Handy-Schmuggel für Clan-Mitglied
Ein Mitglied einer polizeibekannten Großfamilie soll während seiner Haft Handys an Mitgefangene verkauft haben - mit Hilfe eines bestochenen Beamten. Der wurde nun verurteilt. Personalprobleme begünstigten solche Taten, sagen JVA-Bedienstete. Von Frank Drescher
Ein Bediensteter der Berliner Justizvollzugsanstalt Heidering ist wegen Bestechlichkeit zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Ein mitangeklagter Häftling der JVA wurde am Mittwoch in Potsdam freigesprochen. Der Beamte soll gegen Bezahlung und im Auftrag von Häftlingen Drogen und Mobiltelefone ins Gefängnis geschmuggelt haben. Wie mehrere Justizvollzugsbeschäftigte rbb|24 sagten, soll das auch wegen der schlechten Personalsituation in der JVA Heidering möglich gewesen sein: Es herrsche viel Fluktuation unter den Beschäftigten, und es gebe zu wenig Justizbedienstete mit langjähriger Erfahrung im Vergleich zu anderen Berliner Haftanstalten.
Aus Sicherheitsgründen hatte das zuständige Amtsgericht Zossen die Verhandlung in die Räumlichkeiten des Landgerichts in Potsdam verlegt.
Die Taten, um die es am Mittwoch ging, waren bereits im November 2017 in der Justizvollzugsanstalt Heidering begangen wurden. Die JVA liegt zwar auf Brandenburger Gebiet, aber in ihr sitzen Strafgefangene aus Berlin ein. Dazu gehörte 2017 auch ein Angehöriger einer polizeibekannten Berliner Großfamilie. Seine Haftumstände inspirierten ihn zu einer Geschäftsidee - denn in dem Gefängnis ist die Benutzung von Handys verboten. Das Bedürfnis der Gefangenen, trotzdem welche zu benutzen, erschien dem Angeklagten offenbar größer als die Befürchtung, dabei erwischt zu werden.
Er soll im Knast einen regelrechten Bestellservice für Mobiltelefone betrieben haben, wie das Gericht anhand von Chat-Verläufen auf beschlagnahmten Telefonen rekonstruiert hat: Komplizen außerhalb des Gefängnisses hätten die Ware fotografiert, das Clan-Mitglied im Gefängnis habe die abgebildeten Telefone Mitgefangenen gezeigt, und die konnten sich eines aussuchen. Jetzt brauchte der Einsitzende nur noch jemanden, der die Bestellungen an den Personenkontrollen der Haftanstalt vorbeischmuggelte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass dies der angeklagte Justizvollzugsbeamte war. Auf dem Konto von dessen Ehefrau sollen entsprechende Zahlungen eingegangen sein. Das Verfahren gegen sie wurde jedoch eingestellt.
Um mit den Schmuggel-Handys selbst möglichst nicht in Verbindung gebracht zu werden, habe der Täter im Knast die Geräte an einen Mitgefangenen liefern lassen. Der habe dann anhand der per Whatsapp weitergeleiteten Fotos eine Art Wareneingangskontrolle vorgenommen. Der Mitgefangene war wegen Bestechung mitangeklagt. Ihn sprach das Gericht frei, denn die Bestechung des Beamten konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Und der Besitz von Mobiltelefonen im Gefängnis sei zwar quasi per Hausordnung verboten - aber kein Gesetzesverstoß und daher nicht strafbar, begründeten die Richter den Freispruch. So hatte auch der Anwalt des Gefangenen plädiert.
Das Strafverfahren zog sich über mehr als fünf Jahre. Der Hauptangeklagte hatte in der Zwischenzeit die Strafe für die Tat, wegen der er ursprünglich in Heidering einsaß, längst verbüßt und befand sich wieder in Freiheit. Allerdings hat ihn das Berliner Landesamt für Einwanderung wenige Wochen vor der Hauptverhandlung in den Libanon abgeschoben. Laut Aufenthaltsgesetz hätte die Staatsanwaltschaft Neuruppin aber die Berliner Ausländerbehörde über ihr Strafverfahren informieren müssen. Dann wäre die Abschiebung nur mit ihrer Zustimmung möglich gewesen.
Während die Staatsanwaltschaft auf Fragen von rbb|24 zum Verfahren nur an das Gericht verweist, teilt das Berliner Landesamt für Einwanderung etwas gewunden mit: "Die Zustimmungen zur Rückführung eines Ausreisepflichtigen […] verschiedener Staatsanwaltschaften zu verschiedensten Strafvorwürfen liegen hier vor. Richtig ist, dass diese aber teilweise erst nachträglich gegeben wurden." Genauer könne man nicht werden, aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten.
Der verurteilte JVA-Bedienstete ist seit 2018 suspendiert. Falls das Urteil rechtskräftig wird, droht ihm der Verlust seines Beamtenstatus' und seiner Pensionsansprüche. Sein Anwalt erklärte im Plädoyer, es sei unbewiesen, dass sein Mandant Geld oder einen geldwerten Vorteil erhalten habe. Zudem stütze sich das Gericht auf Zeugenaussagen von Strafgefangenen, deren Wahrheitsgehalt er anzweifele. Strafgefangene, so seine Argumentation, würden mit einer Aussage oft versuchen, Erwartungen von Strafverfolgern zu bedienen, um sich Vorteile zu verschaffen. Im Gespräch mit rbb|24 kündigten beide an, Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 02.02.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Frank Drescher
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