Polizei ermittelt in rund 130 Fällen
Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln weiter zu den Silvesterkrawallen in Berlin. Der zuständige Oberstaatsanwalt rechnet mit insgesamt rund 150 Verfahren. Jetzt sind die ersten beiden Anklagen beim Amtsgericht Tiergarten eingegangen. Von Ulf Morling
Zwei Monate nach den Silvesterkrawallen in Berlin sind beim Amtsgericht Tiergarten die ersten zwei Anklagen eingetroffen. Das sagte Gerichtssprecherin Lisa Jani dem rbb.
So werde zum einen die Anklage gegen einen 16-jährigen Beschuldigten von einem Jugendschöffengericht geprüft. Der Jugendliche soll kurz nach Mitternacht am 1. Januar mit etwa 80 weiteren Personen auf einer großen Kreuzung in Prenzlauer Berg gestanden und Polizisten tätlich angegriffen haben, die die Kreuzung räumen wollten. Der Vorwurf gegen den Angeschuldigten lautet "Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte" (§114 Strafgesetzbuch), die Straferwartung ist zwischen drei Monaten bis zu fünf Jahren.
In einer zweiten Anklage, die dem Amtsgericht Tiergarten von der Staatsanwaltschaft zugestellt wurde, wird einem 22-Jährigen vorgeworfen, in Gesundbrunnen einen Böller auf einen Polizisten geworfen zu haben, der die Feuerwehr beim Löschen eines Wohnungsbrandes unterstützt haben soll. Von der Staatsanwaltschaft wird das ebenfalls als tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und versuchte gefährliche Körperverletzung gewertet.
In rund 130 Fällen der Silvesterkrawalle ermittelt derzeit noch - oder wieder - die Polizei. Bereits kurz nach Silvester seien zwar von der Polizei viele Ermittlungsergebnisse bei der Staatsanwaltschaft abgegeben worden, aber in etlichen Fällen hätten die Akten der Polizei zu Nachermittlungen wieder zurückgeschickt werden müssen, heißt es von der Anklagebehörde.
Bei den beiden inzwischen eingegangenen Anklageschriften der Staatsanwaltschaft muss nun im sogenannten Zwischenverfahren entschieden werden, ob die Vorwürfe der Anklagebehörde nach Aktenlage ausreichen und die entsprechenden gesetzlichen Strafvorschriften erfüllen.
Sollte das Gericht davon überzeugt sein, findet der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter statt. In den beiden ersten Anklagen in Bezug auf die Silvesterkrawalle wird gerade von Richtern geprüft, ob die Beweise der Staatsanwaltschaft für einen Prozess ausreichend scheinen und der dann Angeklagte sich verantworten muss. Sollten die Richter hier so entscheiden, müssen alle am Prozess Beteiligten informiert werden und das Gericht muss bei der Vorbereitung des Prozesses unter anderem Termine finden. Sie sind noch nicht festgelegt.
Zwei Drittel der Verfahren lägen aber derzeit noch bei der Polizei, so der Gruppenleiter der Abteilung 236, Staatsanwalt Dieter Horstmann. Er rechnet mit 150 Verfahren insgesamt. Durch die Sonderzuständigkeit seiner Abteilung für Silvester waren unter dem Kürzel "SILV" zu den neun Staatsanwälten seiner Abteilung noch eine weitere Staatsanwältin abgeordnet worden. Eigentlich ist die Abteilung 236 ist für Angriffe auf Einsatzkräfte zuständig, etwa bei Fußballspielen oder Straftaten bei anderen sportlichen Großveranstaltungen.
"Die Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln sehr zügig", so Horstmann. Bei der Polizei würde derzeit unter anderem ermittelt, ob sich den Taten - wie die Brandstiftung an einem Bus in Neukölln oder das Attackieren eines Rettungswagens mit einem Feuerlöscher - Tätern zuordnen lassen.
So würden sogenannte Super Recognizer für die Fahndung durch die Polizei eingesetzt. Diese Menschen sind besonders laut Horstmann befähigt, Personen zu identifizieren; sie vergleichen Fotos einer erkennungsdienstlichen Behandlung der Polizei mit Videos aus der Silvesternacht, auf denen Täter zu sehen sind. "Das ist sehr erfolgversprechend, das läuft ganz ausgezeichnet", sagt Staatsanwalt Horstmann. Leider gäbe es nur drei "Super Recognizer" in Berlin. Angesichts einer riesigen Fülle von Videomaterial aus der Silvesternacht, auch mit den Aufnahmen von beschlagnahmten Handys mutmaßlicher Straftäter, ist er der Überzeugung: "Das wird leider noch eine Weile dauern, bis die Videos ausgewertet sind."
Sendung: rbb24 Abendschau, 03.03.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Ulf Morling
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