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Quelle: dpa/Paul Zinken

In Deutschland und im Ausland

Welche Möglichkeiten die Polizei hat, nach Vermissten zu suchen

Ein Mädchen verschwindet mitten in Berlin und wird kurz darauf tot gefunden. Der tragische Fall in dieser Woche wirft auch die Frage auf, auf welche Mittel die Polizei bei der Suche nach Vermissten zurückgreifen kann.

Über 10.000 Vermisstenmeldungen können in einem Jahr bei der Berliner Polizei eingehen. Das sind im Schnitt fast 30 pro Tag. Diese Zahl stammt aus dem Jahr 2021, sei aber repräsentativ, sagt eine Sprecherin der Polizei dem rbb.

Die gute Nachricht ist: Nicht alle von ihnen sind dramatische Fälle, im Gegenteil: Meistens klärt sich das Verschwinden von alleine auf - indem die gesuchte Person zurückkehrt. Es verschwinden auch nicht pro Jahr 10.000 Menschen, manche werden öfter gemeldet. Zum Beispiel ältere Menschen mit Demenz, die mehrmals versehentlich abhauen und gefunden werden. Gar nicht so leicht also, zu entscheiden, wann eine umfangreiche Suche notwendig wird und welche Maßnahmen zu ergreifen sind.

Verdacht des Totschlags

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Gefahrenbewertung geschieht unmittelbar nach Erhalt der Vermisstenmeldung

Wenn Vermisstenmeldung bei der Berliner Polizei eingehen, werde schnell priorisiert, erklärt eine Polizeisprecherin. Zwar würde dabei jeder Fall individuell betrachtet, aber bestimmte Grundregeln gebe es durchaus. Fälle mit Kindern und Jugendlichen genießen höchste Priorität. Je jünger ein Kind sei, desto größer das Gefahrenmoment, sagt die Sprecherin.

Auch der Ort und das Wetter können eine Rolle bei der Gefahrenbewertung spielen. Werde beispielsweise ein Mensch, der nicht schwimmen kann, in unmittelbarer Nähe zu einem Gewässer als vermisst gemeldet, spreche das ebenfalls für ein hohes Gefahrenpotential. Oder, um das häufig glimpflich ausgehende Beispiel der entlaufenden Senioren nochmal aufzugreifen: Irrt eine demente Person im Sommer außerhalb ihres Heims herum, ist das weniger gefährlich, als im Winter, wenn sie erfrieren könnte.

Alarmierung der Öffentlichkeit per Polizeimeldung

Die Berliner Kriminalpolizei ist im Dauerdienst besetzt und kann bei den Fällen mit hohem Gefahrenpotential direkt eingeschaltet werden. Sie koordiniert dann die Maßnahmen. Die beschränken sich allerdings auch in diesen Fällen vor allem auf die klassische Polizeiarbeit: Zur Suche können Hundertschaften, Taucher oder andere Polizeikräfte angefordert werden.

Die Öffentlichkeit kann ebenfalls eingeschaltet werden. Allerdings meist auf ziemlich altmodischen Wegen. Denn was die deutsche Polizei unter Einbeziehung der Öffentlichkeit versteht, ist in erster Linie eine Polizeimeldung. Die erscheint auf der Homepage der Polizei und wird üblicherweise schnell von den Medien entdeckt und multipliziert. Auch in dem "Berliner Fenster", das zum Beispiel in U-Bahnen der BVG auf den Monitoren angezeigt wird, erscheinen diese Polizeimeldungen.

Was hierzulande noch nicht regelmäßig geschieht, ist eine dezidierte Alarmierung bestimmter Stadtgebiete und die Warnung per Smartphones.

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Andere Länder nutzen automatisierte Verfahren wie "Amber Alert"

In anderen Ländern ist das anders. Da spielt die Öffentlichkeit eine größere Rolle bei der Suche nach Vermissten. Vor allem in den USA, wo schon seit Ende der 1990er Jahre das automatisierte und zentral gesteuerte Alarmsystem "Amber Alert" eingesetzt wird. Auch EU-Staaten wie Griechenland, Frankreich und die Niederlande nutzen es.

In Griechenland beispielsweise sind Eltern und Erziehungsberechtigte angehalten, im Fall des Verschwindens eines Kindes sofort die Polizeibehörden (wie hierzulande ebenfalls) und die EU-Hotline für vermisste Kinder "116000" zu benachrichtigen. Über die Hotline - und das ist anders als in Deutschland - wird das Amber-Alert-System aktiviert. Es verteilt Fotos des Kindes sowie Informationen, die bei der Identifizierung helfen sollen, direkt an Polizei, öffentliche Verkehrsbetriebe, Taxifahrer, Fernsehsender und Nachrichtenseiten sowie Krankenhäuser weiter.

Das Alarmsystem ist darauf ausgerichtet, möglichst schnell viele Menschen auf verschiedenen Kanälen über den Vermisstenfall zu informieren. Auch mit Messenger-Diensten, denn sogar die Telekommunikationsunternehmen sind Teil des Systems. Menschen im betreffenden Gebiet erhalten also eine Push-Mitteilung auf ihr Handy mit der Vermisstenmeldung. Das kann sehr genau auf gewisse Stadtteile eingegrenzt werden bei Bedarf.

Neu eingeführtes "Cell Broadcast" ermöglicht Push-Mitteilungen für Deutsche Polizei

In Deutschland gibt es die EU-weite Hotline ebenfalls, hier ist die Telefonnummer allerdings eher eine Art Zusatzangebot, das erst deutlich nach dem polizeilichen Notruf kontaktiert werden sollte und die betroffenen Eltern an betreuende Stellen weiterleitet. Es wird betreut von der "Initiative vermisste Kinder" und hat mehr beratende als alarmierende Funktion. Einen Amber Alert oder dergleichen kann sie nicht auslösen.

Lars Bruhns von der Initiative wünscht sich daher, dass auch in Deutschland die vorhandenen Technologien öfter zur Suche nach Vermissten eingesetzt werden. Warn-Apps wie NINA und Katwarn gibt es, seit der Flutkatastrophe im Ahrtal sind sie auch schon zur Warnung vor Naturkatastrophen in den öffentlichen Fokus gerückt. In Hessen und Sachsen-Anhalt sei das System bereits in Einzelfällen von der Polizei genutzt worden, sagt Bruhns. "Viel besser wäre es aber, wenn es da eine Systematik gäbe, wo wir diese Apps auf Knopfdruck bedienen im Ernstfall", findet er.

Und: Sogar Pushmitteilungen auf viele Smartphones durch die Telekommunikationsunternehmen sind neuerdings in Deutschland möglich - das sogenannte "Cell Broadcast" ging in dieser Woche an den Start. Bruhns wünscht sich, dass es künftig auch zur Suche nach Vermissten eingesetzt wird. Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres bestätigte rbb|24 auf Anfrage auch, dass cell broadcast bei Bedarf bereits jetzt von der Polizei genutzt werden könnte. Ob geplant ist, das neue System künftig für Vermisstenfälle zu nutzen, ließ die Verwaltung allerdings unbeantwortet. Standardisiert ist die digitale Alarmierung in Deutschland noch nicht.

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