Interview | Planetariumsleiter Simon Plate
In den kommenden Tagen zieht ein Komet an der Erde vorbei, den zuletzt die Neandertaler bewundern durften. Wer den grünlichen C/2022 E3 sehen möchte, muss einiges beachten, weiß Simon Plate, Leiter des Potsdamer Urania-Planetariums.
rbb|24: Der Komet C/2022 E3 wird im Januar auch in Berlin und Brandenburg am Himmel erscheinen. Was zeichnet ihn aus, was ist das Faszinierende an ihm?
Simon Plate: Ihn zeichnet aus, dass er eine relativ geringe Entfernung zur Erde erreicht in den nächsten Wochen und Tagen. 42 Millionen Kilometer hört sich viel an, aber im Sonnensystem ist das nicht so viel. Das entspricht etwa einem Drittel der Distanz von der Erde zur Sonne und ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man Kometen gut beobachten kann. Das Zweite sind die Gase und der Staub, die dieser Komet freisetzt und mit einem riesigen Schweif hinter sich herzieht. Das macht den Kometen für uns überhaupt erst sichtbar.
Wir können in den nächsten Wochen mit ihm aber auch noch Überraschungen erleben. Vielleicht wird er noch heller, als wir gedacht haben, nämlich wenn er eine große Staubfontäne ausspuckt, mit der wir nicht gerechnet haben. Oder er wird ein bisschen unspektakulärer als man dachte. Wie genau sich Kometen entwickeln, kann man kaum vorhersagen.
Wann können wir ihn im Idealfall sehen? Und wie?
Er wird Ende des Monats, am 31. Januar theoretisch die höchste Helligkeit erreichen, da wäre er gerade so mit bloßem Auge sichtbar, allerdings mit einigen Einschränkungen. Man braucht einen absolut dunklen Himmel außerhalb der Stadt. Sollte man das nicht mit dem bloßen Auge versuchen wollen, dann bräuchte man ein Fernglas, der Komet liegt dann ungefähr im Bereich der fünften Größenklasse.
In den Tagen davor, am 20., 21. und 22. Januar, steht er in einem schönen Himmelsbereich, zwischen Großem Wagen und Polarstern, da wandert er hindurch und ist relativ leicht zu finden. Der große Vorteil am 21. Januar ist, dass der Mond noch nicht stört in den Abendstunden, da Neumond herrscht. Je mehr wir uns dann Richtung Ende Januar bewegen, umso mehr haben wir den zunehmenden Mond in der ersten Nachthälfte und sein Licht, das wird dann eher störend sein. Ende Januar wäre dieses Objekt eher was für die zweite Nachthälfte, sobald der Mond schon untergegangen ist.
Herr Plate, es wird ja gesagt, dass dieser Komet nur alle 50.000 Jahre an unserer Erde vorbeifliegt und ihn letztmals die Neandertaler gesehen haben. Das beruht ja auf mathematischen Berechnungen. Wie wird das berechnet? Und wann kommt der Komet wieder mal bei uns vorbei?
Wir haben Bahnpunkte aufgenommen über die letzten Wochen und Monate und konnten dadurch zurückrechnen, wie seine komplette Umlaufbahn aussieht. Er kommt wirklich aus den Randbereichen des Sonnensystems.
Allerdings wissen wir noch nicht hundertprozentig, ob er überhaupt wiederkommen wird, denn seine Bahn ist sehr exzentrisch. Und es gibt noch verschiedene Einflüsse, die auf ihn jetzt warten, Dinge wie der Strahlungsdruck von der Sonne, auch noch mal Schwerkrafteinwirkungen der Gasriesen in unserem Sonnensystem, die eine große Schwerkraft haben. Die könnten prinzipiell seinen Orbit noch so modifizieren, dass er auf seinem Rückweg das Sonnensystem verlässt und nicht wiederkommen würde.
Und wie lange müssen wir warten, bis mal wieder ein Komet von uns gesehen werden kann?
Der letzte helle Komet, den wir mit bloßem Auge sehen konnten, war im Sommer 2020 C/2020 F3 Neowise. Der war noch ein kleines bisschen besser zu sehen als jetzt C/2022 E3. Das ist ungefähr der Rhythmus, in dem man immer mal wieder zumindest einen Kometen mit Fernglas beobachten kann.
Bei dem Kometen jetzt würde ich auch sagen, wer ungeübt ist in der Beobachtung, sollte definitiv ein Fernglas zur Hilfe nehmen, weil das alles doch sehr im Grenzbereich des bloßen Auges liegt. Und wem die Nächte draußen zu kalt sind oder wer den Kometen auch mal seinen Kindern zeigen möchte, der kann gerne zu uns ins Planetarium kommen. In unserer geschlossenen Kuppel zeigen wir eine virtuelle Darstellung.
Herr Plate, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Frank Preiss, rbb|24
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.01.2022, 06:05 Uhr
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