Nach Warnung vor Cyberangriff
Die Stadt Potsdam hatte sich wegen der Warnung vor einem Cyberangriff wochenlang vom Netz genommen - mit spürbaren Folgen für den Alltag der Bürger. Am Montag soll zumindest der Mailverkehr wieder aufgenommen werden.
Die Landeshauptstadt Potsdam wird nach dem Abklemmen vom Internet wegen einer drohenden Cyberattacke kurz vor dem Jahreswechsel ab Montag wieder schrittweise ans Netz gehen. Das teilte die Stadt am Donnerstag mit.
Ab Montag sind die Mitarbeitenden der Landeshauptstadt demnach wieder per E-Mail erreichbar. Der Bürgerservice der Stadt sowie andere Dienstleistungen seien aber weiter nur eingeschränkt nutzbar. Ab dem 23. Januar erfolge dann die schrittweise Inbetriebnahme der Fachverfahren.
"Nach den Sicherheitschecks in den vergangenen Tagen wird an der zusätzlichen IT-Sicherheitsinfrastruktur gearbeitet. Parallel dazu gehen wir schrittweise wieder online, machen den Mailverkehr wieder möglich und verbinden die mehr als 150 Fachverfahren wieder mit den externen Servern, also den Landes- und Bundesbehörden", konkretisierte Oberbürgermeister Mike Schubert.
Nach Hinweisen von Sicherheitsbehörden auf einen bevorstehenden Cyberangriff hatte die Stadtverwaltung die Verbindung zum Internet am 29. Dezember gekappt. "Wir haben uns entschieden, aus Sicherheitsgründen unsere Systeme offline zu stellen", sagte Schubert damals. Spezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) waren seitdem im Einsatz, um die Hintergründe zu klären. Es wurde auch ein Krisenstab unter Leitung von Schubert eingerichtet.
Seit dem Abschalten der Netzwerkverbindungen ist kein Mailverkehr möglich, die Verfahrenssoftware kann nur eingeschränkt genutzt werden. Insbesondere Anträge von Personalausweisen und Reisepässen, An- und Ummeldungen, das Ausstellen von Urkunden oder Online-Anträge für das Wohngeld sind nicht möglich.
Die Entscheidung zum Abschalten der Online-Verbindung sei nicht aufgrund eines Mangels an IT-Sicherheit in Potsdam, sondern aufgrund der Schwere des gemeldeten kriminellen Bedrohungsszenarios getroffen worden, ergänzte Schubert am Donnerstag: "Diese Lage ließ uns keine andere Wahl."
Auch die Stadtwerke Potsdam, die für Energie, Wasser und Personennahverkehr zuständig sind, hatten ihre Internet- und E-Mail-Verbindungen abgeschaltet. Laut Polizei gab es keine Hinweise auf Cyberattacken gegen weitere Kommunen in Brandenburg.
Die Cybercrimeszene bedroht nach Ansicht des Informatik-Professors Michael Pilgermann zunehmend Unternehmen der kritischen Infrastruktur. "Cyberkriminelle sprießen wie Pilze aus dem Boden", sagte der Experte für IT-Sicherheit, der an der Technischen Hochschule in Brandenburg an der Havel lehrt, der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe immer mehr Cyberganoven, die arbeitsteilig vorgingen, und auch die Technologien entwickelten sich immer weiter. Pilgermann sprach von einem "Katz- und Maus-Spiel".
"Einen 100-prozentigen Schutz gibt es nicht", sagte IT-Experte Pilgermann. "Sonst müssten wir uns vom Internet abkoppeln." Unternehmen und Verwaltungen sollten dauerhaft in den Schutz der Cybersicherheit investieren und ein permanentes Sicherheitsmanagement aufbauen. "Es reicht nicht, einmal eine Firewall zu kaufen." Es müsse gelingen, den Aufwand für die Angreifer so zu erhöhen, dass er den Erlös für die Kriminellen übersteige. Auf Platz 1 der Angriffe stehen Pilgermann zufolge Online-Erpressungen mittels bösartiger Verschlüsselungs-Software ("Ransomware"). Gut die Hälfte der betroffenen Unternehmen und Organisationen bezahle das geforderte Lösegeld. Aber auch die Zahl der Attacken auf die kritische Infrastruktur nehme zu.
Bereits im Januar 2020 hatte es einen Cyberangriff auf die Landeshauptstadt gegeben. Die Internetverbindung blieb damals rund eine Woche abgeschaltet. Anders als in diesem Fall war damals laut Stadt eine Schwachstelle im System eines externen Anbieters verantwortlich. Potsdam war zudem nicht allein betroffen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.01.2022, 19:30 Uhr
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