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Psychoaktives HHC
Wie Cannabis, nur legal: Das versprechen Verkäufer des Stoffes HHC - und haben damit recht. Weil der Vertrieb sich aktuell in einer gesetzlichen Grauzone bewegt, gibt's das Marihuana-Produkt sogar beim Späti um die Ecke. Von Bernadette Huber
Auf einmal ist alles langsam. Die Couch und die Wände um mich herum wirken nicht mehr so solide wie zuvor. Andauernd kommen mir Geistesblitze, die sich wie die ultimative Wahrheit anfühlen - was passiert da gerade mit mir? Ich bin high.
High von HHC. Das habe ich am Nachmittag im Späti gekauft. Legal. Der "Pen", aus dem man das mit HHC versetzte Liquid raucht, sieht aus wie eine kleine schwarze E-Zigarette mit grünlich-durchsichtigem Mundstück. Der ebenfalls leicht transparente Boden leuchtet grün auf, wenn man daran zieht. "Amnesy" steht in schwarzer Schrift auf der braunen Verpackung, die neben mir liegt.
Früher am selben Tag in einem Späti an der Warschauer Straße: "Wenn jemand zum Feiern kommt, dann empfehle ich ihm das Amnesy, weil das knallt wirklich", sagt Bekas Harika. In seinem "Day and Night Shop" stapeln sich Bierkästen auf hellem Fliesenboden. Bekas Harika steht vor den fein säuberlich aufgereihten Tabakwaren hinter dem Verkaufstresen, lacht und sagt: "Aber Zigaretten gehen am besten!"
Seit Dezember 2022 hat er auch die HHC-Pens im Angebot. Sie reihen sich in den Tabakregalen ein, zwischen Gauloises und elf bar, haben aber zusätzlich einen kleinen braunen Papp-Aufsteller auf dem Tresen bekommen. "Am Anfang sind die Pens nicht gut gelaufen. Aber mittlerweile kennt das jeder Zweite", sagt Bekas Harika. "Und 90 Prozent derjenigen, die das hier probieren, kaufen das auch." Warum? "Weil der Geschmack und die Wirkung besser ist als CBD."
Allerdings beschreibt Bekas Harika auch Kundinnen und Kunden, die HHC für keinen validen "THC-High-Ersatz" halten: "Manche sagen mir auch, ich habe schon 20 Mal dran gezogen, aber ich merke nichts. Aber das sind Leute, die jeden Tag kiffen."
HHC ist kurz für Hexahydrocannabinol. Es ist eines von über 100 Cannabinoiden, die natürlicherweise in vielen Hanfsamen und -pflanzen vorkommen. Allerdings ist es dort nur in sehr kleinen Mengen enthalten. Man kann es aber aus zum Beispiel THC oder CBD durch die Veränderung der chemischen Struktur in größeren Mengen herstellen. Herausgefunden hat das der amerikanische Chemiker Rodger Adams schon vor gut 80 Jahren. Dieser oder ähnliche Prozesse werden seit ein paar Jahren genutzt, um HHC industriell herzustellen.
Sven Gottschling, Palliativmediziner und Mitglied im "Wissenschaftsnetzwerk Cannabinoide in der Medizin", sagt im Interview mit rbb|24: "Irgendjemand hat wahrscheinlich gesagt: Komm, wir schrauben ein bisschen am legalen CBD rum, bis wir zum HHC kommen. Und dann haben wir immer noch etwas Legales, was wunderbarerweise aber auch noch ein bisschen schwindelig macht."
Bezeichnet wird HHC oft als "halbsynthetisches" Cannabinoid. Die Art und Weise der Herstellung ist auch entscheidend in der Frage:
Im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) taucht HHC nicht auf. Dort wird zum Beispiel THC verboten.
Um nicht jeden neu aufkommenden Wirkstoff einzeln einzustufen, wurde das "Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz" (NpSG) eingeführt, das nicht wie das BtMG einzelne Stoffe umfasst, sondern ganze Stoffgruppen. Seit 2016 umfasst es die Stoffgruppen aller synthetischer Cannabimimetika. Der Umgang mit diesen Stoffen ist in Deutschland seitdem verboten.
Weil das "halbsynthetische" HHC durch den oben beschriebenen Prozess als "natürlich hergestellt" gelabelt wird, gehen die Herstellerinnen und Hersteller davon aus, dass es nicht unter das NpSG fällt. Einige von Ihnen lassen sich diese "natürliche Herstellungsweise" auch per Gutachten zertifizieren. Staatlich geprüft wurden diese Gutachten bisher noch nicht.
Laut Peter Homberg, Rechtsanwalt und seit 2016 Berater von Unternehmen im Bereich medizinisches Cannabis, ist der Vertrieb von "natürlichem HHC rechtlich aktuell wohl möglich." Ihm zufolge ist wahrscheinlich, dass der "Bund die Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich vollständig für sich beansprucht", sodass die Länder nicht selbstständig tätig werden könnten.
Gottschling geht aber davon aus, "dass der Gesetzgeber zeitnah auf diese Entwicklung reagieren wird."
"Ja, ich gehe davon aus, dass das verboten wird", sagt Bekas Harika in seinem Späti. "Wir nutzen die Zeit, die wir haben: Wenn es verboten wird, verkaufen wir die Lagerbestände und hören auf." Der Shop an der Warschauer Straße ist bei Weitem nicht der Einzige, der die HHC-Pens neu im Sortiment aufgenommen hat. Auch CBD-Shops führen auf einmal HHC. Onlineshops wie "happy420", "natur-breit" und "hhcpoint" ploppen reihenweise auf.
Die Pens in Beka Harikas Späti stammen von einem Hersteller mit Sitz in Stuttgart. Auch in Frankreich, den Niederlanden und China ist das Unternehmen aktiv. Exportiert wird auch bis in die USA. Genauere Angaben zu Zahlen machte das Unternehmen auf rbb-Anfrage nicht.
"Das ist momentan ein Markt", sagt auch Sven Gottschling "und, ich bin mir relativ sicher, wenn es verboten wird, dauert es ein paar Wochen, und dann ploppt das nächste Cannabinoid hoch. […] Nach meiner Einschätzung, bis wahrscheinlich irgendwann diese Legalisierungsdebatte durch ist und das dann auch für alle Beteiligten uninteressant wird." Doch aktuell wird es gekauft, und zwar weil es laut Gottschling eine "Veränderung unserer Sinneswahrnehmung nach Einnahme dieser Substanz erzeugt. So wie Alkohol auch."
"Wir wissen, dass HHC psychoaktiv wirkt. Ein bisschen wie THC, aber nicht ganz so stark", sagt Gottschling. "Was es in dieser hochangereicherten Form mit dem Körper macht auch inklusive Langzeiteffekte, weiß kein Mensch." Denn während es zu THC und CBD schon viele Daten gebe, sei das bei halbsynthetischem HHC nicht der Fall: Lediglich "eine ernst zu nehmende Studie" von November 2022 belege, dass gesundheitliche Risiken nicht auszuschließen seien [liebertpub.com].
Voll-synthetische Cannabinoide, bekannt zum Beispiel unter den Namen "Spice" und "Yucatan Fire", die für kurze Zeiten ebenfalls im legalen Bereich vermarktet wurden und inzwischen durch das NpSG verboten sind, hätten "schwerste Vergiftungen bis hin zu Todesfällen mit sich gebracht." Unter natürlich vorkommenden Cannabinoiden gibt es das laut Gottschling nicht.
Menschen unter 21 Jahren sollten HHC "definitiv aufgrund der psychotropen Wirkung" nicht in diesen Mengen konsumieren. Bereits THC wirke bei dieser Altersgruppe, in der sich das Gehirn immer noch entwickle, zumindest in höheren Dosen und über die Lunge aufgenommen, stark auf die Entwicklung des Zentralnervensystems ein. Es könne "ungünstige Effekte wie den Verlust von IQ-Punkten auslösen und sogar Schizophrenie triggern."
20 bis 38 Jahre seien die Leute, die bei ihm die HHC-Pens kaufen, sagt Bekas Harika während er eine Packung Zigaretten zu einer Kundin über den Tresen schiebt. "Die wollen halt ein bisschen Wirkung sehen. Und da es legal ist, wollen sie das statt etwas anderem, wodurch sie wirklich Probleme kriegen könnten."
Beitrag von Bernadatte Huber
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