Konzertkritik | Sarah Connor in der Waldbühne
Sarah Connor singt in der Waldbühne einige belanglose Songs – doch die Künstlerin ist absolut nicht zu unterschätzen, meint Hendrik Schröder. In einem bewegenden Moment reißt sie ihn vom Hocker, und die Fans drehen sowieso vor Freude durch.
So ein Sarah Connor-Konzert fühlt sich zunächst mal an, wie eine Daueranimation in einem sehr freundlichen Urlaubsresort. Oder mit anderen Worten: Das Publikum möchte offenbar sehr gerne ein bisschen geführt werden.
Und so gibt Sarah Connor in Hotpants und Oversize Hemd den geschätzten 20.000 Fans in der nahezu ausverkauften Waldbühne ordentlich Verhaltenshinweise mit. In jedem Song mehrfach. Hier mitklatschen, da winken, jetzt singen, jetzt alle aufstehen. Jetzt mal nur die Kinder. Und überhaupt: "Wer ist denn heute Abend mit der Mädelsclique da?" "Yeahhhhhh", schallt es aus zahllosen Kehlen. Mädels-Abend beim Sarah Connor Konzert. Das scheint das Ding zu sein.
Dann covert sie Paradise City von Guns n' Roses und man fragt sich: Warum? Die Frau hat neun Studioalben gemacht und ein Dutzend Hits rausgebracht. Aber nun gut, den Leuten gefällt es. Und Connors Gitarrist darf so auch mal zeigen, was er eigentlich alles kann.
Und während im Folgenden ein belangloser Connor-Song nach dem anderen so von der Bühne schallt und man sich umschaut und die Leute, die Mädelsabend-Mädels, tanzen und lachen und singen sieht und hört, da denkt man: Mensch, wie sehr müssen die Musik eigentlich verachten, um sowas gut zu finden? Aber das ist ein fürchterlich arroganter und böser Gedanke, besser gleich wieder verwerfen. Die Leute haben Freude, sie lieben ihre Sarah da vorne, sie kennen jede Zeile und sie haben die beste Laune der Welt an diesem Abend. Was kann daran falsch sein?
Und Sarah Connor hat ja auch eine Stimme! Ganz früh schon nahm sie Gesangsunterricht, dann Klavierunterricht, sang im Chor, wollte nie etwas anderes sein, als Sängerin. Allerdings passen Stimmlage und Tonalität nicht zu jedem Song an diesem Abend. Manche versanden ohne große Wirkung, andere knallen tierisch. Bei all dem ist Sarah Connor in ihrer natürlich authentischen, hemdärmeligen Prolligkeit ja aber ganz schön sympathisch.
Wer singt schon in Radiopopsongs Sachen wie "Titten", "Scheiße" und "kriegt keinen hoch"? Und selbstironisch ist sie auch. Als völlig durchdrehende Fans in den ersten Reihen anfangen, Liebesbekundungen und offenbar diverse Unzüchtigkeiten auf Transparenten hochzuhalten, da kichert sie und sagt: "hört auf damit, sonst macht ihr mich nervös und dann verbasel ich den Text und ihr wisst ja, was dann passiert". Eine Anspielung auf ihr legendäres "Brüh im Lichte dieses Glückes" beim öffentlichen Vortragen der Nationalhymne 2005 in der Münchner Allianz-Arena.
Und dann kommt nach der ganzen Dampfplauderei in den endlosen Ansagen und den vielen irgendwie egalen Liedern mit dem Song "Stark" der bewegendste Moment des Abends. Ein Lied über Depressionen und Panikattacken. Unter denen auch Connor immer wieder leidet, wie sie in der Ansage zu dem Song erzählt.
Es wird ganz still in der Waldbühne und Sarah Connor legt alles was sie hat in dieses Lied: Schmerz, Leid, Hoffnung, Liebe, Mitgefühl. Augen werden feucht, hunderte, tausende Augen. Inklusive die der Sängerin. Was für ein Moment. Was für eine Kraft. Was für eine Stimme. "Ihr seid nicht allein", meint die Stimme, "hier ist Wärme, hier ist Gemeinschaft, hier wird keiner liegen gelassen". Wie fragil und ehrlich und doch stark. Ganz stark. Man sollte Sarah Connor nicht unterschätzen. Sie hat die Fähigkeit, Menschen mitzureißen und tief zu berühren. Sich zu zeigen. Trost zu spenden. Das ist viel.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2023, 06:39 Uhr
Beitrag von Hendrik Schröder
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