Selbstversuch | Gebühren-, aber nicht risikofrei
Seit Anfang des Jahres dürfen Fahrräder in Berlin gratis auf Parkplätzen stehen. Doch was passiert, wenn man sein Rad neben Autos auf den Parkstreifen stellt? rbb-Reporterin Franziska Spiecker hat es ausprobiert.
Es ist kurz nach vier Uhr nachmittags, mein Fahrrad steht in einer weiß markierten Parklücke auf der Gleimstraße in Berlin-Prenzlauer Berg. Der Feierabendverkehr kommt zwar erst langsam ins Rollen. Doch der Fahrbahnrand ist bereits gesäumt von parkenden Autos. Ihre Besitzerinnen und Besitzer müssen werktags noch bis 24 Uhr Parkgebühren von aktuell in der Regel einem Euro pro Stunde zahlen. Oder sie nutzen Anwohnerparkausweise, die hier auch an vielen Windschutzscheiben kleben.
Mein Fahrrad dagegen braucht keines von beidem und sticht auch so deutlich hervor: Es ist das einzige Rad in Sichtweite, das auf der Straße geparkt ist. Ich selbst stehe auf dem Gehweg, einige Meter davon entfernt. Schließlich möchte ich testen, wie die neue Berliner Regel fürs kostenlose Fahrrad-Parken in der Praxis funktioniert.
Fahrräder auf Parkplätzen auf der Straße abstellen – das ist nicht erst seit 2023 erlaubt und auch nicht nur in Berlin. Gemäß der bundesweit gültigen Straßenverkehrsordnung (StVO) sind öffentliche Parkplätze oder fürs Parken bestimmte Flächen am Straßenrand nicht Kraftfahrzeugen vorbehalten. Auch andere Fahrzeuge dürfen sie nutzen. So unterscheidet die StVO unter dem Punkt "Parken und Halten" (Paragraf 12) nicht zwischen Autos und Fahrrädern.
Neu ist jetzt allerdings für Berlin: Seit dem 1. Januar 2023 müssen hier für Fahrräder, Pedelecs, Lastenräder, Leichtkrafträder und Motorräder auf Parkplätzen keine Gebühren gezahlt werden. Dort, wo Autos einen Parkschein oder Bewohnerparkausweis brauchen, dürfen sie also kostenlos stehen.
Zurück geht das auf die Änderung der Parkgebühren-Ordnung, die der rot-grün-rote Senat Ende November 2022 beschlossen hat: Seit Anfang 2023 entfallen die Parkgebühren für Zweiräder und Lastenräder, während sie für Kraftfahrzeuge steigen. Aus technischen Gründen müssen die rund 4.500 Berliner Parkscheinautomaten dafür allerdings schrittweise umgestellt werden, sodass die neuen Parkgebühren für Autos jeweils erst ab der Umrüstung gelten. Kostete das Parken bislang je nach Gebührenstufe ein, zwei oder drei Euro pro Stunde, sind es dann zwei, drei oder vier Euro. Ausnahmen gelten für Carsharing-Fahrzeuge, die der Senat in seiner Mitteilung als "wesentliche[n] Bestandteil zur Umsetzung der Verkehrswende" bezeichnet.
Verkehrswende lautet also das Ziel, aber auch Verkehrssicherheit – genauer: mehr Sicherheit auf den Fußwegen. So begründet der Senat seinen Schritt, Fahrräder und Co. von der Parkgebühren-Pflicht zu befreien. "Ich möchte endlich, dass die Fahrräder und auch die Scooter und andere Kleinstfahrzeuge von den Gehwegen verschwinden, wo sie bis jetzt rechtlich ja geduldet werden", sagte die Berliner Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch dem rbb Ende November 2022. In der Praxis würden die Fahrzeuge Fußgängerinnen und Fußgänger häufig behindern, so die Grünen-Politikerin.
Tatsächlich sieht man auch auf der Gleimstraße Fahrräder, die zwar nicht mitten auf dem Gehweg stehen, ihn aber dennoch teilweise blockieren. Der Platz in der Stadt ist begrenzt. Auch an meinem Rad fahren nun immer mehr Autos immer dichter vorbei. Trotzdem bleibt zunächst alles entspannt.
Ich spreche vorbeilaufende Fußgängerinnen und Fußgänger an. Was halten sie davon, dass mein Fahrrad im Gegensatz zu den Autos kostenlos auf der Straße parken darf? "Finds an sich jut", berlinert ein junger Mann, die Autos hätten sowieso schon genug Fläche. Auch bei den anderen Fußgängerinnen und Fußgängern ist der Tenor ähnlich. Sie begrüßen den Schritt des Senats – auch wenn die wenigsten vorher davon wussten.
Die Autofahrerinnen und Autofahrer, mit denen ich spreche, sehen das dagegen mitunter kritisch. Gerade in der Innenstadt herrsche eh schon Parkplatzknappheit, sagt eine Frau, deren Auto einige Meter entfernt von meinem Fahrrad parkt.
Das Front- und Rücklicht meines Rads leuchtet inzwischen. Es ist dunkel in der Gleimstraße, als plötzlich ein Auto mitten auf der Straße nah vor meinem Parkplatz hält. Der Autofahrer zögert zuerst, öffnet dann die Tür, steigt aus und läuft auf mein Fahrrad zu. Er ist jetzt kurz davor, mein Rad wegzuheben, als ihn eine Radfahrerin anspricht und sich für das parkende Fahrrad einsetzt. Ich geselle mich dazu, denn ich möchte mit beiden reden.
Er habe gerade mein Rad wegräumen wollen, sage ich und erkläre dem Autofahrer, dass ich gerade teste, was in Berlin nun auch kostenlos geht. Was hält er davon? "Nicht viel, wenn ich von der Arbeit komme und einen langen Arbeitstag hatte und dann hier gerne parken würde", sagt der Autofahrer. Er könne nachvollziehen, dass Gehwege sicherer werden sollen, würde sich aber trotzdem eine andere Verkehrspolitik wünschen. "Ansonsten fährt man hier oft rum, es ist ja sehr, sehr voll, wie man sieht."
Die Radfahrerin findet es dagegen gut, dass Fahrräder hier nun gebührenfrei parken dürfen. "Ich wollte zumindest die Diskussion mit dem Autofahrer anfangen, dass er nicht einfach fremdes Eigentum wegtragen darf", erklärt sie ihr Einschreiten. Das Fahrrad habe das gleiche Recht, dort zu stehen, wie das Auto.
Trotzdem glaubt sie nicht, dass die neue Regelung einfach so funktionieren wird. Es müsse Möglichkeiten geben, das Rad fest anzuschließen, sonst würden die Leute es einfach wegtragen.
Diese Einschätzung hat mein Test gestützt: Mein Fahrrad parkte keine zwei Stunden in der Gleimstraße, als der Autofahrer ansetzte, es wegzuheben. Wie sich Radfahrende in Berlin verhalten werden, lässt sich nur mutmaßen. Ich nehme aber an, dass viele beim Rad-Parken weiter auf Anlehnbügel, Straßenschilder oder Laternen auf Gehwegen setzen werden, an die sie ihr Rad auch abschließen können. Denn wenn man das Fahrrad nicht mehr dort wiederfindet, wo man es abgestellt hat, dann wirkt auch der Preis fürs kostenlose Parken auf einmal hoch.
Sendung: Fritz, 03.01.2023, 14:40 Uhr
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Beitrag von Franziska Spiecker
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