"Verblüffend" genaue Klimawandel-Vorhersage
Der Ölkonzern Exxon wusste offensichtlich schon seit Jahrzehnten von der Bedrohung durch die globale Erwärmung. Das zeigen Auswertungen von internen Dokumenten durch Forscher des Potsdam-Instituts für Klimaforschung und der Harvard-Universität.
Klimaszenarien des Ölkonzerns Exxonmobil haben einer Studie zufolge die globale Erwärmung durch fossile Brennstoffe bereits früh genau vorhergesagt. Die Auswertung interner Prognosen des Unternehmens aus den Jahren 1977 bis 2003 zeige, dass die meisten der Projektionen eine Erwärmung vorhersagen, die mit späteren Beobachtungen übereinstimmt, teilte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) am Donnerstag unter Berufung auf eine neue Studie mit.
Die Auswertung interner Daten von Exxonmobil wurde im Fachjournal "Science" veröffentlicht. An der Analyse waren den Angaben zufolge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der US-Universität Harvard und des PIK beteiligt.
Demnach sehen die Prognosen bis zum Ende des Jahrhunderts bei den Exxon-Forschern genauso aus wie beispielsweise jene im Bericht des Weltklimarats IPCC oder bei der NASA. PIK-Forscher Stefan Rahmstorf, Ko-Autor der Studie, sagte: "Was Exxonmobil erstaunlich genau wusste und was Exxonmobil dann bekanntlich leider tat, steht in scharfem Kontrast."
"Exxon hat schon in den 1980er Jahren korrekt hervorgesagt, dass die Erdtemperatur um 0,2 Grad pro Jahrzehnt hochgehen wird durch ihr Produkt. Diese quantitativen Projektionen waren bislang noch nicht ausgewertet worden", erklärte Rahmstorf am Freitagmorgen im rbb24 Inforadio.
Erstaunlich sei auch, dass der Ölkonzern bereits 1977 korrekt vorausgesagt habe, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein "kohlendioxidinduziertes Superinterglazial" verursachen würde. Dabei handele es sich um eine Warmzeit, die viel wärmer als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation und auch wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren sei. Doch anstatt aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen, habe Exxonmobil Mythen verbreitet, beklagt Rahmstorf.
Die neue Studie sei eine erste Überprüfung der frühen Klimawissenschaft des Unternehmens, erklärte der Potsdamer Wissenschaftler im rbb-Interview weiter. Sie komme zu dem Schluss, dass die internen Analysen genau vorausgesagt hätten, wann die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zum ersten Mal in den Messdaten festgestellt werden würde. Selbst das "Kohlenstoffbudget" für eine Begrenzung der Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius seit Beginn der Industrialisierung sei realistisch abgeschätzt worden.
Viele dieser Dokumente seien interne Papiere von Exxon gewesen, so Rahmstorf weiter. "Die Geschäftsleitunng hat sich entschlossen, hier nicht ehrlich zu kommunizieren mit der Öfentlichkeit, sondern Märchen zu erzählen, beispielsweise den Mythos zu verbreiten, die Klimaforscher hätten in den 1970er Jahren noch eine Eiszeit hervorgesagt, was eben auch nicht simmt." Solche Unwahrheiten würden heute noch bei vielen Menschen verfangen, beispielsweise unter Anhängern des Ex-US-Präsidenten Donald Trump.
In öffentlichen Erklärungen habe das Unternehmen "seinen eigenen wissenschaftlichen Daten" systematisch widersprochen, kritisieren auch andere Forscher, die an der Studie beteiligt waren. Exxonmobile habe "Unsicherheiten übertrieben, Klimamodelle kritisiert, den Mythos globaler Abkühlung verbreitet und Unwissenheit darüber vorgetäuscht, wann - oder ob - die vom Menschen verursachte globale Erwärmung messbar sein würde", erklärte der Hauptautor der Studie, Geoffrey Supran von der Harvard-University.
Der Konzern musste sich 2019 in New York wegen des Vorwurfs von Falschangaben zum Klimawandel vor Gericht verantworten. Das Gericht sprach Exxonmobil jedoch frei. In den vergangenen Jahren wurden in den USA weitere Klagen gegen den Ölkonzern auf den Weg gebracht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.01.2023, 07:00 Uhr
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