Bogensee-Areal in Barnim - Bürgermeister von Wandlitz fürchtet Einzug von rechten Ideologen in Goebbels-Villa

Sa 04.05.24 | 11:44 Uhr
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Archivbild: Daniel Kurth (l, SPD), Landrat vom Landkreis Barnim, und Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft Wandlitz), Bürgermeister von Wandlitz, stehen vor der Villa von NS-Propagandaminister Goebbels auf dem Areal am Bogensee. (Quelle: dpa/Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 04.05.2024 | Thomas Drachenberg | Bild: dpa/Pleul

Was soll aus dem verfallenen Areal mit einer alten NS-Villa nordöstlich von Berlin werden? Berlins Finanzsenator will das Gelände in Wandlitz notfalls verschenken - die Kommune widerspricht und will ein Konzept für eine Weiternutzung entwickeln.

Das Areal Bogensee mit der ehemaligen Villa von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels bei Berlin verfällt. Das Gelände gehört dem Land Berlin, dessen Finanzsenator Stefan Evers (CDU), will es notfalls verschenken, wie er am Donnerstag im Abgeordnetenhaus sagte.

Der Bürgermeister von Wandlitz Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft Wandlitz) hält die Äußerungen für unangebracht und schädlich. Er äußerte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur auch die Befürchtung, dass rechte Ideologen versuchen könnten, an das Gelände zu kommen.

"Königreich Deutschland" hatte versucht, dort Fuß zu fassen

"Ich habe für solche Aussagen kein Verständnis", sagte Borchert. Die Äußerungen würden der historischen Bedeutung nicht gerecht und seien schädlich für die Liegenschaft. Vor Jahren habe unter anderem bereits das "Königreich Deutschland" versucht, dort Fuß zu fassen. Der Verfassungsschutz rechnet die Gruppierung dem "Reichsbürger"-Milieu zu.

"Was ich nicht gerne sehen würde, dass das Land Berlin das Areal an irgendeinen Privaten verschenkt, der dann ideologische Ziele mit der Liegenschaft verfolgt. Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung von Evers äußerst unglücklich", kritisierte Borchert.

Der Finanzsenator hatte gesagt, bisher seien weder die Kommune Wandlitz noch das Land Brandenburg oder der Bund an einem solchen "großzügigen Geschenk" wie dem Areal Bogensee interessiert gewesen. Die Hauptstadt werde sich zielführenden konzeptionellen Überlegungen nicht verschließen, wenn sie im Interesse der Stadt lägen und der vielschichtigen historischen Bedeutung des Areals gerecht würden.

"Sollte das aber einmal mehr ins Leere führen wie in den vergangenen Jahrzehnten, dann hat das Land Berlin keine andere Möglichkeit, als so den Abriss zu vollziehen, wie er jetzt vorbereitet und von uns adressiert ist", sagte Evers.

Die Immobilie liegt zwar in Brandenburg, 15 Kilometer von der Berliner Stadtgrenze entfernt, gehört aber dem Land Berlin. Der Magistrat hatte 1936 das gesamte Areal gekauft, als Geburtstagsgeschenk für den Berliner NSDAP-Chef Joseph Goebbels. Heute schlägt das Areal jährlich mit mehreren Millionen Euro für Sicherung und Unterhalt zu Buche.

Drachenberg fürchtet "Schreckgeschichte für die Denkmalpflege"

Das Bundesbauministerium teilte am Freitag mit: "Wir sind aktuell in Gesprächen mit den beteiligten Akteuren zu einer möglichen Weiterentwicklung des Areals. Zu den aktuellen Äußerungen des Finanzsenators nehmen wir keine Stellung."

Nach Ansicht von Brandenburgs Landesdenkmalpfleger Thomas Drachenberg sollte die 30-Zimmer-Villa erhalten bleiben. "Man kann die Geschichte zweier Diktaturen nicht renaturieren", sagte er am Freitag in der Landespressekonferenz in Potsdam. Ein Abriss und eine Renaturierung des Areals, auf dem NS-Propagandaminister Joseph Goebbels wohnte, wären nach seinen Worten eine Schreckgeschichte für die Denkmalpflege.

"Wir sollten es uns schon leisten, sehr lange und sehr gründlich darüber nachzudenken, ob wir diese Baugeschichte für unsere Gesellschaft nutzen können", so der oberste Denkmalschützer.

Auf dem rund 17 Hektar großen Areal in einem Wald nordöstlich von Berlin hatte sich Goebbels ein Landhaus bauen lassen. Hier schrieb er an seiner berüchtigten Hetzrede im Berliner Sportpalast, die im Satz gipfelte "Wollt Ihr den totalen Krieg?". Nach dem Ende der NS-Diktatur nutzten die Alliierten das Gelände kurzzeitig als Lazarett. 1946 übergaben die Sowjets dann das Gelände der Freien Deutschen Jugend (FDJ), die dort eine Jugendhochschule gründete. Seit dem Jahr 2000 ist das Areal ungenutzt und verfällt.

Der Landkreis Barnim und die Gemeinde wollen einen Abriss verhindern und künftige Nutzungsmöglichkeiten ausloten. "Eine Vernichtung solcher geschichtlichen Zeugnisse steht unserer Gesellschaft nicht gut zu Buche", so Borchert. Die Gemeinde Wandlitz, auf deren Gebiet das Gelände am Bogensee liegt, hat jetzt nach eigenen Angaben einen Antrag auf Fördergeld aus dem Programm "Nationale Projekte des Städtebaus" gestellt. Dabei geht es in diesem Jahr um Vorhaben, die vor allem die Demokratiebildung fördern sollen. Dafür sei das Gelände genau der richtige Ort, so der 53 Jahre alte Bürgermeister. Er nannte nach einer bislang vorsichtigen Schätzung eine Summe von 500.000 bis 600.000 Euro an benötigten Fördermitteln.

Gemeinde will Konzept für Weiternutzung entwickeln

Die Gemeinde will nun ein Konzept für eine Weiternutzung entwickeln. "Wir haben einen weiten Fokus, den wir uns vorstellen können." Dabei nennt Bürgermeister Borchert unter anderem ein "Zentrum für Resilienzforschung für die Demokratie" sowie einen Hochschul-Campus, eine Reha-Klinik, eine Hotelnutzung oder eine Bundesbehörde als einige Überlegungen.

Doch in welche Richtung eine Entwicklung des Geländes in einigen Jahren wirklich gehen kann, ist noch unklar. "Es gibt ganz viele Fragen zu klären. Wir stehen am Anfang des Prozesses", sagte Borchert. Mitte Mai stehe nun ein Beratungstermin mit der zuständigen Berliner Immobilienmanagementgesellschaft (BIM) an. Geplant ist zunächst auch eine Zwischennutzung. So war dafür eine Übungsstätte für die Bundespolizei im Gespräch, die Landkreis und Gemeinde aber ablehnen. Das Gelände am Bogensee sei doch keine "Fighting City" mit Gebäuden für den Häuserkampf, sagte Bürgermeister Borchert.

Erst von der NS-Elite genutzt, jetzt von Schulkindern

Sendung: Antenne Brandenburg, 04.05.2024, 12:35 Uhr

44 Kommentare

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  1. 44.

    Vielleicht hat ja der Bürgermeister schon ein Auge für das Areal geworfen. ;-). Er ist selbst Architekt und sehr wahrscheinlich auch gut mit dem einen oder anderen Investor vernetzt. Beispiele für die Aktivitäten diverser Investoren, auch in der Amtszeit des Bürgermeisters, gibt es in Wandlitz leider zur genüge. War auch letztens im RBB „wir müssen reden“ Thema.

  2. 43.

    Hallo Kinkerlitzchen,
    das wusste ich nicht mit der schon vorhandenen Einrichtung.
    Dann wäre es doch wünschenswert, wenn Ihr Vorschlag von den Verantwortlichen aufgegriffen und umgesetzt würde.

  3. 42.

    Dem Artikel nach gehört das Grundstück dem Land Berlin, da steht aber nicht, dass es zu Berlin gehört. Davon ist auch daher auszugehen, dass das Gelände in der Denkmalliste von Wandlitz ausgeführt wird.

    Also ist Berlin nur Eigentümer, für alles behördliche ist Brandenburg zuständig.

    Allerdings heißt Denkmalschutz nicht zwingend, dass nicht abgerissen werden darf. Siehe zuletzt das eingetragene Baudenkmal "Gerenalshotel" in Schönefeld.

  4. 41.

    An alle, die sagen, dass es „weg soll“: was kann die Bausubstanz dafür, wer in ihr wohnte? Hier haben wir Gebäude, die ertüchtigt werden können, anstelle viel Müll zu produzieren - um anschließend Rohstoffe zu verbrauchen, um Neues zu Errichten.
    Räume sind knapp; daher sollte die Bebauung bestehen bleiben und einem sinnvollem Nutzen zugeführt werden, Ideen gab es ja bereits.
    Einer besseren Verkehrsanbindung (Straßen, Busse, Radweg, Parkplatz etc.) sollte auch nichts im Wege stehen…
    Wichtig nur, dass das Areal historisch eingeordnet wird, aber das ist sicher hinzubekommen.
    Weder der See, noch der Grund, noch die Gebäude können etwas für die Menschen, die sich dort einst niederließen - und von deren Sorte es dort niemals mehr welche geben sollte; auch das ist sicher hinzubekommen.

  5. 40.

    Weg und Gras drauf. Das gesparte Geld, für alle vorgeschlagenen und vorhandenen Gebäude und Projekte, für die Sanierung nutzen.

  6. 39.

    Muss ich Ihnen den Unterschied zwischen einem Versuch und einem Erfolg echt erklären? Rechte werden das Ding nicht bekommen.

  7. 38.

    Sie sprechen und argumentieren wie damals in der DDR. Da sollten historische Gebäude auch ,,weg'' um neue Plattenbauten hinzustellen.

  8. 37.

    Nee, bei Rechtsblindheit kann man sowas nicht sehen. "Königreich Deutschland" hatte versucht, dort Fuß zu fassen" ist doch wohl ne eindeutige Aussage, die sich mit Hilfe von Dr. Googel nachrecherchieren lässt.

  9. 36.

    Kulturerbe ist das nicht. Es ist die Villa eines Nazis und symbolisiert höchstens die Nazi-Kultur und die kann weg, damit etwas Neues kommen kann. Diese Villa hat eine schlechte Aura.
    Warum nicht weg und etwas Freundliches, Schönes gebaut, für viele, viele Menschen aus aller Herren Länder.
    Das ist Zukunft.

  10. 35.

    Ich gebe Ihnen Recht.
    Als ich auf meinem Dach eine Solaranlage installieren wollte, wurde mir das von der Untersten Denkmalbehörde, Neuruppin, verboten. Grund: ein unter Denkmalschutz stehendes Haus, was in der Sichtachse steht. Nur, ich wohne schon über 40 Jahre in dem Ort und verfolge den Verfall dieses "Denkmals" mit eingefallem Dach, eingestürzten Wänden, fehlenden Fenstern und Türen. Leider konnte mir Frau B., Leiterin der Behörde, nicht einmal sagen, wie und das Gebäude Denkmalgeschützt ist. " Das ist schon immer ein denkmalgeschützten Gebäude" - so ihre Auskunft. Irrsinn Deutschlands "Energiewende", "Klimaschutz" 2024.

  11. 34.

    Dummer Frage. Welcher Denkmalschützer ist zuständig? Der Berliner oder der Brandenburger? Kann Berlin das da einfach so abreißen? Denkmalschutz sollte ja wohl vorrangig sein. Und wer es in die Hand bekommt ist ja wohl eindeutig von staatlicher Seite zu kontrollieren. Die Gefahr, Rechte würden da einen Zugriff erhalten, sehe ich nicht.

  12. 33.

    Das gibt es bereits in der Brandenburg-Klinik ca 20 Minuten entfernt, so nah dran einen weiteren Standort dafür ist eher unrealistisch.
    Aber der Vorschlag ist gar nicht so schlecht, auf dem Areal befindet sich schon die Wald-Schule und zusätzlich könnte man über Ferien- und Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche dort nachdenken, für benachteiligte Kinder zB, die Räumlichkeiten sind ja schon da.

  13. 32.

    Ich finde das absolut unverschämt: Jeder kleine Privatmann mit altem Bestand mit fragwürdigem historischen Hintergrund bekommt Abrissverbote auferlegt oder wird vom Denkmalschutz gedrängelt, jeden alten Balken und jeden historischen Dachziegel zu erhalten, koste es was es wolle, auch wenn das Bauprojekt dadurch unfinanzierbar wird. Und hier wird ernsthaft überlegt, einen tatsächlich vielfach von historischer Bedeutung durchzogen Gebäudekomplex abzureißen bzw. "zu renaturieren"!?! Typisch!

  14. 31.

    Was für schöne vielfältige Ideen in den Kommentaren! Jetzt braucht es noch Menschen mit guten Finanzierungsideen. Blinde Privatisierung ist gefährlich, selbst wenn es ein Rücknahmerecht bei Vertragsbruch gibt (Verwahrlosung, Verfassungsfeidlichkeit). Das Land Berlin wird das juristisch nicht durchsetzen. Nach dem Motto: Jeder kann machen was er will, das Land zieht sich aus der Verantwortung, wo kein Kläger - da kein Richter. Ich erinnere an das verfallene SEZ. Beelitz hat es jetzt besser…

  15. 30.

    Vor dem Hintergrund, dass Bundesfinanzministerium und das Ministerium für Gesundheit und Soziales in durch die Nazis (ersteres durch Göring, zweiteres durch Göbbels jeweils als Chefs) errichteten und genutzten Gebäuden residieren, verstehe ich diese Diskussionen überhaupt nicht! Mir ist nicht bekannt, dass seitens der heutigen Nutzer nur ein einziges Mal dieser Umstand Anlass für Überlegungen, geschweige denn Handlungen irgendeiner Art war, so wie in vielen weiteren Städten Deutschlands!

  16. 29.

    Na am besten wäre doch ein Asylantenheim darin untergebracht. Das würde die menschenverachtenden Ideen der Nazis durch gelebte Mitmenschlichkeit ersetzen.

  17. 28.
    Antwort auf [Ernst Haft] vom 04.05.2024 um 12:25

    @ Ernst Haft genauso sehe ich das auch. Kam mir schon im ersten Bericht in den Sinn. Es wird permanent die rechte Ideologie beschworen, die sich dort und natürlich nicht in einem der anderen Nazibauten Deutschlands, ihren heiligen Gral installieren könnte. Das das Haus Jahrzehnte ein Ferienort für DDR Jugend war, wird kaum erwähnt. Es ist ein wundervoller Bau und eine Schande, ihn verkommen zu lassen all die Jahre.

  18. 27.

    Seitens der Leserschaft liegen ja nun reichlich Vorschläge zur Nutzung des Geländes auf dem Tisch. Ob sich einer davon zumindest kostenneutral für das Land Berlin realisieren lässt, wird sich zeigen. Die Bedenken des Wandlitzer Bürgermeisters vor rechtsextremen Umtrieben ließen sich wohl ausräumen, wenn -bei eventueller Übergabe in private Hände (hoffentlich nur Pacht)- der Erwerber vorher etwas genauer unter die Lupe genommen wird und entsprechende Sicherungsklauseln in die Verträge eingebaut werden. Die Toxizität des Geländes, von dem die Freizeitvilla des obersten Propagandanazis nur einen kleinen Teil einnimmt, sehe ich sowieso nicht als besonders hoch an; vor allen Dingen angesichts der Tatsache, dass große Teile seines Amtssitzes (zwischenzeitlich DDR-Behörden) heute als Ministerium genutzt werden. Für mich ist viel wichtiger, dass Orte des Leidens wie KZ's oder Folterkeller nicht überbaut oder durch profane Nutzung banalisiert werden, sondern würdige Erinnerungsstätten bleiben.

  19. 26.

    Mein Vorschlag wäre ein Erholungsheim für an Krebs (oder andere schwere Krankheiten) erkrankte Kinder und Jugendliche.
    Weit weg vom Lärm der Stadt und viel Natur rundherum.

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