Studie der Uni Leipzig
Viele ehemalige Bewohner von DDR-Kinderheimen leiden bis heute unter den Folgen von Gewalt und Vernachlässigung. Das ist das Ergebnis einer am Montag veröffentlichten Studie des Forschungsverbunds "Testimony", der unter Federführung der Universität Leipzig die Erfahrungen Betroffener untersucht hat.
Demnach geht aus einer Fragebogenstudie hervor, dass 87 Prozent der Befragten im Heim emotional vernachlässigt wurden und 82 Prozent körperlich vernachlässigt wurden. 48 Prozent sprachen demnach von körperlicher Misshandlung, 41 Prozent sogar von sexuellem Missbrauch in Heimen.
Im Rahmen der Verbundstudie "Erfahrungen in DDR-Kinderheimen - Bewältigung und Aufarbeitung" wurden von der Universität Leipzig zwischen 2019 und 2022 unter anderem 273 ehemalige Bewohner im Alter von 36 bis 84 Jahren befragt.
Die Betroffenen berichteten demnach vielfach von Erfahrungen physischer, sexualisierter und psychischer Gewalt, Vernachlässigung und Missbrauch. Viele Betroffene erlebten den heutigen Umgang mit DDR-Heimerfahrungen oft als belastend. Die erlebte Gewalt und Vernachlässigung wirkten sich bei einem Teil der ehemaligen Heimbewohner bis heute aus.
Forscher der Universität Leipzig, der Medical School Berlin, der Alice-Salomon-Hochschule Berlin und der Heinrich-Heine-Universität forderten aufgrund der Ergebnisse der Studie in einer "Leipziger Erklärung" weitere Bemühungen um Aufarbeitung. Der Zugang zu Hilfsangeboten müsse niedrigschwelliger gestaltet und ein sensibler Umgang der Behörden mit Trauma-Erfahrungen gewährleistet werden.
Zwischen 1949 und 1990 waren den Angaben zufolge in der DDR etwa eine halbe Million Kinder und Jugendliche in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen untergebracht. Aus der Teilstudie der Universität Leipzig geht demnach hervor, dass der Aufenthalt in den Heimen zwischen zwei Monaten und 18 Jahren dauerte.
Sendung: Tagesschau, 20.03.2023, 20.00 Uhr
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