Fragwürdige Geschäfte
Bei einer Charité-Tochter soll durch Veruntreuung ein Schaden von mehreren Millionen Euro entstanden sein. Die Ermittlungen richten sich laut Staatsanwaltschaft gegen sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens. Von René Althammer
Im Rahmen von Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue und möglichen Vergaberechtsverstößen bei der Charité Facility Management (CFM) hat eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einen Schaden in Höhe von sieben bis zehn Millionen Euro festgestellt. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Berlin dem rbb.
Tatverdächtig sind sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Charité-Tochter, gegen die Strafanzeige gestellt wurde. Die Akten wurden bereits an das Landeskriminalamt zur weiteren Auswertung übersandt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war von der Charité beauftragt worden. Im Juli 2022 hatten Recherchen des rbb zur Wiederaufnahme der Ermittlungen geführt.
Die Pressestelle der Charité teilte dem rbb schriftlich mit, das Universitätsklinikum setze sich ebenso wie die Tochter CFM "für eine vollumfängliche und transparente Aufarbeitung der Sachverhalte ein. Alle internen Erkenntnisse zu den Vorgängen wurden der Staatsanwaltschaft Berlin zur Verfügung gestellt." Zuständig sei die interne Revision, die seit 2022 auch die CFM überwacht. Im Juli 2022 hatte das Unternehmen noch bestritten, dass es zu Vermögensschäden gekommen sei.
Es waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CFM, die erstmals 2021 mögliche Verstöße gegen das Vergaberecht und andere Merkwürdigkeiten bei Auftragsvergaben aufdeckten. Dazu gehörte auch der Fall eines Unternehmers aus dem südbrandenburgischen Calau. Im Jahr 2020 hatte er der CFM 23 Angebote gemacht, die alle von der Charité-Tochter akzeptiert wurden. Gesamtvolumen: etwas über 330.000 Euro.
Es ging um Logistik-Software für den Umgang mit Sterilgütern, wie sie in jedem Krankenhaus benötigt wird. Auffällig war nicht nur, dass der Unternehmer weder eine eigene Website hatte, noch in einer der üblichen Wirtschaftsdatenbanken auftauchte. Mehr als ungewöhnlich war auch die Tatsache, dass seine Angebote und Rechnungen nach rbb-Recherchen zum größten Teil nachdatiert waren und es keine Ausschreibungen seitens der CFM gab.
Die Charité erklärte dazu im vergangenen Jahr, dass es für das Jahr 2020 einen Rahmenvertrag mit dem Unternehmer gegeben habe, der im Januar desselben Jahres abgeschlossen worden sein soll. "Die Rechnungsstellung des Dienstleisters erfolgte im Dezember 2020", hieß es weiter. Mögliche Rückdatierungen bestritt die Charité.
Neben diesem gibt es mindestens sieben weitere Fälle, die 2021 über ein internes "Hinweisgebersystem" der Charité bekannt wurden. Anschließend beauftragte Deutschlands größtes Universitätsklinikum eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, möglichen Verstößen gegen das Vergaberecht und Compliance-Vorschriften nachzugehen. Das Ergebnis der Wirtschaftsprüfer wurde der Staatsanwaltschaft übermittelt, die damals jedoch keinen Anfangsverdacht erkannte und im Dezember das zuvor eingeleitete Ermittlungsverfahren "mangels Tatverdacht" wieder einstellte.
Einige Mitarbeiter der CFM sollen sich nach rbb-Informationen im Juni 2021 wegen diesem und anderer Fälle auch an den Charité-Vorstand gewandt haben. Konsequenzen für die CFM-Verantwortlichen hatte das zunächst nicht. Einige der Mitarbeiter, die auf die Missstände hingewiesen hatten, wurden inzwischen "freigestellt" oder ihnen wurde gekündigt.
Ein Blick in aktuelle Handelsregister-Auszüge zeigt, dass es in der Zwischenzeit CFM-intern Veränderungen gegeben hat: Ein Mitglied ist aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Ein weiterer Manager hat keine Prokura mehr. In der vergangenen Woche wurde der Aufsichtsrat über die Vorgänge informiert.
Kalle Kunkel, Verdi-Vertreter im Charité-Aufsichtsrat, kritisierte die Charité-Verantwortlichen für ihren Umgang mit der Compliance-Meldung von Mitarbeitern der CFM im Sommer 2021. In einer Pressemitteilung hieß es, dass die Mitarbeiter "kurz nachdem sie die Meldung erstattet hatten, von Seiten der Geschäftsleitung gekündigt" worden seien.
Zugleich kritisierte Kunkel, dass der Aufsichtsrat (AR) der CFM kaum Informationen über die Compliance-Meldungen erhalten habe: "Bis heute liegen uns als Aufsichtsrat die konkreten Meldungen nicht vor, die bei CFM und Charité eingegangen sind, obwohl wir dies als Verdi-Vertreter*innen mehrfach eingefordert haben. Als Aufsichtsräte können wir damit unserer Kontrollfunktion seit über einem Jahr nicht nachkommen. Auch die Diskussion um die Kündigung der Hinweisgeber war nicht gewünscht."
Verdi forderte eine lückenlose Aufklärung sowohl der Compliance-Verstöße als auch des Umgangs mit den betriebsinternen Meldungen durch die Mitarbeiter. Außerdem soll der Senat umgehend einen Vertreter in den Aufsichtsrat der CFM entsenden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.03.2023, 18:00 Uhr
Beitrag von René Althammer, rbb24 Recherche
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