Muezzin-Diskussion in Köln
Fünf Mal am Tag lädt der Muezzin Menschen muslimischen Glaubens zum Gebet ein. Die Kölner Zentralmoschee überträgt seinen Ruf seit dem 14. Oktober auch auf die Straße. Für Berlin ist das erst mal nicht geplant. Von Josefine Janert
Mehr als 300.000 Menschen muslimischen Glaubens leben in Berlin. Viele von ihnen beten in der libanesisch-arabisch geprägten Omar-Ibn-Al-Khattab-Moschee am U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg.
Im großen Gebetsraum stellt sich kurz vor 18.30 Uhr ein junger Mann vor ein Mikrofon. Er gehört zu einer Gruppe von Muslimen, die in dieser Moschee reihum als Muezzin wirken. Morgens, mittags, nachmittags, abends und nachts fordern sie mit ihrem Ruf Menschen muslimischen Glaubens zum Gebet auf. In der Omar-Moschee ist das ein Ehrenamt. Wer es ausübt, dem bringt es Achtung ein. Gleichzeitig sei die Tätigkeit als Muezzin „eine große Ehre“ und „eine gute Tat“, die im Jenseits gutgeschrieben werde, erklärt Birol Uçan, der Sprecher der Moschee.
Ehe ein neuer Gebetsrufer tätig wird, hat er vorher einen Termin bei einem erfahrenen Muezzin, der ihn prüft. Gebe dieser sein Okay, könne der Neue starten, erläutert Uçan. Voraussetzung für das Amt sei eine wohlklingende, charismatische Stimme.
Den Gläubigen, die sich jetzt im Gebetsraum einfinden, hat der Muezzin den Rücken zugewandt. Pünktlich zum Sonnenuntergang hebt er an: "Allahu Akbar!". Birol Uçan erläutert: "Das hat viele Bedeutungen, zum Beispiel: Gott ist allmächtig. Der Muezzin sagt dann das Glaubensbekenntnis auf. Er bezeugt, dass es keinen Gott außer Allah gibt, und dass Mohammed der Gesandte von Allah ist." Es folgen die Einladungen: "Komm zum Gebet!" und "komm in einen guten Zustand!"
Nur beim Morgengebet schließt sich ein weiterer Satz an: "Beten ist besser als schlafen!". Der Ruf dauert etwa fünf Minuten und ist in arabischer Sprache. Bislang ist der Muezzin nur im großen Gebetsraum der Omar-Moschee zu hören, nicht aber in den anderen Etagen und erst recht nicht auf der Straße.
In Köln geht man derweil einen anderen Weg. Seit dem Herbst 2021 dürfen die 35 Moscheen in einem zweijährigen Modellprojekt bei der Stadt beantragen, den Gebetsruf am Freitagmittag nach draußen zu übertragen. Die Entscheidung führt bis heute weit über Köln hinaus zu heftigem Disput.
Bislang hat nur die Kölner Zentralmoschee mit Platz für 1.200 Gläubige einen solchen Antrag gestellt. Das Freitagsgebet ist für Menschen muslimischen Glaubens besonders wichtig. Daher wird der Mittags-Ruf des Muezzins seit dem 14. Oktober nur an diesem Wochentag aus der Zentralmoschee per Lautsprecher nach draußen übertragen. Doch das Gotteshaus des Islamverbandes Ditib, eines Ablegers der staatlich-türkischen Religionsbehörde Diyanet, muss sich dabei an behördliche Vorgaben halten: Laut Auflagen der Kommune ist eine Lautstärke von bis zu 60 Dezibel erlaubt. Das entspricht dem Geräuschpegel von normalem Straßenverkehr.
Auch die Dar as-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln hatte im April 2020 den Gebetsruf nach draußen übertragen. Im Corona-Lockdown, als Gottesdienste verboten waren, sollte der Ruf des Muezzins ein "Zeichen des Zusammenhalts" sein. Doch der Neuköllner Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) untersagte den Gebetsruf damals – auch, weil sich vor der Moschee mehrere hundert Menschen eingefunden hatten.
Und wie hält es der Träger der Omar-Moschee in Kreuzberg, der Islamische Verein für wohltätige Projekte? Laut Birol Uçan hat er keine Pläne, den Gebetsruf per Lautsprecher auf die Straße zu übertragen. In islamischen Ländern würde die Bevölkerung den Sinn dieser Tradition ja begreifen, selbst wenn sie eine andere Muttersprache habe als Arabisch. In Berlin sei davon aber nicht auszugehen. "Viele Leute würden nicht verstehen, was da überhaupt gesagt wird", sagt Uçan. Der Zusammenhang sei ihnen womöglich nicht klar.
Sollte sich eine Berliner Moscheegemeinde entschließen, dem Kölner Beispiel zu folgen, müsste sie eine Ausnahmezulassung nach dem Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin (LImSchg Bln) beantragen. "Die Genehmigung müsste das Umwelt- und Naturschutzamt erteilen", sagt Ismeta Mustafić-Hasifić vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Ob es dazu komme, hänge unter anderem davon ab, wie dicht die Umgebung der Moschee bebaut ist. Die Zulassung würde Uhrzeit und Lautstärke des Gebetsrufs regeln.
Mustafić-Hasifić berichtet, dass in Friedrichshain-Kreuzberg bislang keine derartigen Anträge gestellt worden seien.
Und die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa teilt auf Anfrage mit, dass ihr – abgesehen von den Streitigkeiten um den Gebetsruf der Dar as-Salam-Moschee im April 2020 – "keine weiteren sogenannten Konflikte bekannt geworden" seien.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.10.2022, 11:50 Uhr
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Beitrag von Josefine Janert
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