Am 10. Februar wäre der große Theatermacher Bertolt Brecht 125 Jahre alt geworden. Und natürlich feiert das Berliner Ensemble seinen Gründer. Warum Brecht gerade jetzt wieder relevant ist, erklärt Intendant Oliver Reese im Interview.
Vor 125 Jahren, am 10. Februar 1898, wurde Bertolt Brecht als Eugen Berthold Friedrich in Augsburg geboren. Sein Gesamtwerk umfasst mehr als 30 Theaterstücke, 2.500 Gedichte und Lieder sowie ein umfangreiches Prosawerk. Brecht schrieb und dichtete aber nicht nur, er machte sich auch viele Gedanken über Medien und die Gesellschaft, über das Wesen des Radios zum Beispiel. Und er gründete das bis heute bestehende Berliner Ensemble.
Zur Person
dpa/A. Riedl
Der Theaterregisseur, Dramaturg und Autor Oliver Reese ist seit 2017 Intendant des Berliner Ensembles. Davor leitete er das Schauspiel Frankfurt. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.
rbb24: Herr Reese, wäre Ihnen Brecht eigentlich nah und wichtig, wenn sie nicht Intendant ausgerechnet der Bühne wären, die er gegründet hat?
Oliver Reese: Man muss es andersherum sagen: Wenn man zu Brecht kein Verhältnis hat, dann soll man nicht Intendant am Berliner Ensemble werden. Und als mich die Politik angerufen hat und gefragt hat, ob wir über dieses Theater reden wollen, habe ich als Erstes gesagt, ich werde auf jeden Fall an dem Haus weiter Brecht spielen wollen und Brecht auf den Spielplan setzen. Ich habe eine Beziehung zu Brecht.
Ich habe auch oft erlebt, dass Regisseure Brecht nicht unbedingt inszenieren wollen. Schon als wir in Frankfurt [Schauspiel Frankfurt, Anm. der Redaktion] Brecht gespielt haben, gab es einige, die das nicht wollten. Und am Berliner Ensemble versuchen wir, spannende Aufführungen hinzukriegen.
Was hat uns Brecht, ein Mann der Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurde, im Jahr 2023 noch zu sagen?
Er hat uns in dieser Zeit, fürchte ich, mehr zu sagen als vielleicht in den Jahren, in denen es uns allen besser ging, vor zehn oder 20 Jahren. Brecht ist ein Autor der Krise. Brecht hat die zentralen Schaffensjahre seines Lebens im Exil verbringen müssen. Er hatte einen Welterfolg geschrieben, als junger Mann mit 30 – die Dreigroschenoper, die am Berliner Ensemble rauskam, als es noch nicht so hieß.
Kurz danach musste er vor den Nazis fliehen und ist ab 1949 im Exil geblieben. Er wurde nur 58 Jahre alt. Die zentralen 15 Jahre seines Lebens hat er "on the road" im Exil unter schweren Bedingungen ohne Theater, ohne große Erfolge verbringen müssen. Und deswegen hat er gerade für unsere Zeit sehr viel zu sagen.
"Ich bin jetzt in Berlin und es gefällt mir hier"
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Geboren wird der später weltbekannte Autor und Theatermacher Brecht (links im Bild) am 10. Februar 1898 als Eugen Berthold Friedrich Brecht in Augsburg. Er ist Sohn des kaufmännischen Angestellten Berthold Brecht und dessen Frau Sophie (geb. Brezing).
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Er wächst mit seinem jüngeren Bruder Walter (im Bild links) auf und wird Eugen genannt. Im Jugendalter schreibt er erste Texte und Gedichte. 1917 meldet er sich zum Kriegshilfsdienst und kann so während des Ersten Weltkriegs ein Notabitur machen. Daraufhin schreibt er sich an der Universität München für Medizin und Naturwissenschaften ein. Er widmet sich aber weiterhin der Literatur.
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Das Foto zeigt Brecht mit seiner Freundin Paula Banholzer, die er 1916 kennenlernt und "Bi" nennt. 1918 wird Brecht als Lazarettsoldat eingezogen. Ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg kommt ihr gemeinsamer Sohn Frank zur Welt. Im November 1922 heiratet er dann die Schauspielerin und Opernsängerin Marianne Zoff, mit der er die Tochter Hanne Marianne bekommt.
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1922 erscheint die Buchausgabe seines ersten Dramas "Baal". Und sein kritisch-engagiertes, linksorientiertes Stück "Trommeln in der Nacht" (das Foto zeigt einen Szenenausschnitt) wird in den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Der Berliner Theaterkritiker Herbert Ihering ist begeistert: "Der vierundzwanzigjährige Dichter Bert Brecht hat über Nacht das dichterische Antlitz Deutschlands verändert". "Trommeln in der Nacht" wird im Dezember 1922 am Deutschen Theater Berlin aufgeführt. Brecht erhält den Kleist-Preis.
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Bei einer Aufführung von "Trommeln in der Nacht" lernt er 1922 Helene Weigel kennen. Sie wird ihn trotz seiner Affären sein Leben lang begleiten. 1924 ziehen sie nach Berlin und ihr gemeinsamer Sohn Stefan - hier im Bild - kommt zu Welt. Erst 1927 lässt Brecht sich von seiner Frau Marianne scheiden.
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In Berlin ist er am Deutschen Theater mit Carl Zuckmeyer und Max Reinhardt tätig und vernetzt sich mit der Berliner Kulturszene. Er arbeitet eng mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Elisabeth Hauptmann zusammen.
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1929 heiraten Helene Weigel und Bertolt Brecht. Das zweite gemeinsame Kind, Barbara, kommt zur Welt. Das Foto zeigt ihn in seiner Berliner Wohnung, in der Spichernstraße 16. Das ursprüngliche Haus gibt es nicht mehr, aber eine Gedenktafel ist an dem Neubau angebracht.
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1928 wird am Theater am Schiffbauerdamm die "Dreigroschenoper" uraufgeführt. Bertolt Brecht hat sie mit Elisabeth Hauptmann und dem Komponisten Kurt Weill erarbeitet. Das Werk trägt maßgeblich zu seiner Berühmtheit bei. Sein Film "Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?" aus dem Jahr 1931, der die Probleme des Proletariats zeigt, wird zunächst verboten. Nach öffentlichen Protesten wird die Zensur unter Schnittauflagen aufgehoben. Der Film kann in einer veränderten Fassung gezeigt werden.
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Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und einen Tag nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 verlässt Brecht mit seiner Familie Deutschland und begibt sich über Prag nach Wien, in die Schweiz und schließlich nach Dänemark. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen muss er 1940 nach Finnland übersiedeln.
Im Exil arbeitet er eng mit Walter Benjamin und Hanns Eisler zusammen. Es entstehen viele Gedichte und Stücke, wie "Mutter Courage und ihre Kinder", das 1941 in Zürich uraufgeführt wird.
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Im selben Jahr, 1941, erhält Brecht ein Einreisevisum für die USA und lebt bis 1947 mit Helene Weigel und ihren beiden Kindern in Kalifornien. Er trifft dort mit emigrierten Intellektuellen zusammen, wird in den USA aber nie heimisch.
Paula Banholzers und Brechts Sohn Frank fällt 1943 als deutscher Soldat an der Ostfront.
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1947 wird er vom "Komitee für unamerikanische Umtriebe" des Kommunistenjägers Senator Joseph McCarthy vorgeladen. Er verlässt die USA.
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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kann er "Mutter Courage" in Berlin aufführen. Helene Weigel spielt die Hauptrolle. 1949 ist Premiere der Inszenierung mit Erich Engel im Deutschen Theater in Ost-Berlin. Die vergrößerte Drehbühne läuft auf Rädern eines sowjetischen Panzers, die Helene Weigel von der sowjetischen Besatzungsmacht organisiert hat. Ihre Mitwirkung im Stück "Mutter Courage und ihre Kinder" ist legendär. Das Stück wird ein außerordentlicher Erfolg.
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Das Paar siedelt nach Ost-Berlin über. Auf Initiative von Helene Weigel entsteht 1949 ein neues Ensemble, in dem Brecht seine Ideen umsetzen kann: zunächst unter dem Namen "Helene-Weigel-Ensemble" - später wird es in "Berliner Ensemble" umbenannt. Die Intendanz übernimmt Helene Weigel, die künstlerische Leitung Bertolt Brecht. 1954 zieht es ins Theater am Schiffsbauerdamm. Das BE wird zum künstlerischen Aushängeschild der DDR.
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1952 erwerben sie ein Haus am Schermützelsee bei Buckow in der Märkischen Schweiz, um sich dort zur Arbeit oder Erholung zurückzuziehen.
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Brecht stirbt am Abend des 14. August 1956 im Alter von 58 Jahren in Ost-Berlin. Am 17. August 1956 wird er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und im Beisein zahlreicher Vertreter aus Politik und Kultur auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Mitte beigesetzt. Sendung: | zum Beitrag | weitere Bildergalerien
Ihr Haus zeigt an diesem Wochenende nicht nur Brecht-Stücke. Es wird auch Vorträge und Diskussionen geben, zum Beispiel mit einem Soziologen und einer Sozialwissenschaftlerin. Was haben die denn über Brecht zu sagen?
Ich glaube, das wäre Brecht recht gewesen, dass man nicht nur mit Aspekten aus der Theaterblase über seine Arbeit redet, sondern dass man seine Themen ernst nimmt. Brecht hat in den Stücken tatsächlich wesentliche Entscheidungen fürs Leben verhandelt, für ein politisches Engagement. Er hat sich zum Beispiel in "Die Maßnahme" mit dem Thema befasst: Ist ein Tyrannenmord in Ordnung? Kann das sein, dass man zu diesem Mittel greifen muss? Ein Thema, das wir auch heute besprechen.
Er hat in "Der Jasager. Der Neinsager" diskutiert, ob es einen Moment geben kann, in dem ich mein eigenes Leben dafür gebe, dass die Gemeinschaft weiterkommt. Das ist etwas, was wir im Moment in Kriegsgebieten erleben. Und deswegen ist es richtig, dass wir Brecht in drei Panels ernst nehmen und diskutieren.
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Land Berlin will Trägerschaft über BE übernehmen
Das Berliner Ensemble soll in Zukunft in unmittelbare Trägerschaft des Landes Berlinüberführt werden. Derzeit ist das BE eine private GmbH mit Oliver Reese als alleinigem Gesellschafter. Laut Kultursenator Klaus Lederer ist geplant, dass das Land Reeses Gesellschafteranteile übernimmt und das Theater damit re-kommunalisiert wird.
Brechts Werke werden natürlich auch zu sehen sein. Was haben Sie geplant, was können Sie uns empfehlen?
Wir spielen gleich drei verschiedene Aufführungen mehrfach an diesem Wochenende, die sich mit Brecht auseinandersetzen. Wir haben eine kleine Uraufführung: "Der Lebenslauf des Boxers Samson-Körner". Es gibt Brechts sehr politisches, teilweise auch problematisches Stück "Die Mutter" – tief kommunistisch durchdrungen von dem Glauben an eine Welt, die man mit dem Kommunismus verbessern kann. Die junge Regisseurin Christina Tscharyiski hat das Stück inszeniert, mit fetziger Musik von Paul Dessau, neu interpretiert von einem der Musiker der Band Wanda.
Und dann gibt es noch einen verrückten Abend, der heißt "Brechts Gespenster". Da spielt die Puppenspielerin Suse Wächter – nicht nur Brecht, sondern auch Gott, Sigmund Freud und Lenin. Ein Puppenspiel aus der Welt von Brecht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Kerstin Lehmstedt für radioeins. Der Text ist eine redigierte Version des Interviews.
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TIPPFEHLER !!!!!! natüüüüüüriich heißt er MACKIE !!!!!!
4.
"Mickie Messer- Brechts Dreigroschenfilm" z.B. oder was Anderes über ihn ,wäre heute 20.15h schön gewesen, im rbb TV, zur Erinnerung und Würdigung, schade, wohl zu viel geträumt, den rbb betreffend......... :-( aber: was nicht ist, kann ja noch kommen...............
3.
So so, Brecht wäre heute 125 Jahre alt geworden. Was für ein Schwachsinn, und es ist ihm ja gottlob nicht passiert. Man stelle sich einen 125 Jahre alten Brecht vor. Dass er vor 125 Jahren geboren wurde, das stimmt allerdings.
Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben die betreffende Stelle geändert. Beste Grüße aus der Redaktion.
1.
Liebes Rbb-Team, bitte in der Bildergalerie beim vorletzten Bild bei der Beschreibung richtigstellen: Buckow in der Märkischen Schweiz liegt am "Schermützelsee", nicht wie dort steht "Scharmützelsee", der ist in Bad-Saarow u.a. Orte.
Danke.