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Audio: rbb24 Inforadio | 06.04.2023 | Wolf Siebert | Quelle: www.imago-images.de

Amtsgericht Neukölln entscheidet

Muss eine arabische Großfamilie ihre Villa in Buckow räumen?

Im Rechtsstreit um eine Villa in Berlin-Buckow will das Amtsgericht Neukölln am Donnerstag eine Entscheidung verkünden. Haus gehört dem Land Berlin. Es hat den Mietern - einer Clan-Familie - gekündigt. Diese lehnt die Räumung ab. Von Wolf Siebert

Ein schöner Altbau mit blass-gelb gestrichener Fassade, auf einem großen Grundstück in Buckow im Süden Berlins: Um diese Villa wird seit Längerem juristisch gestritten. Auf der einen Seite steht die Eigentümerin, das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Neukölln. Auf der anderen Seite: die Mieter, Mitglieder des bekannten Remmo-Clans.

Die Hauseigentümerin wirft den Mietern vor, einen gefälschten Mietvertrag vorgelegt und die Miete für einige Monate nicht gezahlt zu haben. Die Familie bestreitet die Vorwürfe - und bleibt auch nach der Kündigung des Mietvertrags im Haus.

Die Eigentümerin reicht eine Räumungsklage ein. Es kommt zu mehreren Verhandlungsterminen vor Gericht, zu Beweiserhebungen und Zeugenvernehmungen. Das Gericht legt beiden Seite nahe, sich gütlich zu einigen - vergeblich. Die Sache zieht sich: Mal erscheinen Zeugen nicht vor Gericht, mal beantragt die beklagte Familie Terminverlegung. Nun also der 7. Verhandlungstermin, es könnte eine Entscheidung geben.

Zwei Festnahmen

108 Polizisten durchsuchen Immobilien des Remmo-Clans in Berlin

Großeinsatz für die Berliner Polizei gegen Angehörige des Remmo-Clans in Neukölln und in Charlottenburg: Zwei junge Männer wurden vorläufig festgenommen. Gegen sie wird wegen räuberischen Diebstahls ermittelt.

Lange Liste von Straftaten

Was aussieht wie ein zivilrechtlicher Streit zwischen Vermieter und Mieter, ist auch Ausdruck eines ungelösten kriminellen Problems: Der Remmo-Clan (nach anderer Schreibweise: Rammo) gilt seit langem als "kriminelles Wirtschaftsunternehmen", so der frühere Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, der heute für die SPD im Bundestag sitzt. Überfälle auf Geldtransporter, Einbrüche in Banken, Drogenhandel, Betrug, Gewalttaten – die Liste ist lang. In die Schlagzeilen geriet die Clan-Familie auch durch spektakuläre Taten wie den Diebstahl einer Goldmünze aus dem Bode-Museum und den Einbruch ins "Grüne Gewölbe" in Dresden.

Die Clan-Familie soll allein in Berlin rund 1.000 Menschen umfassen, nur ein Bruchteil gilt als kriminell. Aber die kriminellen Familienmitglieder sind häufig Mehrfachtäter, vor allem in der Altersgruppe 22 bis 35 Jahre. Das ergab ein "Lagebild Clankriminalität" des Landeskriminalamts im vergangenen Jahr.

Die Justiz beschlagnahmte Immobilien der Familie

Polizei und Justiz gehen davon aus, dass der Remmo-Clan mit dem erbeuteten Geld auch zahlreiche Immobilien und Häuser erworben hat, darunter die Villa in Berlin-Buckow, die nun von Mitgliedern der Clan-Familie bewohnt wird. Rechtlich hatte der Staat lange keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Denn es war kaum nachzuweisen, dass ein bestimmter Kauf durch Geld aus Straftaten finanziert worden war.

2017 wurde dann eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen. Vorbild war die italienische Anti-Mafia-Gesetzgebung. Seitdem ist es möglich, Vermögen, das aus Straftaten stammen könnte, einzuziehen. 2018 beschlagnahmte die Berliner Justiz 77 Immobilien, die der Clan-Familie gehören, dazu gehört auch das Haus, um das seit langem vor dem Amtsgericht gestritten wird.

"Alles abgelaufen wie es sollte"

Zirkus verteidigt sich nach Verleih von Tigerbaby an Remmo-Clan

Die Wellen der Empörung schlugen hoch, als in sozialen Netzwerken Fotos von einem Tigerbaby bei einer Feier auftauchten. Der Berlin-weit bekannte Remmo-Clan hatte das Tier vom Zirkus "Berolina" ausgeliehen, die Zirkusleute verteidigen sich nun.

Kritiker werfen Politik, Polizei und Justiz vor, das Problem krimineller Mitglieder von Großfamilien zu dramatisieren. Manche erkennen in der Debatte auch rassistische Untertöne.

Größeren Konsens gibt es beim Blick auf die politischen Fehler der Vergangenheit: Als die ersten Mitglieder der Großfamilien vor Jahrzehnten nach Berlin kamen, durften sie beispielsweise nicht arbeiten.

Integration - (un-)möglich?

Wie auch immer das Gericht entscheiden wird: Die Auseinandersetzung mit kriminellen Clan-Angehörigen, ob sie Remmo heißen oder andere Familiennamen tragen, ist damit nicht beendet. Denn es geht hier nicht nur um ein strafrechtliches und polizeiliches Problem, es geht auch um die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Desintegration vieler Mitglieder dieser Groß-Familien, die nach eigenen Angaben die Gesetze des Staates nicht akzeptieren und nach selbst definierten Regeln leben. Seit Langem wird darüber diskutiert, ob und wie Integration möglich sein könnte. Über ein Aussteiger-Programm wurde ebenso nachgedacht wie über das Herauslösen von Kindern und Jugendlichen aus den Clan-Bezügen. Vieles davon dürfte juristisch kompliziert werden, manches unmöglich, politisch nicht mehrheitsfähig oder auch nicht zu Ende gedacht sein.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.04.2023, 06:20 Uhr

Beitrag von Wolf Siebert

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