeinflusst. Erste Anlaufstelle ist immer der Hausarzt, der kennt einen, der kann einem erste Anhaltspunkte geben. Wir werden aktiv, wenn man über drei Mal in der Woche länger als 30 Minuten braucht, um einzuschlafen, oder länger als 30 Minuten nachts wach liegt. Und das tatsächlich über mehrere Monate bestehen bleibt.

Zur Info

Diese sechs Schlafstörungen gibt es:

  • Insomnie: die Unfähigkeit einzuschlafen und durchzuschlafen
  • Atmungsstörung: Atemaussetzer im Schlaf
  • Bewegungsstörungen: zum Beispiel das Restlessleg-Syndrom, das beschreibt einen starken Bewegungsdrang in den Beinen
  • Hypersomnie: von Überschläfrigkeit betroffene Menschen schlafen über zehn Stunden und sind immer noch nicht erholt
  • Parasomnie: zum Beispiel Schlafwandeln
  • Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen: zum Beispiel durch Schichtarbeit oder Jetlag verursacht

Was kann schlechter Schlaf eigentlich für Auswirkungen haben?

Wenn wir wenig schlafen, haben wir tagsüber ein Problem. Den Tiefschlaf brauchen wir, um wieder aufstehen zu können, um körperliche Kraft zu haben. Menschen, denen Tiefschlaf fehlt, sind wirklich schläfrig. Die schlafen ein, obwohl sie es nicht wollen. In der zweiten Nachthälfte haben wir eher den REM-Schlaf, das bedeutet Rapideyemovement. Den brauchen wir, um psychisch stabil zu sein. Wir sind viel schlechter gelaunt, wenn uns diese Traumphasen fehlen. Deswegen ist Schlaf so wichtig.

Kann man von zu wenig Schlaf krank werden?

Zum einen erholen wir uns im Schlaf und wir brauchen Regeneration für unser Herz-Kreislauf-Systhem, damit es einfach mal eine Ruhephase gibt. Zum anderen kommt während des Schlafs sozusagen die Müllabfuhr vorbei und sammelt alte Proteine ein, die wir nicht mehr brauchen. Und wenn der Schlaf fehlt, dann haben wir auch ein höheres Risiko, beispielsweise an Demenz zu erkranken.

Welche Rolle spielen bei einer Therapie Medikamente?

Je nachdem welche Erkrankung vorliegt, können Medikamente eine große Rolle spielen. Beispielsweise bei der Überschläfrigkeit brauchen wir Medikamente, die den Menschen wach machen. Bei den unruhigen Beinen ist es auch ganz wichtig, dass wir den Patienten Medikamente geben, die dazu führen, dass die Beine weniger zappeln. Bei der Insomnie machen wir das bei den schweren Fällen.

Machen Medikamente abhängig?

Letztlich ist eine chronische Insomnie eine chronische Erkrankung, und chronische Erkrankungen bedürfen einer dauerhaften Therapie. Deswegen wird man davon abhängig ähnlich wie von Blutdruck-Tabletten. Wenn das Schlafmedikament nicht mehr gegeben wird, kommt die Schlafstörung zurück. Es ist wichtig, dass nicht jedem Patienten ein Medikament gegeben wird, aber dass ausgewählte Patienten diese Medikamente auch bekommen.

Was halten Sie von Alternativen, wie Baldrian oder Schlafhormonen, die man sich selbst in der Apotheke holen kann?

Pflanzliche Produkte sind häufig Sachen, die die Patienten auch schon ausprobiert haben, wenn sie hierher kommen. Das können sie gerne probieren. Einer geringen Prozentzahl an Patienten hilft das tatsächlich. Melatonin verordnen wir über 55-Jährigen in der langwirksamen Version. Also so, dass es wirklich auch die zweite Nachthälfte mit stabilisiert. Aber das ist tatsächlich etwas, was Patienten gut ausprobieren können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Anna Bordel und Felix Edeha.

Sendung: Fritz, 20.03.2024

38 Kommentare

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  1. 38.

    Ein Schlaflabor würde bei mir gar nicht gehen, da ich mit all der Verkabelung überhaupt kein Auge zumachen könnte.

  2. 37.

    Wie es der Zufall so will, ein Verwandter unserer Familie arbeitet in einem Schlaflabor.
    Ich sprach mit ihm über das Thema. Er meinte, alles richtig was an Schlafstörungen hier gebracht wurde im Artikel. Es wird aber nicht angesprochen bei der Insomnie, dass zweimal im Jahr die Uhr- Umstellung eine große Rolle immer noch dabei spielt. Da haben viele Menschen ein Problem wochenlang, dass sich ihr Körper der Umstellung anpasst. Sie wird als Kurzzeitinsomnie bezeichnet. Langzeitinsomnie können körperlich, seelische Erkrankungen bringen ohne Behandlung vom Arzt. Wobei der Teufelskreis beginnen kann, dass auch manche Medikamente zu Schlafstörungen führen können. Jeder Mensch reagiert darauf anders.

  3. 36.

    Baldrian wirkt bei mir nicht so wie gewünscht. Leider. Ich verfüge über hohen Dosen an Baldrianwurzel Trockenextrakt i.Tablettenform u.es hat nur einen etwas Müde machenden Effekt. Kann aber bei manch einen schon ausreichen. Cannabis hingegen in wohldosierter Form eingenommen läßt einen wunderbar Durchschlafen. Cannabis ist bekannt auch als Heilpflanze.
    Zudem gibt es das gute Cannabis in CBD Form. Also fast ohne THC Gehalt. Ich bevorzuge beide Inhaltsstoffe. Kommt auf die Hanfpflanze an. Deshalb rühre ich dieses gestreckte Dreckszeug von der Straße auch nicht an.
    Mein Hausarzt gehört zu denen die Cannabis auf Rezept nicht verschreiben, da der bürokratische Aufwand einfach zu hoch ist.

  4. 35.

    Chronische Schlaf- Störungen können ebenso durch einen Partner entstehen, wenn man nicht einschlafen und durch schlafen kann. Schnarchen ist ein nerviger Schlaf -Killer bei vielen Menschen. Das wurde in der Rubrik "Zur Info" nicht aufgeführt. Schnarchen kann unter Umständen sich anhören, wie ein Sägewerk.
    Bevor sich Paare durch schnarchen sich gegenseitig nervig den Schlaf nehmen, was den eigenen Körper stresst, besser getrennt schlafen. Das hilft hundertprozentig!


  5. 34.

    Merz? Ob das dann ein gutes Beispiel für die Freigabe gewertet werden kann? Weiß nich. Was muss dann Her S. aus BY dann erst genommen haben?

  6. 33.

    >"Als Einschlafmittel genau wie Baldrian auf alle Fälle gesünder als abhängig machende Pillen."
    Baldrian ist kein Einschlafmittel! Baldrian hat eher "sagenhafte" Wirkung. Baldrian lebt von alten Überlieferungen.
    Cannabis als Einschlafmittel macht genauso abhängig wie Pillen. Wenn man es jeden Tag braucht, ist eine Abhängigkeit da!

  7. 31.

    Grins - genau meine Rede: Das Bett schaukelt mit Gras nicht wie nach Alk, es muss kein Eimer daneben stehen und statt Probleme zu wälzen, sieht ma schöne Bilder ... Als Einschlafmittel genau wie Baldrian auf alle Fälle gesünder als abhängig machende Pillen.

  8. 30.

    Kein Wunder Cannabis kann auch sehr beruhigend, entspannend wirken. Muß ich mir auch mal kaufen. Interessanterweise hat heute Friedrich Merz von seinen Cannabis-Erfahrungen erzählt!

  9. 29.

    Bauchatmung und zwar 100 Atemzüge mitzählen...und beim geistigen Abdriften 5 Zahlen zurück, bei massivem Abdriften zurück auf Los. Kann süchtig machen.

  10. 27.

    Grins - genau meine Rede: Das Bett schaukelt mit Gras nicht wie nach Alk, es muss kein Eimer daneben stehen und statt Probleme zu wälzen, sieht ma schöne Bilder ... Als Einschlafmittel genau wie Baldrian auf alle Fälle gesünder als abhängig machende Pillen.

  11. 26.

    >"wenn ich mal an Cannabis rankommen tue, schlafe ich ruhiger und sogar durch ohne solch Schlafstörungen in der Nacht"
    Wach werden Sie wegen den paar Tropfen Harndrang nur in den Flachschlafphasen, nicht im Tiefschlaf. Cannabis verlängert diese Tiefschlafphase nur und schaltet eben auch einige Gehirnregionen für eben auch diese Übertragungen des Harndrangs aus. Wenn Sie aus medizinischen Gründen nur so durchschlafen können, ist das ein Thema für ein vertrauliches Arztgespräch. Mit ein wenig Ausdauer gibts Cannabis oder eben den Wirkstoff auch auf Rezept ohne sich über dunkle Kanäle halb strafwürdig zu machen. Irgendwelche sinnesbeeinflussende Substanzen (auch Medikamente) rein nur zum Schlafen zu nutzen, machen abhängig und sind auf Dauer dann auch wieder nicht gesund.

  12. 24.

    Hierzu auch meine Erfahrung mit dem Durchschlafen. Es ist ja allgemein bekannt das insbesondere ältere Männer öfter in der Nacht wach werden weil sie pinkeln müssen. Bei mir sind es regelmäßig 4-5 X d.Nacht. Der Pinkelpott mit Deckel steht allzeit bereit neben meinem Bett. Mein Hausarzt meint nur dazu, dies sei normal. Bloß merkwürdig, wenn ich mal an Cannabis rankommen tue, schlafe ich ruhiger und sogar durch ohne solch Schlafstörungen in der Nacht.

  13. 23.

    Ich bin ehrlich gesagt von diesem Artikel etwas enttäuscht. Er vermittelt nur die Botschaft: wenn du gut schlafen willst, dann schluck eine Pille. Dabei haben viele Menschen falsche Vorstellungen von Schlafqualität, weil sie nicht wissen, dass jeder Mensch während des Schlafs mehrfach wach wird, um kurz darauf wieder einzuschlafen. Auch hat jeder Mensch seinen eigenen, angeborenen Biorhythmus, in der Regel grob in Eulen und Lerchen eingeteilt. Gerade Menschen im Arbeitsleben können diesem oft nicht folgen, da sich das gesellschaftliche Leben eher am Tageslicht orientiert. Und wenn ich eigentlich eine Eule bin, aber immer früh aufstehen muss, gewöhnt sich zwar der Körper mit den Jahren ein wenig, aber eben nie völlig daran und ich werde immer Schlafprobleme haben. Hinzu kommt, dass der Abstand zwischen der letzten Mahlzeit und der Schlafenszeit oft viel zu kurz ist. Manche trinken vor allem in der 2. Tageshälfte und müssen dann nachts häufiger raus. Im Alter ist das allerdings normal.

  14. 22.

    Biggi hat vollkommen recht. Der Mensch braucht 7-8h mind. an Schlaf und wenn die Müllmänner viel früher als 8 Uhr kommen - muß man die Miete mindern! ganz einfach. Oder die Polizei rufen (Ruhestörung) das hilft immer!

  15. 20.

    Kein Details bitte...
    Ich stehe nachts zweimal auf, aber ich spreche nicht drüber.
    Ohh...

  16. 19.

    Welchen Nutzen? Naja, sie verbrauchen halt mehr Strom und bezahlen dann dafür Geld, von dem sie anscheinend genug haben.... Dass das andere doof finden, ist ihnen egal.

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