Karlsruhe - BGH bestätigt Mordurteil gegen einen der Kudamm-Raser

Do 18.06.20 | 10:40 Uhr
  29
ARCHIV - 01.02.2016, Berlin: Fahrzeugteile liegen nach einem illegalen Autorennen in der Tauentzienstraße. (Quelle: dpa/Pedersen)
Video: Abendschaiu | 18.06.2020 | Martin Krebbers | Bild: dpa/Pedersen

Der Bundesgerichtshof hat das Mordurteil gegen den Hauptangeklagten der beiden Berliner Kudamm-Raser bestätigt. Über den zweiten Angeklagten muss das Berliner Landgericht dagegen nochmals verhandeln. Dessen Mordurteil hob der BGH in Karlsruhe auf.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Donnerstag das Mordurteil für einen der Berliner Kudamm-Raser bestätigt. Damit ist der Hauptangeklagte rechtskräftig verurteilt. Die Verurteilung wegen Mordes sei zuvor vom Berliner Landgericht "tragfähig" begründet worden, sagte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible. Das Landgericht habe die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe fehlerfrei bejaht. Fehler bei der Beweiswürdigung zum Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln wirkten sich nicht auf die Strafe aus.

Dagegen muss das Berliner Landgericht den Fall des jüngeren Angeklagten zum dritten Mal verhandeln. Sein Wagen war nicht mit dem Auto des Unfallopfers kollidiert. Die Mittäterschaft des Angeklagten sei nicht belegt. "Mittäterschaft setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus", sagte Sost-Scheible. Den habe das Landgericht aber nicht tragfähig begründet. Es gehe um Vorgänge, die sich in den Köpfen der Täter abspielen. Darin habe ein Tatrichter keinen Einblick. Sost-Scheible sprach von einer "außerordentlich schwierigen Aufgabe" für Gerichte, solche Fälle zu entscheiden. "Wir haben es nicht mit einem klassischen Tötungsdelikt zu tun."

69-Jähriger hatte keine Überlebenschance

Das Landgericht hatte die beiden Männer bereits zweimal wegen Mordes verurteilt. Dagegen gingen sie jeweils in Revision. Die Männer waren in der Nacht auf den 1. Februar 2016 mit über 160 Stundenkilometern über den Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße gefahren. Sie lieferten sich über eine Strecke von etwa 1,5 Kilometern ein Autorennen mit hohen Geschwindigkeiten geliefert. Die roten Ampeln ignorierten sie.

Der Ältere der Beiden rammte auf einer Kreuzung mit bis zu 170 Kilometern pro Stunde ein Auto, das aus einer Seitenstraße kam. Der 69 Jahre alte Fahrer in dem Jeep, der durch den seitlichen Aufprall 25 Meter durch die Luft geschleudert wurde, hatte keine Überlebenschance, er starb noch am Unfallort. Die Wagen der Raser landeten in einem Hochbeet. Im Auto des Jüngeren saß eine Beifahrerin und wurde verletzt.

BGH hob erstes Berliner Mordurteil im Jahr 2018 auf

Die BGH-Richter beschäftigten sich bereits zum zweiten Mal mit dem Fall. Im Februar 2017 hatte das Berliner Landgericht beide Männer als Mörder verurteilt. Es war das erste Mordurteil gegen Autoraser in Deutschland. Die Verteidiger der Angeklagten legten daraufhin Revision ein. Der BGH hob das Mordurteil ein Jahr später wegen Rechtsfehlern auf, der Prozess begann von vorn. Das Berliner Landgericht verhängte im März 2019 wieder lebenslange Haft wegen Mordes.

Die Berliner Richter sahen drei Mordmerkmale erfüllt: Das Opfer sei völlig arg- und wehrlos gewesen. Bei der enormen Geschwindigkeit und unüberschaubaren Situation seien die Autos zum gemeingefährlichen Mittel geworden. Die Rücksichtslosigkeit und Selbstsucht der Männer spreche für niedrige Beweggründe.

Zweifel beim zweiten Angeklagten

Die beiden Männer, die seit vier Jahren und drei Monaten in Untersuchungshaft sitzen, legten erneut Revision ein. In der BGH-Verhandlung im April waren bereits vor allem bei dem zweiten Angeklagten Bedenken deutlich geworden, der den Wagen nicht selbst gerammt hatte. Das Berliner Landgericht hatte den zum Unfallzeitpunkt 24-Jährigen zweimal als Mittäter verurteilt.

Neben dem Verteidiger beantragte auch die Bundesanwaltschaft, das Mord-Urteil aufzuheben. Dass beide Männer sich ein illegales Rennen geliefert hatten, reiche für eine Verurteilung wegen Mordes nicht aus. Außerdem sei ungeklärt, ob der Unfall zu vermeiden gewesen wäre, wenn er das Rennen auf den letzten Metern abgebrochen hätte.

Sendung: Inforadio, 18.06.2020, 10:20 Uhr

29 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 29.

    Ihr Aktionismusverdacht ist meistens leider gut begründbar. Das BGH-Urteil auf „Mord“ für Raser im öffentlichen Straßenraum wäre jedoch auf der heutigen Rechtsgrundlage nicht mehr möglich. Gemäß dem seit 2017 geltenden § 315d StGB gibt es hier keinen „Mörder“ mehr. Bitte beachten Sie den Absatz 5, der in schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von 1-15 Jahren vorsieht.

  2. 28.

    Das Urteil wegen Mordes ist schon korrekt. Es sind mehrere Mordmerkmale erfüllt.
    - niedriger Beweggrund: Rasen aus Befriedigung des Egos
    - gemeingefährliches Mittel: Auto wird zum Geschoss, völlig überhöhte Geschwindigkeit, Rasen über rote Ampeln
    - argloses Opfer: dieses durfte sich auf seine grüne Ampel verlassen
    - bedingte Tötungsabsicht: durch die Umstände war es dem Raser offensichtlich egal, dass Unbeteiligte sterben können

    Das selbe Prinzip wird unkritisiert bei Bombenlegern schon immer angewandt. Auch dieser hat meist einen bedingten Tötungsvorsatz, weil er nicht weiß, wen es trifft, sehr wohl aber, dass die Explosion Tote fördern kann. Es ist ein Irrglaube, dass eine unbedingte Tötungsabsicht vorliegen muss.

  3. 27.

    Ein Vorsatz (also die Absicht, einen Menschen zu töten) ist da nicht erforderlich?
    Meine Einschätzung: Körperliche Schäden bei anderen Menschen bis hin zum Tod wurden in Kauf genommen, doch nicht angestrebt.
    Von Heimtücke und Grausamkeit halte ich übrigens auch diesbezüglich nichts; beides sind zu schwammige Begriffe, die zu sehr Ansichtssache sind.
    In diesem Zusammenhang: Was konkret sind "niedere Beweggründe"? Zählt dazu auch Geltungssucht oder wäre das erst noch zu klären? (Ich habe den entsprechenden Gesetzestext nachgeschlagen und Angeberei kommt darin nicht vor.)
    Und was konkret sind "gemeingefährliche Mittel"?
    Klar: Sprengsätze, bewaffnete Drohnen und andere Objekte, die der Verletzung und Tötung von Menschen dienen, gehören sicher dazu.
    Aber auch Fahrzeuge?

    @ Radikaldemokrat: Danke. Tendenziell habe ich neue Gesetze eher im Aktionismusverdacht, die Durchsetzung bestehender eher nicht.

  4. 26.

    Stimme „Tremor“ uneingeschränkt zu. Doch gibt der neue § 515d StGB das „richtige“ Signal an die potentiellen Raser?

  5. 25.

    Du bist ein Nichtjurist und bewertest diesen Fall nicht als Mord, sondern als Totschlag? Bitte noch mal alles lesen.

    Hier mal ein Auszug aus dem Strafgesetzbuch:

    § 211 Mord
    (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

    (2) Mörder ist, wer

    aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
    heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
    um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
    einen Menschen tötet.

    Damit sind die Mordmerkmale eindeutig geklärt! Liebe Grüße von einem Nichtjuristen.

  6. 24.

    Auch wenn es sich für mich als Nichtjuristen eher um Totschlag als um Mord handelt, begrüße ich jedes harte Urteil gegen solche Soziopathen, denen offenbar selbst moderne Videospiele nicht realistisch genug sind und die ein Publikum brauchen, vor dem sie sich als unreife und verantwortungslose Angeber produzieren können.
    Schade nur, dass "lebenslänglich" in Deutschland eine hohle Phrase ist.

  7. 23.

    Ich begrüsse die harte Strafe. Gut so. Das Urteil betrachte ich eher als schwierig. Ich bin ganz fest davon überzeugt, das hier nur dem Vergeltungsgedanken nachgegeben wurde. Wie gesagt, wer nach Vergeltung ruft, wird hier jetzt glücklich.

  8. 22.

    Wenn jemand auch nur 10 % der Verfehlungen mit seinem anvertrauten Arbeitsgerät im Betrieb machen würde, wie das die beiden Raser vom Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße taten, dem würde so ein Gerät nie wieder anvertraut.

    Merkwürdige Verhältnisse sind das, dass bei der Führerschein-Zuerteilung immer noch vor allem die technische Beherrschung entscheidend ist, nicht aber gleichrangig der sorgsame Umgang damit. Das Gleiche gilt übrigens bei den eklatanten Fehleinschätzungen in puncto Alkohol.

    Hier aber ist ganz bewusst die Zerstörung in Kauf genommen und provoziert worden. Von Material und auch von Menschenleben. Wer denn bis drei zählen kann.

  9. 21.

    "Lebenslang" bedeutet in Deutschland formell bis zum Ende des Lebens, jedoch besteht nach 15 Jahren Gefängnis die Möglichkeit auf Entlassung und anschließend weiteren 5 Jahren auf Bewährung. Das kann gewährt werden, muss aber nicht.

    So war der Kommentar von Steffen wsl. gemeint.

  10. 19.

    Ja,ich finde dieses Urteil auch angemessen.
    Allerdings tut mir der Sohn ,die Familie des Unfallopfers leid,denn das Berliner Landgericht muss den Fall des jüngeren Angeklagten zum dritten Mal verhandeln. Somit ist es noch nicht vorbei und die Hinterbliebenen kommen weiterhin nicht zur Ruhe.

  11. 18.

    Das ist eine gute Nachricht und eine nachvollziehbare Entscheidung!

  12. 17.

    Also ich glaube nicht, dass sich jemand davon abschrecken lässt. Dafür ist der Kick zu groß. Vor allem dann wenn die Blutbahnen voller Adrenalin sind mit den entsprechenden Pharmazeutika. Chrystal Meth wird sicherlich niemanden davon abhalten.

  13. 16.

    Ja, ich weiß auch um die bekannten ähnlich gelagerten Fälle, z. Bsp. aus Hamburg und Köln und bin mit der jetzigen Entscheidung im Berliner Fall recht zufrieden, weil jeder Täter individuell betrachtet und verurteilt wird. So gehört sich das auch in einem Rechtsstaat, deshalb erschreckt mich Ihre pauschalisierende Forderung doch ganz schön, denn um von § 212 auf § 211 zu kommen, dazu gehört schon einiges und solche Verkehrsstraftaten fielen (vor der Gesetzesnovelle) normalerweise unter § 222. Merken Sie was? Sie machen aus einer Höchststrafe von 5 Jahren nicht mal eben nur eine Eingangsstrafe von 5 Jahren sondern erwarten allen Ernstes lebenslänglich beim starfbaren Versuch. Etwas abenteuerlich, Ihre Rechtsauffassung - finde ich.

  14. 15.

    Sehr gutes und richtiges Urteil. Spätestens jetzt muss diesen rücksichtslosen und selbstverliebten Posern klar sein, dass sie für mindestens 15 Jahre einfahren, wenn jemand bei ihren hirnlosen Rennen zu Schaden kommt. Dieses Urteil wird richtigerweise Signalwirkung haben. Damit beweist unsere Justiz, dass sie mehr kann als Täterschutz!

  15. 14.

    Lebens lange Haft so sehe ich das

  16. 13.

    Endlich nach langem Hickhack ein richtiges Urteil. Weg bis zum Sanknimmerleinstag und lebenslang nie wieder eine Fahrerlaubnis.
    Beim 2. würde ich die max. Höchststrafe ebenso befürworteten die es geben kann für Mithilfe.....

  17. 12.

    "Und bitte gleich beide mit einer lebenslangen Führerscheinsperre versehen. Sollen beide in Zukunft mit tiefer gelegten Bobbycars durch die Gegend rasen!"

    Das scheint mir der springende Punkt zu sein.
    Die Überzeugung, dass es nicht nur auf eine technische Beherrschung eines Fahrzeugs ankomme, sondern auch um eine sittlich-moralische Reife, so ein Fahrzeug umsichtig zu führen, hat mittlerweile auch Einfluss auf die Führerschein-(Nicht-)Erteilung bekommen. Wenn jemand vermeintlich alles kann, sich aber nicht zurückhalten kann, bekommt er/sie "den Lappen" einfach nicht zuerkannt.

    Diese zweite Komponente wird allerdings immer noch unterbewertet.

  18. 11.

    Ich finde die Entscheidung gut und angemessen. Eventuell überlegt sich jetzt manch ein Raser ob er das riskieren will.
    Die Raserei hat sehr stark zugenommen und das Auto wird immer mehr als Waffe eingesetzt und dafür kann es nur Lebenslänglich geben.

  19. 10.

    Ich denke, dass es ein gerechtes Urteil ist. Für die Angehörigen ist es wichtig zu erfahren, dass es nicht um einen dummen Jungenstreich ging, sondern um den Mord ihres Angehörigen. Der zweite Täter ist rechtlich wohl anders zu bewerten, weil sein Fahrzeug nicht direkt am Auffahrunfall beteiligt war. Aber ich vertraue der Justiz, dass es hier noch zu einer gerechten Verurteilung kommt. Und bitte gleich beide mit einer lebenslangen Führerscheinsperre versehen. Sollen beide in Zukunft mit tiefer gelegten Bobbycars durch die Gegend rasen!

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren