Deutsches Technikmuseum - "Wir wollen den Menschen wieder Lust aufs Reparieren machen"
Eine neue Ausstellung im Berliner Technikmuseum will eine alte Kulturtechnik wiederbeleben: das Reparieren von Geräten und Gegenständen, die dadurch eine "zweite Chance" bekommen. Ambitioniert - und durchaus gelungen, findet Hans Ackermann.
Eine große Weltkugel empfängt das Publikum am Eingang der Ausstellung "Reparieren!" im Deutschen Technikmuseum Berlin. Blau-grün schimmert der Globus des Berliner Künstlers Muharram Batman. Erst aus der Nähe erkennt man, dass die Oberfläche seines "Planeten" nicht von Wäldern und Ozeanen bedeckt ist, sondern von Bruchstücken aus Leiterplatten, elektronischen Bauteilen und silbrigen Lötstellen.
"Die Idee hinter dem 'Schrottglobus' ist, dass die Menschen, die in die Ausstellung kommen, erst einmal von einem schönen blauen Planeten angezogen werden", erklärt Kuratorin Justine Czerniak. "Beim näheren Herantreten entpuppt sich dieser wunderschöne blaue Planet dann als eine Skulptur aus Schrott."
Skulpturen aus Elektroschrott am Eingang
80 Kilogramm Elektroschrott würden bei uns durchschnittlich pro Jahr von einem Vier-Personen-Haushalt produziert, erzählt Justine Czerniak. Der riesige Müllberg aus Elektrogeräten und weiteren Konsumgütern könnte schrumpfen, würden noch mehr Menschen die Reparatur als Kulturtechnik wiederentdecken. Die Ausstellung soll dazu ermuntern, den Dingen eine "zweite Chance" zu geben, sagt die Kulturwissenschaftlerin. "Wir wollen den Menschen wieder Lust aufs Reparieren machen, ihnen das Thema auf eine spielerische Weise näherbringen."
Lust am Reparieren
Lust am Reparieren bekommt man hier tatsächlich an geräumigen Arbeitstischen und vor Vitrinen voller Werkzeuge. "Mitmach-Stationen", die im Museumsbereich an der Ladestraße aufgebaut sind und zum Spielen und Staunen einladen, insgesamt zehn Module zum Thema "Reparieren statt Wegwerfen". Ein Motto, das man gar nicht früh genug verinnerlichen könne, meint Justine Czerniak.
Deswegen sei die Ausstellung auch "explizit für Familien mit Kindern konzipiert, für sie gibt es viele niedrigschwellige Angebote. Einen riesigen Knopf kann man annähen, eine Riesensocke stopfen – oder den Geschichten von "Dingen aus der Tonne" lauschen." Die Kuratorin legt eine riesengroße, bunt bemalte "Socke" aus Holz auf eine spezielle Plattform – woraufhin das Ding tatsächlich zu sprechen beginnt und mit traurig-näselnder Stimme klagt: "Früher wurden wir Socken gestopft und geflickt, aber heute, wer stopft denn heute noch Socken?"
Legendäre Küchengeräte
Statt achtlos alles wegzuwerfen, sollten man bei jedem "Ding" – von der Socke bis zur Waschmaschine – überlegen, ob es repariert werden kann. So wie das legendäre "RG 28", ein Musterbeispiel für maximale "Reparierbarkeit", leuchtend orange in einer eigenen Vitrine ausgestellt. "Das Rührgerät 28 ist ein Kult-Mixer, gebaut noch in der DDR", erzählt die Kuratorin. "Man kann ihn auseinanderschrauben und dadurch warten. Das ist eine wichtige Eigenschaft, wenn man Dinge reparieren will."
Heute, so Czerniak, sei das einfache Öffnen von Elektrogeräten oft gar nicht mehr möglich. "Die Gehäuse sind verklebt, so dass man nicht an die Mechanik im Inneren drankommt." Als Beispiele für diese Praxis sieht man in der benachbarten Vitrine Smartphones und Tablets, bei denen verschweißte Displays oder mit starkem Kleber befestigte Akkus eine Reparatur erschweren.
Bundesumweltministerin repariert ihr Fahrrad selbst
Die Reparatur erleichtern, die Weiterverwendung ermöglichen – dieses zentrale Anliegen der Reparaturbewegung ist in der Ausstellung auf Plakaten und Manifesten abgebildet. Das "Recht auf Reparatur" unterstützt auch die Schirmherrin der Ausstellung, Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die es sich auch privat nicht nehmen lässt, ihr Fahrrad selbst zu reparieren. "Kette ölen, die Lampe richten und Luft aufpumpen – das gehört sich doch wohl so, dass man hochwertige Konsumgüter pflegt und dadurch möglichst lange Freude daran hat."
Auf europäischer Ebene, so die Ministerin, trete sie für Regelungen ein, nach denen Hersteller im EU-Binnenmarkt "Reparaturanleitungen und Ersatzteile" zur Verfügung stellen müssten und Produkte von vornherein so gestaltet würden, "dass sie leicht auseinander zu bauen und dadurch reparierbar sind".
Hilfe zur Selbsthilfe
Etwas "auseinander zu bauen" bedeutet allerdings auch, dass man es wieder zusammenbekommen muss. Wer dieses Selbstvertrauen noch nicht hat, kann sich im Berliner Technikmuseum "professionelle Hilfe" holen, im Repair-Café, das die Ausstellung einmal pro Monat anbietet. "Repair-Cafés sind ein Phänomen, das sich seit etwa zehn Jahren weltweit ausbreitet", sagt Kuratorin Czerniak. "Menschen mit Reparaturwissen kommen zusammen und helfen anderen Menschen dabei, Dinge zu reparieren."
Mut zum Wagnis
Ihr Selbstvertrauen stärken auch jene Grundschulkinder, die am Workshop "Fahrrad reparieren" teilnehmen und dort – wie es in der Ankündigung heißt – eine "sehr wichtige Reparatur am Fahrrad wagen" und ein Loch im Schlauch flicken.
Eine "Reparatur wagen" – mit dieser Formulierung ist die vielleicht wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches Reparieren benannt: der Mut, den man braucht, wenn man die Dinge selbst in die Hand nimmt. Und dafür dann aber auch belohnt wird, sagt Kuratorin Justine Czerniak. "Wenn man geschafft hat, etwas zu reparieren, wenn man sich mit den Dingen auseinandergesetzt hat, fördert das die Kreativität und man ist stolz, es selbst geschafft zu haben."
Einfach machen
"Einfach machen", dieser Geist einer zukunftsorientierten "Reparier-Gesellschaft", wie sie auch von der Bundesumweltministerin gefordert wird, ist auf der gut 500 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche überall zu spüren. Information, Fachwissen, handwerkliche Praxis und Ermunterung, alles an einem Ort – in dieser vielschichtigen Konzeption liegt der besondere Verdienst der ambitionierten, liebevoll und detailreich ausgestatteten Ausstellung.
Sendung: rbb24 Abendschau, 06.12.2022, 19:30 Uhr