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Quelle: rbb

Katastrophen-Warnsystem "Cell Broadcast"

Warum alle Berliner und Brandenburger bald eine wichtige Info aufs Handy bekommen

Das neue Warnsystem Cell Broadcast will möglichst die ganze Bevölkerung erreichen. Im Fall einer Katastrophe erscheint eine Art Eilmeldung auf Millionen Handys. In Kürze startet das Projekt, doch nicht alle profitieren davon. Alles, was Sie wissen müssen.

Wie lässt sich die Bevölkerung schnellstmöglich erreichen, wenn ein Chemieunfall passiert, Hochwasser droht, Waldbrände, Stürme oder andere Wetterlagen zur Gefahr werden? In Deutschland soll dies künftig mit Hilfe von "Cell Broadcast" geschehen, einem Warnsystem aufs Handy. Am 8. Dezember gibt es hierzu einen bundesweiten Warntag mit einem Testlauf. Um auf diesen vorbereitet zu sein, werden Handybesitzer in den kommenden Tagen eine Info-SMS bekommen.

Was ist Cell Broadcast?

Cell Broadcast ist ein bundesweites Warnsystem, das Hinweise sendet, wenn Gefahr droht – zum Beispiel ein heftiges Unwetter, nach einem gravierenden Störfall oder bei Erdbeben. Diese Hinweismeldungen werden dann automatisch auf Handys gesendet.

Wie funktioniert das?

Um per "Cell Broadcast" (wörtlich: "Aussendung in einer Zelle") ausgesandte Nachrichten zu empfangen, ist keine App notwendig. Das Mobilfunkgerät muss jedoch eingeschaltet und im Mobilfunknetz sein. Es erscheint dann eine Nachricht im Display - in der eingestellten Landessprache des Empfängers. Bei der höchsten Warnstufe soll es zusätzlich einen Ton geben - unabhängig davon, ob das Telefon leise gestellt ist oder nicht.

Es handelt sich dabei nicht um eine SMS, sondern um eine andere Methode des Nachrichtenversands, die von (fast) allen Handys und Smartphones verstanden wird. Auf diese Weise lassen sich Millionen von Menschen erreichen, ohne die Mobilfunknetze zu überlasten.

Menschen beziehungweise Regionen können damit auch gezielt ausgewählt und gewarnt werden. Denn der lokale Katastrophenschutz kann auch nur einige wenige Mobilfunkmasten auswählen, die eine Warnmeldung aussenden.

Nachteil: Bricht das Mobilfunknetz komplett zusammen, funktioniert die Technik nicht mehr.

Wann kommt Cell Broadcast zum Einsatz?

In welcher Region eine Benachrichtigung erfolgt, entscheidet eine Leitstelle. Die Mobilfunk-Provider sorgen dann dafür, in den ausgewählten Regionen die Nachricht zu versenden.

Warnen können Bund, Bundesländer, Feuerwehr, Polizei, Hochwasserzentralen und der Deutsche Wetterdienst.

Wovor warnt Cell Broadcast dann?

Vor Naturgefahren wie Hochwasser, Überschwemmungen, Lawinengefahr, Erdbeben kann mithilfe von Cell Broadcast gewarnt werden. Außerdem vor gefährlichen Wetterlagen wie schweren Stürmen und Sturmfluten, starken Schnee- und Regenfällen oder Hagel, Hitze- und Kältewellen, schweren Gewitter oder hoher UV-Strahlung.

Gewarnt werden kann auch vor Gewalt- und Waffenangriffen, vor Unfällen in Chemiebetrieben, schweren Störungen des Verkehrs, Stromausfällen, Ausfall der Versorgung, Krankheitserregern, Radioaktivität oder Feuer.

Was genau soll das?

Die beteiligten Behörden sollen demnächst ganz einfach kurze Textnachrichten verschicken können. Und zwar an sämtliche Mobilfunkgeräte, die in einem bestimmten Gebiet zu diesem Zeitpunkt eingeschaltet sind.

Wird der Datenschutz gewahrt?

Cell Broadcast kann komplett anonym betrieben werden. Es fallen keine Daten an. Die Betreiber wissen weder, wer die Nachricht empfangen hat, noch wann oder wo. Die Informationen werden wie ein Radioprogramm "ausgestrahlt" (deshalb: "Broadcast").

Behörden, die Menschen warnen wollen, brauchen also keine persönlichen Daten von Handybesitzern, keine Telefonnummer, keinen Standort. Die zuständigen Institutionen warnen anonym alle, die in diesem Moment in einem Gefahrenbereich sind - lokal oder deutschlandweit.

Wer kriegt wann eine Vorwarnung fürs Warnsystem Cell Broadcast?

Alle Besitzer eines Mobiltelefons in Deutschland werden in den kommenden Tagen mit einer Textnachricht über das neue Katastrophen-Warnsystem Cell Broadcast informiert. Dabei werden Kundinnen und Kunden von Vodafone, Deutsche Telekom und Telefónica (O2) Informationen über das neue Katastrophen-Warnsystem Cell Broadcast erhalten. Damit wollen die drei großen Mobilfunkanbieter auf den kommenden bundesweiten Warntag am 8. Dezember aufmerksam machen.

Was hat es mit dem bundesweiten Warntag auf sich?

Neben den klassischen Sirenen soll am bundesweiten Warntag am 8. Dezember zum ersten Mal das Warnsystem "Cell Broadcast" in allen 294 Landkreisen und 107 kreisfreien Städten in Deutschland getestet werden. Am diesem Tag werden die Behörden in unterschiedlichen Regionen testweise Warnungen aktivieren.

Ab 11 Uhr aktivieren die beteiligten Behörden und Einsatzkräfte unterschiedliche Warnmittel wie beispielsweise auch Radio und Fernsehen, digitale Stadtanzeigetafeln oder Warn-Apps. Durch Vielzahl und Vielfalt der Warnmittel wird sichergestellt, dass eine Warnung möglichst viele Menschen erreicht.

Durch die Probewarnung am Warntag werden die Warnwege und die Abläufe im Fall einer Warnung praktisch getestet. So sollen Schwachstellen gefunden und optimiert werden.

Wie es nach dem Warntag weitergeht

Die Testphase von Cell Broadcast soll nach Informationen der Verbraucherzentrale Ende Februar 2023 enden. Dann soll das System voll einsatzbereit sein, plant das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

Welche Handys können das (nicht)?

Eine sichere Aussage zur Cell-Broadcast-Fähigkeit von Smartphones in Deutschland ist aktuell nicht möglich, teilt das Bundesamt für Katastrophenschutz auf seiner Internetseite mit.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll das neue Warnsystem bei iPhones mit dem Betriebssystem iOS 16, 15.7.1 und 15.6.1. funktionieren. Das wären Apple-Modelle ab der 7er-Generation. Geräte mit dem Google Betriebssytem Android sind wohl ab Version 11 kompatibel.

Schätzungsweise ein Drittel aller Android-Smartphones läuft allerdings mit einer älteren Version, die kein Cell Broadcast empfangen kann.

Wer die Notfallbenachrichtigungen auf dem Handy deaktiviert hat, kann Warnmeldungen geringerer Warnstufe nicht empfangen.

Je nach Gerät müssen Alarme durch Cell Broadcast - und eventuell auch schon die Testalarme - zuvor manuell aktiviert werden. Bei iPhones, die das System unterstützen, lässt sich der Empfang von Testwarnungen über das Menü "Mitteilungen" und die dortige Rubrik "Cell Broadcast Alerts" aktivieren. Auf Android-Modellen findet sich diese Möglichkeit meist in den "Einstellungen" unter dem Untermenü "Sicherheit und Notfall". Der Punkt zum Ein- und Ausschalten der Nachricht heißt beispielsweise "Drahtlose Notfallwarnungen" oder "Notfallbenachrichtigungen für Mobilgeräte".

Und wenn es nicht geklappt hat?

Rückmeldungen zu (auch nicht erhaltenen) Nachrichten aus Cell Broadcast und allen anderen Warnsystemen können ab dem 8. Dezember auf der Internetseite [warnung-der-bevoelkerung.de] eingegeben werden. Auch in der Warn-App NINA sowie auf den Internetseiten und Social-Media-Kanälen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sollen Rückmeldungen möglich sein.

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Warum das Ganze und warum zu diesem Zeitpunkt?

Anlass für die Einführung von Cell Broadcast in Deutschland waren die heftigen Unwetter in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli 2021, bei denen es über hundert Tote gab. Die Flutkatastrophe hatte gezeigt, dass die Warn-Apps und klassischen Sirenen nicht ausgereicht haben, um die Bevölkerung flächendeckend vor der Gefahr zu warnen.

Nach dem Unglück im Ahrtal und anderen betroffenen Gegenden entzündete sich eine Diskussion, warum die Einführung von Cell Broadcast so viel Zeit in Anspruch nimmt. Allerdings hatte der Gesetzgeber den beteiligten Providern und Smartphone-Herstellern eine Frist bis zum Februar 2023 eingeräumt, um das Warnsystem technisch umzusetzen.

In Japan, Kanada oder Neuseeland werden Cell-Broadcast-Warnungen schon länger genutzt, um die Bevölkerung bei Naturkatastrophen wie Erdbeben, Bränden oder Hochwasser zu warnen. Und auch in anderen EU-Staaten ist Cell Broadcast schon seit Jahren im Einsatz.

Sendung: Fritz, 12.11.2022, 09:10 Uhr

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