Aktion der "Letzten Generation"
Dass es Aktivisten am Donnerstag gelang, sich Zugang zum BER-Gelände zu verschaffen, hat für viel Aufsehen gesorgt. Der Flughafen selbst hatte den Zaun als Sicherheitsrisiko durchaus auf dem Schirm. Verhindern konnte er das Eindringen dennoch nicht. Von Anna Bordel
Geschockt ist man nicht am BER. Vor etwa 24 Stunden sind sechs Aktivisten durch den Zaun des Geländes aufs Rollfeld gedrungen, haben sich dort festgeklebt und den kompletten Hauptstadtflughafen für knapp zwei Stunden zum Erliegen gebracht. Dennoch gibt sich BER-Flughafensprecher Hannes Hönemann abgeklärt. "Es war klar, dass man darauf vorbereitet sein muss, dass jemand diesen Zaun durchdringt", sagte er dem rbb am Freitagmittag.
Und damit meint er nicht, dass der Zaun unsicher sei - im Gegenteil. Er entspreche höchsten internationalen Sicherheitsstandards. Aber einen 28 Kilometer langen Zaun, der eine Fläche von 2.000 Fußballfeldern umschließt, könne man einfach nicht so überwachen, dass ihn niemand überwinden könne, der das unbedingt wolle, sagt er.
Genau hier sieht Hönemann die neue Qualität der Vorfälle von Donnerstagnachmittag: Es hat Menschen gegeben, die unbedingt über diesen Zaun wollten, auf ein Flugfeld. "Das beschäftigt jetzt die ganze Branche", so Hönemann, "zum einen wie man durch mehr Sicherheit verhindern könne, dass Menschen diese Zäune überwinden, aber zum anderen auch, wie man Menschen, die durch die Zäune gelangen, schnell festsetzt". Mehr Sicherheit für Zäune hieße mehr Kontrollstreifen oder ein höherer Zaun. Genaueres könne man einen Tag nach dem Vorfall aber noch nicht sagen.
Am Donnerstag um 16:15 Uhr wurde am Flughafen Berlin/Brandenburg festgestellt, dass etwas nicht stimmt. "Da haben wir die erste Gruppe Aktivisten bemerkt. Eine Viertelstunde später haben wir die zweite bemerkt", erzählt Hannes Hönemann, Sprecher des BER. Die erste Gruppe sei in der Nähe des alten Terminal 5 im Norden des Flughafens durch den Zaun gelangt. Auf weit vom Rollfeld entfernte Zufahrtstraßen. Daher habe man vorerst nur eine Start- und Landebahn gesperrt.
Als wenig später die zweite Gruppe im Süden auftauchte, habe man auch die zweite Start- und Landebahn schließen müssen. Auch im Süden seien die Aktivisten aber nur auf weit vom Rollfeld entfernten Zufahrtstraßen gewesen. Aus Sicherheitsgründen habe man den gesamten Flugverkehr eingestellt, wie Hönemann bekräftigt. "Es ging da auch um Menschenleben", sagt er. Um die der Aktivisten einerseits, aber auch um die der Passagiere.
Die Aktivisten seien innerhalb von 15 bis 20 Minuten in Gewahrsam genommen worden, so Hönemann. Bis auf einen Aktivist sind mittlerweile alle wieder frei. Laut Landeskriminalamt Brandenburg wird gegen sie wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr, Störung öffentlicher Betriebe sowie Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung ermittelt.
Dass sie länger in Gewahrsam oder in Haft kommen könnten oder gegen sie Schadensersatzklagen eingereicht werden kann, das würden sich die Aktivisten vorher eingehend klar machen, sagt Rechtsanwalt Christian Mertens, der mehrere von ihnen vertritt. "Sie bedenken alle möglichen Risiken im Vorfeld und entscheiden sich trotzdem diese Sachen zu machen – aus Überzeugung", so Mertens. Er plädiert dafür, es natürlich nicht normal zu finden, dass die Aktivisten auf das Flugfeld gelangt sind, aber doch mit den Forderungen nach Strafe nicht zu übertreiben. "Da ist nichts passiert gestern, abgesehen von der Tatsache, dass ein paar Flugzeuge nicht starten oder landen konnten", sagt er.
Manch ein Fluggast mag das anders sehen. Einige Flieger konnten gar nicht starten, andere kamen deutlich verspätet in Berlin an, wieder andere wurden auf andere deutsche Flughäfen umgeleitet. "Entweder bekommt man seine Ticketkosten erstattet oder die Fluggesellschaft muss einem eine andere Beförderung anbieten", sagt Claudia Borsche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightrights. Bei kurzfristigen Ausfällen hätten Fluggäste außerdem Anspruch auf Entschädigungszahlungen von bis zu 600 Euro. "Das könnte hier allerdings ein Problem sein. Die Airlines können sich von diesem Anspruch befreien, wenn ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt und der Streik der Klimaaktivisten dürfte dem tatsächlich entsprechen", so Borsche.
Die Fluggesellschaften selbst könnten Schadensersatz beim Flughafen geltend machen, weil sie diesen während des Vorfalls nicht planmäßig nutzen konnten. Bislang habe noch keine Fluggesellschaft davon Gebrauch gemacht, teilte Flughafensprecher Jan-Peter Haack mit. Und er gehe auch nicht davon aus, dass dies getan werde. Ob der Flughafen gegenüber den Aktivisten Schadensansprüche erheben kann, werde derzeit noch geprüft, so Haack.
Am Freitagabend kündigte die Gruppe "Letzte Generation" eine Unterbrechung der Proteste an. Bis zum Ende der kommenden Woche will sie keine Aktionen in Berlin und München mehr starten.
Sendung: rbb24 Abendschau, 25.11.2022, 19:30 Uhr
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Beitrag von Anna Bordel
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