Datenauswertung
Wo sind die Menschen in Berlin besonders alt - und wo besonders jung? Darauf gibt es klare Antworten, wie eine Datenauswertung von rbb|24 zeigt. Außerdem ändert sich vieles sehr schnell, was die Statistik auf den ersten Blick allerdings nicht hergibt.
Das Durchschnittsalter in Berlin ist erstaunlich stabil - gegen den allgemeinen Trend, dass die Gesellschaft altert. Es betrug am 30.06.2021 in der Hauptstadt 42,9 Jahre, nur unwesentlich mehr als 2010 - da waren es 42,8 Jahre. Das zeigen Daten aus der Einwohnerregisterstatistik vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Grund ist der starke Zuzug jüngerer Menschen der vergangenen Jahre, erklärt Stadtforscher Sigmar Gude, Geschäftsführer vom Asum Büro für angewandte Stadtforschung und Mieterberatung: "Diese Zuwanderung setzt sich vor allem aus Personen zusammen, die hier ein Studium beginnen oder einen Job anfangen." Seit 2001 ziehen mehr Menschen nach Berlin als von dort weg - richtig Fahrt nahm die Zuwanderung ab 2011 auf.
Besonders in den Kiezen zeigen sich Veränderungen: Zum Beispiel in der Gegend zwischen dem Bahnhof Südkreuz und dem S-Bahnhof Schöneberg.
Noch vor wenigen Jahren war das Gebiet vor allem für den Euref-Campus, ein Möbelhaus und einen BSR-Hof bekannt. Der BSR-Hof ist zum Leidwesen derer, die ihn häufig genutzt haben, inzwischen Geschichte. Dafür wurden auf der sogenannten Schöneberger Linse Wohnungen und Büros errichtet, der Energiekonzern Vattenfall baut hier zum Beispiel seine neue Zentrale.
2010 lebten hier gerade einmal 435 Menschen, das Durchschnittsalter betrug 36,7 Jahre. Aktuell sind es etwa 1.500 (Stand 30.06.2021), und inzwischen ist das Stadtquartier "Schöneberger Linse" mit einem Durchschnittsalter von 31 Jahren der jüngste Berliner Kiez.
Sollten Sie die folgende Grafik nicht sehen, klicken Sie bitte hier.
Der Kiez mit den im Durchschnitt ältesten Einwohner:innen ist die Gegend um die Angerburger Allee in Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier lebten zum Stichtag 2.799 Menschen, die im Schnitt 54,8 Jahre alt waren. Auch in diesem Kiez hat Zuzug das Durchschnittsaltter gesenkt: 2010 lebten hier noch fast 250 Menschen weniger - nämlich 2.550 - die im Schnitt 58,8 Jahre alt waren.
Stadtforscher Sigmar Gude spricht von Wellenbewegungen, was die Altersstruktur von Kiezen in der Stadt angeht. "In Neubaugebiete ziehen erst einmal viele junge Leute, die haben bald viele kleine Kinder" sagt Gude. "Nach 20 Jahren fängt es an, dass die junge Bevölkerung auszieht und wir nur noch wenige kleine Kinder und mehr Alte haben. Dort gibt es dann eine sehr geringe Fluktuation. Irgendwann gibt es einen Umbruch, wenn viele Menschen ins Altersheim ziehen, dann kommen wieder junge Leute nach", so Gude. Und: "Diese Wellenbewegung ist aber für eine kontinuierliche Stadtentwicklung sehr ungünstig, weil die Nachfrage nach Infrastrukturleitungen wie Schulen und Kitas oder Alteneinrichtungen so großen Schwankungen unterliegt."
So wie bei den Kiezen gibt es bei auch zwischen den Bezirken Unterschiede - wenn diese auch nicht ganz so groß sind. Jüngster Bezirk ist demnach Friedrichshain-Kreuzberg mit einem Durchschnittsalter von 38,6 Jahren, ältester nach dem Durchschnittsalter ist Steglitz-Zehlendorf mit 46,5 Jahren.
Der Planungsraum Brunnenstraße ist im Gesamtberliner Vergleich der Kiez, in dem die Anzahl der Menschen unter 25 am größten ist. Von 14.193 registrierten Bewohner:innen gehörten 4.534 zu dieser Altersgruppe, ein Anteil von 31,9 Prozent. Als eine Erklärung dafür, dass in den Altbaugebieten der Innenstadt eher junge Leute lebten, nennt Gude die Gentrifizierung.
Den mit 35,7 Prozent größten Anteil der unter 25-Jährigen gibt es in der Gegend der Maulbeerallee in Spandau. Zum Stichtag waren hier 11.456 Menschen gemeldet, davon gehörten 4.095 zu dieser Altersgruppe.
ln Springpfuhl in Marzahn leben im Gesamtberliner Vergleich die meisten über 65-Jährigen. Von den 14.860 Menschen gehörten hier am Stichtag 4.457 zu dieser Altersgruppe, ein Anteil von 30 Prozent.
Den höchsten Anteil der über 65jährigen gibt es in der oben bereits erwähnten Angerburger Allee. 43,8 Prozent waren hier in dieser Altersgruppe (2.799 Menschen).
In 223 Kiezen ist das Durchschnittsalter zwischen 2010 und Juni 2021 gesunken, in 135 davon um mindestens ein Jahr. 13 Stadtquartiere haben ihren Altersdurchschnitt gehalten, der Rest ist älter geworden.
Die größte Verjüngungskur hat der neue Planungsraum Wista (Wissenschaftsstadt Adlershof) in Treptow-Köpenick gemacht. Von einen Altersschnitt im Jahr 2010 von 51,5 sank das Durchschnittsalter hier auf 33,3 Jahre im Juni 2021. Vor elf Jahren zählte die Statistik in diesem Gebiet allerdings auch nur 247 Menschen, im vergangenen Sommer waren es dann schon 3.100.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Altersstruktur nicht nur durch Geburten oder Todesfälle bestimmt wird, sondern vor allem durch Zu- beziehungsweise Wegzug. "Je kleiner die Räume werden, umso stärker können sich einzelne Veränderungen wie der Bau neuer Wohnungen auf den Gesamtdurchschnitt auswirken", sagt Stadtforscher Gude.
Die meisten Kinder, die noch keinen ersten Geburtstag gefeiert haben, gab es zum Stichtag im Weitlingkiez in Lichtenberg (211), ein Anteil von 1,3 Prozent. Hier beobachtet Gude eine beginnende Gentrifizierung.
Und Berlin ist auch andernorts im steten Wandel: Mit der Entstehung vieler Neubaugebiete ändern sich Einwohnerzahl und Altersstruktur in vielen Berliner Kiezen derzeit rasend schnell, oder es entstehen völlig neue Kieze, so wie es auch bei der Schöneberger Linse der Fall ist.
Im Blankenburger Süden zum Beispiel lebten zum Stichtag ganze 51 Menschen, nämlich Dauerbewohner in einer ehemaligen Kleingartenanlage. Und die werden demnächste viele Nachbarn bekommen: Die ersten neuen Wohnungen sollen im Blankenburger Süden nach Angaben des Senats im Jahr 2030 bezugsfertig sein. In etwa zehn Jahren liegt der jüngste Kiez Berlins dann womöglich im Nordosten Berlins.
Sendung: Abendschau, 25. Januar 2022, 19:30 Uhr
Beitrag von Götz Gringmuth-Dallmer
Artikel im mobilen Angebot lesen