Bezirke starten Pilotprojekt
Unterkünfte für Obdachlose sind oft überfüllt, auch Mitarbeiter in solchen Einrichtungen sind am Limit. Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wollen dem mit mehr Little Homes begegnen, zunächst mit drei Wohnboxen am Ostbahnhof. Von Marcus Latton
Sven Lüdecke wirkt überzeugt, wenn er über seine Little Homes spricht. Er ist der Gründer des gleichnamigen Vereins, der Obdachlosen in ganz Deutschland eigene vier Wände im kleinen Rahmen ermöglicht. 3,5 Quadratmeter, zusammengebaut aus Grobspanplatten, Paletten und Isolierdecken. Materialkosten: 5.000 Euro. Draußen gibt es eine mobile Toilette, drinnen herrschen auch im Winter 14 Grad, trotz fehlender Zentralheizung. Zehn Stunden benötige er, um eines dieser Minihäuser zu errichten.
"Man merkt hier richtig, dass Kälte und Wind weg sind", sagt Lüdecke, als er eine von drei neu aufgestellten Wohnboxen auf dem Parkplatz hinter dem Berliner Ostbahnhof betritt. Hängeschränke aus Lagerkästen hängen an der Wand. Auf einem Bett kann man sich ausstrecken. "Das ist glaube ich der größte Unterschied zum Zelt, zur Brücke und zum Schlafsack." Nächste Woche sollen hier drei Menschen einziehen – ausgewählt von Sozialarbeitern, die sich im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg um Obdachlose kümmern.
Allein in Berlin stehen 61 der mobilen Wohnboxen. Neu an den drei durch Spenden finanzierten Objekten am Ostbahnhof ist die wissenschaftliche Evaluierung und Betreuung durch die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Das Projekt "Safe Places" soll sichere Orte und geschützte Flächen für Wohnungslose schaffen. Sozialarbeiter schauen mehrmals die Woche nach dem Rechten: Drogen- und Alkoholkonsum sind ebenso untersagt wie offene Feuer und größere Zusammenkünfte.
Bis zu zweieinhalb Jahre lang dürfen Menschen hier übernachten - dann endet das Projekt offiziell. Es ist Teil des "Masterplans" des Senats zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Berlin bis 2030.
"Wir schaffen niedrigschwellige Unterbringungsmöglichkeiten, über die wir sonst nicht verfügen", sagt Oliver Nöll (Die Linke), Stadtrat für Arbeit, Bürgerdienste und Soziales in Friedrichshain-Kreuzberg. "Es ist ein Modellprojekt, natürlich kann es scheitern. Nach spätestens zwei Jahren wollen wir die Bewohner der Little Homes mit regulären Wohnungen versorgt haben." Anwohner des Ostbahnhofs werden mit Flyern über das Projekt informiert, im Februar soll es eine Videokonferenz geben, in der Nachbarn ihr Feedback abgeben können.
Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln sind für das "Safe Places"-Projekt eine Kooperation eingegangen. Beide Bezirke liegen in der Innenstadt und haben viel mit offener Obdachlosigkeit zu kämpfen, wie Neuköllns Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) sagt. "Dagegen wollen wir gemeinsam was tun, indem wir Ressourcen zusammenlegen", sagt er. Sollte "Safe Places" erfolgreich sein, könne es als Vorbild für den Rest der Stadt dienen.
In seinem Bezirk nutzen Obdachlose seit zwei Jahren drei Little Homes am Mittelbuschweg. Die Kleinstunterkünfte sollen Obdachlose vor Gewalt schützen – doch auch dort sind sie nicht sicher. So kam es im November zu einer versuchten schweren Brandstiftung. Liecke plant dennoch weitere Standorte für die Wohnboxen in Neukölln. So habe man an der Teupitzer Straße eine geeignete Stelle gefunden.
Sendung: rbbb24 Inforadio, 26.01.2023, 18:23 Uhr
Beitrag von Marcus Latton
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