rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Audio: rbb 88.8 | 14.02.2023 | Nachrichten | Quelle: dpa/imageBroker

Senatorin sieht Handlungsbedarf

Erneut Straftäter wegen Platzmangels aus Maßregelvollzug entlassen

Der Fall hat für Aufmerksamkeit gesorgt: Ein bekanntes Clan-Mitglied ist wegen Platzmangel aus der Haft entlassen worden. Nun gibt es einen weiteren Fall. Justizsenatorin Kreck sieht angesichts der "Missstände" dringend Handlungsbedarf.

Erneut ist ein verurteilter Straftäter in Berlin wegen Platzmangels im Maßregelvollzug aus der Haft entlassen worden. Das gab Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) am Dienstag bekannt. Der wegen Drogenhandels zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte Mann kam demnach am 10. Februar frei.

Erst wenige Tage zuvor war ein Clan-Mitglied, das wegen eines Geldtransporter-Überfalls verurteilt worden war, aus demselben Grund vorzeitig entlassen worden. Es drohen weitere derartige Fälle: Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft warten derzeit 16 verurteilte Männer darauf, in den Maßregelvollzug zu kommen. Einige sitzen schon seit Monaten in regulärer Haft und haben deshalb bald Anspruch auf Freilassung. Zuvor hatte der "Tagesspiegel" berichtet.

Berlin

Clan-Mitglied wegen Platzmangel in Maßregelvollzug aus Haft entlassen

"Produktiver Austausch" mit Gesundheitssenatorin

Kreck sieht angesichts der "Missstände" dringend Handlungsbedarf. Da der Maßregelvollzug der Senatsgesundheitsverwaltung untersteht, soll nun gemeinsam an einer Lösung für die seit Monaten angespannte Situation gefunden werden. Sie stehe im "produktiven Austausch" mit Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne), sagte sie.

In der kommenden Woche solle ein Fahrplan für das weitere Vorgehen vereinbart werden, sagte ein Sprecher Gotes. Um das über viele Jahre entstandene Problem zu lösen, brauche es eine "gemeinsame Kraftanstrengung".

Etwa 600 Patienten im Maßregelvollzug

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht diese als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Die Ärztekammer Berlin hatte im Januar "unhaltbare Zustände" im Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Berlin kritisiert. Laut Gesundheitsverwaltung sind dort derzeit rund 600 Patientinnen und Patienten untergebracht, genehmigt sind nur 541 Betten.

Im Jahr 2022 in Berlin

Neun Verdächtige wegen zu langer Verfahren aus U-Haft entlassen

Zahl Unterzubringender stark gestiegen

Es handelt sich nicht um ein reines Berliner Problem. Auch in anderen Bundesländern gibt es Kapazitätsprobleme im Maßregelvollzug. Nach Angaben der Gesundheitsverwaltung ist die Zahl der Straftäterinnen und Straftäter, die bundesweit in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind, deutlich gestiegen und lag 2019 bei rund 4.300. Im Jahr 1995 seien knapp 1.400 Menschen im Maßregelvollzug gewesen.

Die Kliniken beklagen zunehmend, dass aufgrund von Gerichtsurteilen bei ihnen Straftäter landen, die dort nicht richtig aufgehoben sind. Teils würden sie sogar die Therapie wirklich behandlungsbedürftiger Menschen behindern. Mit einer Gesetzesänderung soll dies eingeschränkt werden.

In Berlin führte dies jedoch zuletzt dazu, dass der Staatsanwaltschaft im Fall des Clan-Mitglieds regelmäßig mitgeteilt wurde, es gebe keine Kapazitäten. Da bis Mitte Januar 2023 eine Aufnahme in den Maßregelvollzug nicht absehbar war, habe man den Mann nicht länger in Haft halten können, so die Behörde. Die restliche Strafe des Verurteilten verfalle durch die Freilassung aber nicht, hieß es. Er werde zu gegebener Zeit wieder vorgeladen.

Sendung: Radioeins, 14.02.2023, 18:30 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen