Interview | Pop-Art-Künstler Jim Avignon
Das Wochenende in Berlin wird revolutionär anlässlich des 175. Jahrestags der Märzrevolution. Interessierte können auf den Spuren der Revolution wandeln. Der Künstler Jim Avignon hat sich an der Gestaltung beteiligt.
An diesem Wochenende wird mit zahlreichen Veranstaltungen an die Märzrevolution vor 175 Jahren in Berlin erinnert. Am Platz des 18. März am Brandenburger Tor gibt es am Samstagmittag eine Gedenkstunde für Freiheit und Demokratie. Auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark Friedrichshain eröffnet Kultursenator Klaus Lederer (Linke) einen neuen Ausstellungsteil zur Revolution 1848/49.
Auf dem Programm stehen aber auch Aktionen unter anderem im Humboldt Forum, am Brandenburger Tor und am Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark Friedrichshain.
An dem Demokratie-Wochenende beteiligen sich mehr als 20 Institutionen. Neben Performances, Lesungen, Diskussionen und speziellen Führungen kann man unter anderem zwischen Friedrichstraße und Humboldt Forum auf den Spuren der Revolution entlang von zehn Pop-Art-Skulpturen berühmter Zeitgenossen spazieren gehen. Gestaltet wurden die Figuren von dem Pop-Art-Künstler Jim Avignon.
rbb: Herr Avignon, Wenn ich an Ihre Kunst denke, sehe ich bunte Farben. Was steuern Sie zu den Spaziergängen anlässlich der Märzrevolution bei?
Jim Avignon: Nicht ganz so viele Farben. Ich habe zehn Protagonisten, die an der Märzrevolution beteiligt waren, sei es, dass sie auf den Barrikaden standen, Parlamentarier waren oder Leute, die Reden gehalten haben, überlebensgroß auf Holzplatten gemalt. Die stehen sozusagen als Stopper in den Straßen. Zu jedem kann man über eine App sich auch die Lebensgeschichte anhören. Ich habe dafür relativ viel recherchiert. Die Leute damals haben einfach nicht sehr bunte Klamotten getragen. Grau und Braun waren die vorherrschenden Farben. Ich habe mir etwas künstlerische Freiheit genommen und sie ein bisschen farbiger gestaltet - aber nicht so bunt wie sonst.
War das eine besondere Herausforderung, eben weil nicht so viel Farbe im Spiel ist?
Wegen den Farben nicht so. Aber es war natürlich eine Herausforderung zu zeigen, das sind Menschen wie du und ich, mit ähnlichen Problemen. Die Leute sind ja nicht ohne Grund auf die Barrikaden gegangen. Sie konnten sich ihr Leben nicht leisten, die Mieten waren zu teuer und sind an der Armutsgrenze gewesen. Es sind also Sachen, die wir heute genauso haben. Das wollte ich in ihrer Körpersprache zum Ausdruck bringen, auf welcher Seite sie standen und worum es ihnen ging. Und das war meine Herausforderung.
An welche zwei Gestalten erinnern Sie sich konkret?
Zum Beispiel ist der Revolutionärste auf jeden Fall Ernst Zinna. Er war einer der Barrikadenkämpfer, die erschossen wurden. Er war Arbeiter und unzufrieden gewesen. Mit einer größeren Gruppe von Leuten hat er die Barrikade gebaut. Als das Militär angerückt ist, um sie zu vertreiben, sind alle anderen abgehauen. Nur er und sein Freund sind geblieben, haben sich gewehrt, und dabei ist er erschossen worden. Später wurde er im Osten als eine Art revolutionärer Freiheitskämpfer stilisiert. Aber er ist wirklich ein einfacher Arbeiter, der sein Schicksal in die Hand nehmen wollte.
Es ist auch erstaunlich, was es für unglaubliche Frauen im Jahr 1848 gab. Sie haben sich sehr aktiv, sehr emanzipatorisch und dominant ins Geschehen eingebracht. Lucy Lenz hat beispielsweise schreibend die Revolution mitbegleitet und in der Öffentlichkeit geredet. Sie hat selber eine sehr dubiose Geschichte, weil es gibt Gerüchte, dass sie auch Spionin war für Preußen. Mehrmals stand sie vor Gericht, ist dann aber doch auf seltsame Weise immer wieder protegiert worden. Es ist nicht ganz klar, aber ich glaube, ihr Herz war auf jeden Fall auf der Seite der Revolution. Zumindest hat sie das in sehr flammenden Reden auch kundgetan.
Wie funktioniert diese App?
Bei jeder Figur gibt es einen QR-Code, der einen in die App weiterleitet. Man hält die Handykamera auf die Figur. Und dann erfährt man, wer die Person ist und was mit ihr passiert ist.
Das Interview mit Jim Avignon führte Christiane Falk für Radioeins.
Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung. Das komplette Interview gibt es im Player zum Nachhören.
Sendung: Radioeins, 16.03.2023, 10:40 Uhr
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