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Quelle: dpa/Paul Zinken

Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte

Mit welcher Strafe die Randalierer nach den Berliner Silvester-Krawallen rechnen müssen

Nach den Gewaltexzessen in der Silvesternacht sucht die Polizei nach Beweisen, um die Randalierer zu identifizieren. Welche Strafen es für die Täter geben könnte, zeigt ein Blick auf Gerichtsentscheidungen der vergangenen Jahre. Von Roberto Jurkschat

Brennende Polizeifahrzeuge, demolierte Rettungswagen, Einsatzkräfte, die mit Schreckschusspistolen und Böllern attackiert werden: Obwohl der Jahreswechsel in Berlin häufig etwas ruppig über die Bühne geht, fielen die Gewaltexzesse in der Berliner Silvesternacht besonders heftig aus.

Ermittlungen nach Silvester-Randale

Rund jeder Fünfte der in Berlin Festgenommenen ist minderjährig

145 Personen hat die Polizei in der Silvesternacht im Zusammenhang mit Ausschreitungen in Berlin festgenommen. Jeder fünfte von ihnen war nach Polizeiangaben minderjährig. Mehr als 300 Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren wurden eingeleitet.

Polizeipräsidentin Slowik: Täter sollen schnell verurteilt werden

Im rbb sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Mittwoch, die Polizei ermittle mit Hochdruck, um die Beteiligten zu identifizieren. Es werde Video- und Bildmaterial ausgewertet, um sie im Anschluss schnell verurteilen zu können.

In den vier Tagen nach den Krawallen auf den Berliner Straßen hatte die Polizei bereits 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion - vor allem aber auch wegen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte. Die Staatsanwaltschaft geht nach bisherigem Stand davon aus, dass sie für 281 dieser Fälle zuständig sein wird. Ein Sprecher erklärte rbb|24, man rechne mit weiteren Anzeigen, insbesondere von der Berliner Feuerwehr.

Freiheitsstrafen möglich

Für Angriffe auf Polizisten oder Sanitäter sieht das Strafgesetzbuch Freiheitsstrafen von drei Monaten bis fünf Jahren vor. Ob das juristische Nachspiel für die Täter aber wirklich so ausgeht, ist unklar. Das Strafmaß hänge von vielen Faktoren ab, wie der Kriminologe Vincenz Leuschner von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht im Gespräch mit rbb|24 sagt. "Entscheidend ist, um welche Altersgruppe es sich handelt, ob das Jugend- oder das Erwachsenenstrafrecht angewendet wird."

Für Täter unter 18 Jahren gilt das Jugendstrafrecht, das unter anderem Geldstrafen und im härtesten Fall Arrest in einer Jugendstrafanstalt vorsieht.

Bei Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren wird durch eine Reifeprüfung ermittelt, ob noch das Jugend- oder schon das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden soll, in dem die Strafen insgesamt deutlich höher ausfallen können.

Berliner Politik diskutiert Silvesterkrawalle

Jarasch warnt vor Stigmatisierung Jugendlicher - CDU fragt nach Vornamen

Böllerverbot? Härtere und schnellere Verfahren? Veröffentlichung der Vornamen von Tatverdächtigen? Nach den Attacken auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht diskutiert die Berliner Politik, wie reagiert werden soll.

Wie aus einer vorläufigen Bilanz der Polizei zur Silvesternacht hervorgeht, waren es vor allem junge Männer, die auf den Straßen der Hauptstadt an Ausschreitungen beteiligt waren. Von den 145 Personen, die vorläufig festgenommen wurden, waren 27 nicht einmal 18 Jahre alt.

Bei den Festgenommenen handle es sich nicht zwangsläufig um Personen, die Raketen auf Menschen geschossen und Einsatzkräfte attackiert haben, erklärt Benjamin Jendro von der Polizeigewerkschaft (GdP) Berlin im Gespräch mit rbb|24. Es gehe auch um Sachbeschädigung und andere Delikte, die etwa in der Straße Unter den Linden verübt wurden. "In vielen Fällen der tätlichen Angriffe auf Polizeibeamte und Rettungskräfte laufen noch die Ermittlungen, aber zu vielen Taten haben wir bisher keine Tatverdächtigen."

Freiheitsstrafen gegen junge Täter eher selten

Dass im Zuge kommender Strafverfahren überwiegend Freiheitsstrafen gegen die jungen Täter verhängt werden, scheint mit Blick auf die vergangenen Jahre unwahrscheinlich: In 1.874 Entscheidungen, die Richter:innen im Jahr 2021 gegen Jugendliche und Heranwachsende wegen Widerstands oder tätlicher Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte getroffen haben, endeten nur 5,9 mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Das zeigt eine Auswertung der Berliner Staatsanwaltschaft für rbb|24.

Fast jedes zweite Strafverfahren (46 Prozent) wurde mit Geldstrafen beendet, 16 Prozent der Verfahren wurden gegen Auflagen eingestellt. Bewährungsstrafen verhängten die Gerichte in neun Prozent der Fälle. Selten dagegen gab es einen Freispruch (2 Prozent), oder Verfahren, die wegen Geringfügigkeit eingestellt wurden (3 Prozent).

"Was mich an den Zahlen der Staatsanwaltschaft überrascht, ist dass viele Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden", sagt Kriminologe Vincenz Leuschner. "Das zeigt, dass die Berliner Gerichte da relativ kompromisslos sind." Nach Auffassung Leuschners sei in den Gerichtsentscheidungen ein Bemühen erkennbar, für jeden Fall eine individuell passende Strafe zu finden.

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Kriminologe: Freiheitsstrafen nicht immer sinnvoll

Grundsätzlich stünden Richter aber immer vor der schwierigen Frage, ob sich die Entwicklungschancen junger Menschen durch die Strafen eher verschlechtern oder verbessern. "Manchmal ist es eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Täter sollen eine Strafe spüren aber viele Studien zeigen, dass junge Menschen nach Freiheitsstrafen weiter straffällig werden", erklärt Leuschner. Jugendliche und Heranwachsende würden sich häufig Vorbilder in ihrem Umfeld suchen. "Wenn sie dann in einem Jugendgefängnis oder einer Haftanstalt sind, dann werden andere Straftäter schnell zum Vorbild."

Eine Geldstrafe hingegen könne gerade diejenigen empfindlich treffen, die besonders auf Außenwirkung und Status bedacht sind. "Gerade in einem Alter, in dem die Täter normalerweise noch nicht viel Geld haben. Das halte ich grundsätzlich für eine gute Option."

Hauptverhandlung bedeutet Eintrag ins Strafregister

In weniger schweren Fällen sei das Gericht häufig bemüht, auf eine Einigung zwischen Täter und Opfer hinzuarbeiten; durch die Zahlung von Schmerzensgeld etwa oder durch einen anderen Ausgleich. "Wenn stattdessen eine Hauptverhandlung eröffnet wird, dann gibt es bei einer Verurteilung automatisch einen Eintrag ins Strafregister. Das ist perspektivisch ungünstig, wenn sich die Personen später irgendwo bewerben wollen."

Anders als es in der öffentlichen Wahrnehmung der Silvester-Krawalle den Anschein habe, sei die Zahl der Straftaten durch Jugendliche in Berlin seit Jahren rückläufig. "Diese Silvesternacht entspricht deshalb nicht dem Trend, den wir im Bereich der Jugendkriminalität beobachten. Was passiert ist, lässt sich aus meiner Sicht zum Teil mit den Einschränkungen einer langen Pandemie erklären, und eher weniger damit, dass es bestimmte migrantische Communities geben würde, die wegen ihrer Herkunft ein Problem darstellen würden", meint Leuschner.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.01.2023, 21:00 Uhr

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Beitrag von Roberto Jurkschat

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