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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 08.01.2023 | Wolfgang Albus | Quelle: Wolfgang Albus

Geothermie

Wie sich Energie aus Erdwärme gewinnen lässt

Die Geothermie ist ein Hoffnungsträger der Energiewende. In Potsdam soll ein Wohnviertel mit Wärme aus mehr als 1.800 Metern Tiefe versorgt werden. Laut Experten könnte über ein Viertel der deutschen Wärmeversorgung so bestritten werden. Von Wolfgang Albus

Im Labor auf dem Potsdamer Telegraphenberg blickt die Geologin Magdalena Scheck-Wenderoth auf den Berliner Fernsehturm und das Meer gleichermaßen. Ihr Computer zeigt ein 3-D-Modell des geologischen Untergrunds von Berlin und Brandenburg. Dort sind in fast zwei Kilometern Tiefe riesige Salzablagerungen zu sehen, die von einem urzeitlichen, eingedampften Ozean stammen. Die heutige Salzverteilung im Untergrund spielt eine wichtige Rolle auf der Suche nach nutzbarer Erdwärme für die Energieversorgung, weil Salz Wärme besser als andere Gesteine leitet.

Die Salzschicht ist durchaus launisch. Mal liegt sie kilometertief in der Erde, mal knapp unter der Oberfläche. Ebenfalls wichtig ist es zu wissen, wo durchlässige Gesteinsschichten liegen, aus denen heißes Wasser gefördert werden kann.

Baustart in Potsdam | Quelle: Wolfgang Albus

Die tiefe Geothermie gilt als Hoffnungsträger der Energiewende. Bei den erneuerbaren Energien geht es meistens um Solarenergie oder Windkraft. Mit den bekannten Nachteilen: Oft sind sie nicht verfügbar, wenn man sie braucht. Bei der Erdwärme ist das anders. In Tiefen von mehreren hundert Metern herrschen Temperaturen teils über 100 Grad, die sich zum Heizen und sogar zur Stromerzeugung eignen. Am Potsdamer Geoforschungszentrum suchen Forschungsteams deshalb nach Wegen, um diesen Schatz anzuzapfen.

"Bei der tiefen Geologie ist jede Bohrung ein Gewinn"

Das bunte 3-D-Modell im Labor speist sich aus indirekten Methoden. Zum Beispiel aus seismischen Messungen, bei denen die Reflektion des Schalls untersucht wird. Oder Untersuchungen der elektrischen Leitfähigkeit. Magdalena Scheck-Wenderoth wünscht sich natürlich lieber Daten, die auf direkten Messungen unterhalb der Tonschichten beruhen: "Bei der tiefen Geologie ist jede Bohrung ein Gewinn und alles, was wir dazu lernen, erweitert unser Bild. Wir können nun mal nicht reingucken in die Erde. Und das zeigt auch einfach, dass wir im Moment noch nicht sehr viel wissen. Also echte, feste, harte Daten haben wir in Berlin nur aus vier Tiefenbohrungen, die unterhalb einer bestimmten Tonschicht liegen. Oberhalb des Rupel-Tons [Zeitintervall des Paläogens, Anm. d.Red.] wissen wir sehr gut Bescheid, wie die Geologie aussieht."

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Großes Potenzial zur Energieabdeckung

Die Geothermie in der Tiefe zu nutzen, ist nicht frei von Risiken. Im Breisgau kam es 2007 nach Erdwärmebohrungen in einer Altstadt zu massiven Gebäudeschäden. Offenbar war bei der Trinkwasserbohrung Grundwasser in mineralische Schichten eingedrungen, worauf sich der Stoff in Gips umwandelte und aufquoll. In der Folge hob sich die Erde mitten in einem bebauten Ortskern um einen halben Meter. In unserer Region achtet das Geoforschungszentrum vor allem auf das, was sich auf keinen Fall mit dem tieferliegenden Salzwasser vermischen darf.

Tiefbohrungen erfordern aus Sicht der Wissenschaft viel Erfahrung auch bei den Bohrteams, erklärt Professorin Magdalena Scheck-Wenderoth: "Alle Technologien sind mit Risiken verbunden, so dass es immer einer guten technologischen Umsetzung bedarf und einer Sorgfalt." Sie sieht eine Gefahr darin, wenn Bohraufträge vor allem an den preiswertesten und nicht unbedingt sorgfältigsten Anbieter gehen.

Bohrrohre auf der Geothermie-Baustelle in Potsdam | Quelle: Wolfgang Albus

Das Potenzial ist tatsächlich riesig. Mit den heute bekannten Ressourcen der Tiefen Geothermie könnten mehr als 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfs gedeckt werden und mit der "Oberflächennahen Geothermie", den klassischen Wärmepumpen, noch einmal ähnlich viel. Und der Anteil an der deutschen Stromproduktion könnte immerhin fünf Prozent betragen.

Die Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) wagt sich nun an der Heinrich-Mann-Allee in etwa 1.800 Tiefe vor. Kurz vor Weihnachten begann die erste von zwei Bohrungen. Der Turm ragt 33 Meter hoch. Die Bohranlage arbeitet mit ähnlichen Techniken wie bei der Gasförderung, wird aber im Juni komplett zurückgebaut, so dass später auf dem Gelände eine Parkfläche entsteht. Das Stadtbild wird also nicht beeinträchtigt.

Schlüsselrolle beim Klimaschutz

Für die erste Tiefe-Geothermie-Anlage der Stadt investiert die EWP rund 20 Millionen Euro, um ein Neubauviertel mit "grüner" Fernwärme zu versorgen. Das soll erst der Anfang sein, wenn das Projekt ein Erfolg wird. Tiefe-Geothermie ist nicht nur ein Ausweg vor hohen Energiekosten, sondern soll auch eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz spielen.

Hinsichtlich der Ergiebigkeit der Bohrstelle gibt sich das Unternehmen, das vom Geoforschungszentrum Potsdam wissenschaftlich unterstützt wird, vorsichtig. "Mit Gewissheit können wir erst Aussagen machen, wenn die Bohrungen abgeschlossen sind", sagt Cordula Schmaler, Bereichsleiterin bei der EWP.

In einer "Roadmap Tiefe Geothermie" (PDF-Dokument) geben sechs Spitzenforschungsinstitute wie die Fraunhofer-Gesellschaft und Helmholtz-Gemeinschaft Handlungsempfehlungen an die Politik. Eine Kernforderung zielt auf beschleunigte Genehmigungsverfahren und Förderprogramme. So sollen die Risiken der Erkundung auf mehr Schultern als bisher verteilt werden. Auch bei der Bohrtechnik gibt es demnach Entwicklungsbedarf. Und der Fachkräftemangel, der schon bei der Installation von Wärmepumpen stark bremst, ist bei der Tiefengeologie ebenfalls ein großes Problem.

Ein Spruch der Bergleute, der die Ungewissheiten verdeutlicht, macht bei dem Projekt immer wieder die Runde: "Vor der Hacke ist duster."

Sendung: Brandenburg Aktuell, 08.01.23, 19:30 Uhr

Beitrag von Wolfgang Albus

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