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Video: rbb24 | 14.11.2022 | Anke Hahn | Quelle: dpa

Maßnahmen in Bezirken und vom Senat

Wie Berlin auf den Katastrophenfall vorbereitet ist

Immer häufiger brennen Wälder, kommt es zu Überflutungen oder Dürren. Selbst flächendeckende Stromausfälle sind möglich. Ein Blick auf Berlin zeigt: Nicht alle Bezirke sind gleich gut für den Katastrophenfall gerüstet. Von Juliane Gunser

Sollte in Lichtenberg für einige Tage der Strom ausfallen, würde dort eine ganze Katastrophenschutz-Maschinerie anlaufen. Denn der Berliner Bezirk ist bereits gut für potenzielle Katastrophen gewappnet. Im Mittelpunkt des Systems stehen so genannte Katastrophenschutz-Leuchttürme - das sind fest eingerichtete und mit Notstromaggregaten ausgestattete Notfall-Treffpunkte, die der Bevölkerung im Katastrophenfall als Anlaufstelle dienen.

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Das neue Warnsystem Cell Broadcast will möglichst die ganze Bevölkerung erreichen. Im Fall einer Katastrophe erscheint eine Art Eilmeldung auf Millionen Handys. In Kürze startet das Projekt, doch nicht alle profitieren davon. Alles, was Sie wissen müssen.

Telefon und Internet würden ausfallen

"Im Falle eines flächendeckenden Stromausfalls wäre nach zwei bis drei Stunden das Handynetz weg", sagt Albrecht Broemme, Vorstandsvorsitzender des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit. Auch Telefonnetz und Internet würden dann nicht mehr funktionieren. In diesem Fall werden die Notfall-Treffpunkte wichtig.

"Sie sollen den Zweck erfüllen, dass Bürger zum einen Informationen über die Lage bekommen, sie sollen – und das ist prioritär – einen Notruf absetzen können und medizinisch erstversorgt werden", erklärt Philipp Cachée, Leiter des Katastrophenschutzes in Lichtenberg. Sollte eine Lage länger dauern, wäre es auch möglich, hier Gegenstände des alltäglichen Bedarfs auszugeben, also Wasser und Medikamente, sagt er.

Ein Streifenwagen an jedem Leuchtturm

Aber auch wenn Menschen Angst bekämen, würden sie in den Wärmezelten aufgenommen, so Cachée. In Lichtenberg sind die drei vorgesehenen Standorte so weit ausgerüstet, dass sie innerhalb weniger Stunden voll einsatzbereit wären. "Aufgebaut und betrieben werden die Notfall-Treffpunkte von uns Mitarbeitern des Bezirksamts. Und wenn die logistischen Herausforderungen größer sein sollten, fordern wir das Technische Hilfswerk an", sagt Cachée.

Auch die Erste Hilfe würde hier von betrieblichen Ersthelfern abgedeckt, sagt er: "Wir haben einige Mitarbeiter, die schon fachlich in einem entsprechenden Ehrenamt tätig sind. Auf jeden Fall würde aber ein fester Rettungswagen von einer entsprechenden Hilfsorganisation, wie beispielsweise vom Roten Kreuz, angefordert." Auch Ansprechpartner von Polizei und Ordnungsamt wären vor Ort. An jedem Leuchtturm soll ein Streifenwagen stehen.

In Lichtenberg wären die Katastrophen-Leuchttürme im Notfall bereits heute einsatzbereit. Auf der Webseite des Lichtenberger Bezirksamts [berlin.de] gibt es eine Karte, auf der alle Notfall-Treffpunkte, sowie weitere kleinere Notfall-Informationspunkte eingezeichnet sind, die dann im Katastrophenfall aktiviert würden. Dass der Bezirk in diesem Bereich so gut aufgestellt ist, mag auch daran liegen, dass Lichtenberg der einzige Bezirk in Berlin ist, der für den Katastrophenschutz eine volle Stelle vorhält: die von Philipp Cachée.

Die anderen Bezirke hängen hinterher

Weitet man den Blick, zeigt sich ein anderes Bild. Laut Senat richten die Berliner Bezirke derzeit insgesamt 35 stationäre und zusätzlich zwei mobile Leuchttürme ein. Eine Übersichtskarte wie auf der Bezirksseite von Lichtenberg gibt es für die übrigen Bezirke noch nicht. Alle geplanten Leuchttürme würden aber laut Senat mit stationären oder mobilen Notstromaggregaten versorgt. Allerdings ist die Einrichtung der Katastrophen-Leuchttürme durch die Bezirke noch nicht abgeschlossen, teilt die Senatsverwaltung für Inneres dem rbb auf Anfrage mit. Derzeit würden die entsprechenden Mitarbeiter:innen für den Betrieb der Katastrophen-Leuchttürme geschult.

Auf rbb-Nachfrage bei den Bezirksämtern zeigt sich, dass diese noch nicht überall für den sofortigen Einsatz gerüstet sind. "Hier in Neukölln sind die Notstromaggregate im Katastrophenfall innerhalb weniger Stunden aktivierbar", sagt Bezirks-Pressesprecher Christian Berg. "Sie müssten aufgebaut, betankt und hochgefahren werden und wären dann einsetzbar. Was noch fehlt, ist eine Verknüpfung der einzelnen Standorte." Testbereit sei das Katastrophenschutz-Leuchtturm-System in Neukölln aber voraussichtlich noch im November - so das Ziel.

Zusätzlich zu den vier geplanten Leuchttürmen seien für Neukölln auch noch acht kleinere Info-Standorte geplant, an denen Bürgerinnen und Bürger ebenfalls Informationen zur Lage erhalten sollen. "Da fehlt es im Moment aber noch an zuverlässigen Strukturen, Ausrüstung – zum Beispiel mit Digitalfunkgeräten und festen verantwortliche Personen, die dann für die jeweiligen Räume oder Aushänge mit Informationen zuständig sind", sagt Berg. Im besten Falle sei aber auch dies bald geklärt und im November testbar, so Berg. Neukölln liege in Sachen Katastrophenschutz "ganz gut im Rennen".

Berlin

Trinkwasserversorgung bei massivem Stromausfall für 36 Stunden gesichert

Sollte ein flächendeckender und lang anhaltender Blackout Berlin lahmlegen, wäre auch die Wasserversorgung betroffen - allerdings erst nach eineinhalb Tagen. Im Notfall müssten Brunnen mit Grundwasser angezapft werden.

Bau der Warnsirenen verzögert sich

Um im Katastrophenfall akustisch zu warnen, will der Berliner Senat 400 Warnsirenen errichten lassen. Deren Ausbau ist allerdings noch nicht sehr weit vorangeschritten: Von 400 geplanten Sirenen seien bisher 28 installiert wurden, teilt der Senat mit. Die stehen in den Bezirken Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg. Allerdings wären auch diese Sirenen noch nicht einsatzbereit, weil ihnen die Digitalfunk-Schnittstelle zum Warnsystem fehle – und die könne frühestens Anfang 2024 hergestellt sein.

Weil das so ist, werden sie in Lichtenberg dann wohl erstmal improvisieren: "Es gibt auf jeden Fall die Möglichkeit, mit Lautsprecherwagen durch die Straßen zu fahren und die Bevölkerung auf diese Weise zu warnen, wenn wir eine Katastrophenlage haben", sagt der Lichtenberger Katastrophenschutzbeauftragte. Cachée plant für sein Einsatzfahrzeug auch ein Leuchtbanner, auf dem er entsprechende Infotexte anzeigen kann.

Der Senat setzt auf einen Mix verschiedener Warnsysteme: Unter anderem sollen die mehrsprachige Warn-App NINA, der Rundfunk, digitale Anzeigen im Stadtgebiet und Einsatzkräfte vor Ort zum Einsatz kommen, teilt er auf Anfrage mit.

Zusätzliche Trinkwasserversorgung bei großen Stromausfällen

Sollte der Strom ausfallen, würde wohl noch anderthalb Tage lang Trinkwasser aus den Leitungen fließen – dann braucht es Alternativen. An den Notfall-Treffpunkten würden dann Trinkwasserbeutel oder Flaschen verteilt, zum Einsatz kämen aber auch Trinkwasserbrunnen, die vom öffentlichen Trinkwassernetz unabhängig sind.

Im Stadtgebiet sind das 2.079, wie der Senat jüngst auf eine Anfrage der AFD mitteilte. Von denen seien derzeit 1.614 funktionstüchtig. Diese Straßenbrunnen seien eine gute Möglichkeit, dass sich die Bevölkerung im Falle von Trinkwasserproblemen selbst mit Trinkwasser versorge, sagt Krisenmanager Broemme – auch wenn auf den meisten dieser Brunnen "Kein Trinkwasser" stehe. "Der einzige Grund dafür, dass das dort steht, ist, dass das Wasser nicht regelmäßig kontrolliert wird."

Für Trinkwassernotbrunnen, bei denen eine Gefährdung des daraus zu fördernden Trinkwassers befürchtet werden muss, sollen dann nach Senatsangaben Chlortabletten bereitgestellt werden. Diese könnten dann auch an den Notfall-Treffpunkten ausgegeben werden.

Lee-Jerome Schumann | Quelle: privat

Gesellschaftlicher Zusammenhalt

Lee-Jerome Schumann ist Landeskatastrophenschutzbeauftragter beim Deutschen Roten Kreuz in Berlin und sagt, dass sich neben Bund, Ländern und Bezirken auch die Gesellschaft auf den Krisenfall vorbereiten müsse. Wichtig sei es, die Menschen resilienter, also widerstandsfähiger und sicherer im Umgang mit Krisen zu machen: "Dazu gehört auch, dass Menschen lernen, Gefahren richtig einzuschätzen. Dass sie beispielsweise nicht wegen einer kleinen Wunde am Finger einen Notruf absetzen."

Zusätzlich müsse man Menschen regelmäßiger schulen, damit sie in einer Notsituation fähig seien, Erste Hilfe zu leisten. Das Wichtigste aber sei die gegenseitige Unterstützung, sei es im Familien- oder Freundeskreis oder auch unter Nachbarn. Die müsse wieder zunehmen, sagt Schumann.

Grundsätzlich empfiehlt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe allen Bürgerinnen und Bürgern, sich im Privaten für eine Woche so auszurüsten, dass sie unabhängig von Strom- und Wasserversorgung, Lebensmittelgeschäften und Apotheken ausgerüstet sind. Das Zukunftsforum für Öffentliche Sicherheit hat dazu eine Liste erstellt [zoes.de], die das Nötigste zusammenfasst und Bürgerinnen und Bürger auch an Dinge erinnert, die sie im Notfall vergessen könnten oder nicht zu Hause haben. Aufgelistet werden dort neben Wasservorräten und Lebensmitteln auch ein Kurbelradio, Streichhölzer, ein warmer Schlafsack und Tipps und Tricks im Umgang mit einer möglichen Krisensituation.

 

Sendung: rbb24, 14.11.2022, 13:00 Uhr

Beitrag von Juliane Gunser

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