Bergmann-Klinikum Potsdam
Zwei Beamtinnen des LKA Brandenburg werden der Fälschung von Zeugenaussagen verdächtigt - im Rahmen von Betrugsermittlungen zum Bergmann-Klinikum Potsdam. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Urkundenfälschung. Doch sie musste "zum Jagen getragen" werden. Von Gabi Probst
Zwei Brandenburger LKA-Beamtinnen sollen im Rahmen von Ermittlungen rund um das Ernst-von Bergmann-Klinikum in Potsdam eine Zeugenaussage gefälscht haben. Dadurch wurde ein ehemaliger Geschäftsführer des Klinikums schwer belastet. Inzwischen wird gegen die beiden Verdächtigen ermittelt.
Die mutmaßlich gefälschte "Zeugenaussage" fiel dem Anwalt des früheren Geschäftsführers bei der Akteneinsicht auf. Er stellte daraufhin gemeinsam mit der Anwältin der angeblichen Zeugin Strafanzeige.
2020 titelte der "Tagesspiegel": "Ermittlungen gegen neuen Geschäftsführer" und sah damit den "Neuanfang am Bergmann-Klinikum von Betrugsvorwürfen überschattet". Der Anwalt des Geschäftsführers, Stefan Klauser aus Berlin, kämpft seitdem gegen den Vorwurf der Staatsanwaltschaft Potsdam, die seinem Mandanten Beihilfe zum Betrug vorwirft: "Auf den Punkt gebracht ist der Vorwurf gegen meinen Mandanten der, dass er ein System von falschen Abrechnungen erfunden, an die Ärzte weitergeleitet und aufrechterhalten habe", sagt Klauser.
Das heißt konkret: Sein Mandant hätte gemeinsam mit Ärzten und Apothekern teure Medikamente - wie Remicade für Rheumakranke - bei der Krankenkasse doppelt abgerechnet. Seit 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam mit hohem Aufwand. 130 Polizisten durchsuchten fast 30 Wohnungen, Labore und Apotheken in Berlin, Hamburg, Rostock und Hennef in Nordrhein-Westfalen. Für die Auswertungen von beschlagnahmten Computern seien extra IT-Spezialisten engagiert worden.
Doch keinem einzigen Arzt konnten die Ermittler eine Straftat nachweisen. Gegen 21 Personen wurde das Verfahren inzwischen eingestellt. Von einst 25 sind heute noch vier Beschuldigte übrig - drei Apotheker und der Mandant von Rechtsanwalt Klauser. Doch dieser war zur Tatzeit kein Arzt, der Rezepte ausstellen konnte, sondern Controller im Klinikum.
Anwalt Klauser spricht deshalb von falschen Verdächtigungen durch eine sehr wahrscheinlich erfundene Vernehmung, auf die er bei der Akteneinsicht gestoßen war. Klauser sagt: "Diese Vernehmung wurde aus meiner Sicht fingiert, um meinen Mandanten zum Beschuldigten zu machen." Er kommt zu diesem Schluss, weil sich die Vorwürfe gegen seinen Mandanten seit zwei Jahren vor allem auf diese "Aussage" stützen würden.
Die in Rede stehende Vernehmung soll eine Polizeibeamtin des Landeskriminalamtes geführt und aufgeschrieben und dabei auch die Unterschrift der Zeugin – einer ehemaligen Apothekerin - gefälscht haben. Nach Aktenlage sei die Beamtin mit einer Kollegin am 5. Juli 2019 bei der heute 61-jährigen Zeugin zu Hause gewesen.
Die Frau ist schwerkrank und wird seit Jahren rund um die Uhr von ihrer Mutter betreut. Auch wenn sie anonym bleiben wollen, können sich jedoch beide gut erinnern. "Am 5. Juli 2019 hatte ich keinen Besuch von einer Polizeibeamtin", sagt Elke L. "Es fand auch keine Vernehmung statt", sagt sie weiter. Auf die Frage, warum sie sich noch so gut erinnern könnte, antwortet sie, dass die LKA-Beamtin an diesem 5. Juli früh angerufen und dann bei ihrer Mutter das Treffen abgesagt hätte.
Die Mutter, Eva L., bestätigt dies. Die Kriminalbeamtin hätte ihr damals mitgeteilt, dass sie sich zu einem späteren Termin wieder melden und einen neuen Termin vereinbaren würde. Ihre Tochter hätte auch nicht allein den Termin verabreden und der Beamtin die Tür öffnen können. "Das ist ganz unmöglich", sagt die rüstige 93-jährige Mutter. "Meine Tochter lag zu dieser Zeit fest im Bett." Die Tochter hätte seinerzeit auch weder einen Rollstuhl gehabt, noch hätte sie allein aus dem Bett gekonnt: Sie hatte sich das Bein gebrochen.
Den beiden Frauen wird die angebliche Vernehmung erst durch ihre Anwältin Petra Klein aus Berlin vorgelegt. Kurz darauf stellen sie Strafanzeige. "Hier steht ein schwerwiegender Vorwurf im Raum", erklärt die Anwältin Klein, "nämlich dass Ermittlungsbeamte, die eigentlich Straftaten verfolgen sollen, möglicherweise selbst Straftaten begangen haben. Und dem muss man energisch nachgehen."
Die Staatsanwaltschaft Potsdam, die auch zum Arzneimittelbetrug ermittelt, übernahm daraufhin auch diesen Fall – stellte das Verfahren aber nach einiger Zeit wieder ein.
Die Rechtsanwälte Klauser und Klein gingen dagegen vor. "Ich habe Beschwerde eingelegt, weil nicht einmal Mindeststandards eingehalten worden sind. Meine Mandantin ist nicht vernommen worden. Es sind keine Untersuchungen an dem Schriftstück durchgeführt worden. Weitere Ermittlungen, die sich aufgedrängt hätten, sind auch nicht geführt worden. Deshalb war die Beschwerde unerlässlich", empört sich Rechtsanwältin Klein.
Rechtsanwalt Klauser bezeichnet die Ermittlungen als äußerst dürftig. Dass zwar zum Wetter am Tag der angeblichen Vernehmung ermittelt, aber die Zeugin selbst nicht vernommen wurde, findet er unglaublich. Auf Anfrage rechtfertigt sich die Staatsanwaltschaft, dass man den "Sachverhalt zunächst (…) hinreichend aufgeklärt" habe und deshalb eine Vernehmung der Zeugin "ungeeignet" schien.
Belege für die falschen Verdächtigungen aus der angeblichen Vernehmung gibt es bis heute nicht, sagt Rechtsanwalt Klauser. Immerhin hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die LKA-Beamtinnen wegen Urkundenfälschung wieder aufgenommen. Das begrüßt Klauser: "Von der Wiederaufnahme des Verfahrens erhofft sich mein Mandant eine gründliche Aufarbeitung des Verfahrens."
Die Staatsanwaltschaft selbst beantwortet keine weiteren Fragen zu den Vorwürfen. Denn: Vor Abschluss der Ermittlungen hätten "Medien grundsätzlich keinen Informationsanspruch über einzelne Ermittlungshandlungen".
Der Mandant von Rechtsanwalt Klauser arbeitet inzwischen nicht mehr als Geschäftsführer.
Warum die Beamtinnen die Aussagen möglicherweise fälschten - auf diese Frage gibt es derzeit keine Antwort.
Sendung: rbb|24, 06.02.2023, 13:00 Uhr
Beitrag von Gabi Probst
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