Hohe Nachfrage
Wer in Berlin eine Datsche sucht, erfährt vor allem eines: Die Suche nach einer Parzelle ist praktisch genauso nervenaufreibend geworden wie die nach einer bezahlbaren Wohnung. Manche wollen aus der Nachfrage großes Kapital schlagen.
Die Wartelisten für Kleingärten in Berlin sind lang. Bei rund 71.000 Datschen und Schrebergärten in der Stadt gibt es derzeit rund 19.000 Bewerber, die auf eine Parzelle warten. Weil die Nachfrage so hoch ist, werden manche Schrebergärten für ein Vielfaches ihres geschätzten Werts angeboten. Der rbb stieß bei einer Recherche auf Angebote für mehr als 80.000 Euro.
Solche Preise sind jedoch nicht gesetzeskonform und sogar riskant, wie der Präsident des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde, Gert Schoppa, gegenüber dem rbb-Verbrauchermagazin Super.Markt betont. "Das sind Praktiken, die wir nicht möchten. Also nicht nur nicht möchten, sondern gegen die wir, wenn wir es feststellen, vorgehen. Der Grund und Boden kann nicht gekauft werden. Er wird gepachtet."
Und nicht der aktuelle Pächter, sondern der Vorstand des jeweiligen Kleingarten-Vereins entscheidet über die Neuverpachtung. Diese Vergabe sei in Verwaltungsvorschriften klar geregelt, erläutert die Berliner Rechtsanwältin Kathleen Pfordte. "Die Vergabe der Kleingärten soll nach der zeitlichen Reihenfolge erfolgen. Nur Bewerber mit sozialen Voraussetzungen und Räumungsbetroffene seien vorzuziehen." Von "Meistbietenden" ist nicht die Rede.
Und dennoch gelingt es offenbar vielen, die Wartelisten zu umgehen und sich einen Kleingarten teuer zu ergattern. So besichtigte eine Super.Markt-Reporterin einen auf Ebay annoncierten Kleingarten in Berlin, bei dem die Abstandszahlung 42.000 Euro betragen soll. Das ist mehr als das Fünffache des vom zuständigen Verein geschätzten Wertes für Gewächse und Laube. Die Gärtnerin argumentiert mit der Marktlage: "So viele Leute suchen. Da gebe ich den Garten nicht zu dem kleinen Preis ab."
Dagmar Frick vom Bezirksverband Lichtenberg erklärt, dass die Richtlinien zur Wertermittlung von Kleingärten Summen über 20.000 Euro gar nicht hergeben. Vom jeweiligen Verein "wird die Laube geschätzt und andere Baulichkeiten wie Gewächshäuser. Dann werden die Außenanlagen bewertet. Es wird nichts bewertet, was innen eingebaut ist, also Marmorfußboden oder eingebaute Dusche oder ähnliche Sachen", so Frick.
Verbandspräsident Schoppa warnt die Interessenten eindringlich vor den Risiken, wenn sie diese Summen zahlen. "Alle, die auf solche Annoncen reinfallen, müssen wissen: Sie müssen zum Schluss einen Pachtvertrag angeboten bekommen. Und da ist nicht sicher, ob ein solcher Pachtvertrag dann auch zustande kommt. Auch beim Höchstangebot nicht." Es gehe schließlich um die Erholung durch Gärtnern in der Freizeit, nicht um ein Grundstück zum Wohnen. Für 400 bis 500 Euro Pacht pro Jahr, nicht für teure Abstandssummen.
Deshalb definiert das Bundeskleingartengesetz seit genau 40 Jahren auch strenge Regeln für die Nutzung. So sollen die Gärten der Gemeinnützigkeit dienen, geschützt vor Spekulationen des freien Marktes. Sie sollen eine soziale, ökologische Rolle spielen und zur Selbstversorgung mit Obst und Gemüse beitragen, wie es in dem Gesetz heißt.
Die Zahlen sprechen für sich: So stehen in Spandau aktuell 3.650 Kleingärten in Verwaltung, doch gibt es 4.555 Interessenten auf der Warteliste - bis zu sieben Jahre kann es dauern, bis man seine eigene Datsche hat. In Wilmersdorf können es sogar zehn Jahre sein.
Etwas schneller klappt es in Weißensee - dort gibt es 4.500 Kleingärten in Verwaltung, 1.000 Menschen stehen auf der Warteliste und das im Schnitt fünf bis sechs Jahre. Auch in Lichtenberg beträgt die Wartezeit "nur" etwa drei bis vier Jahre.
Wer mobiler ist, könnte jedoch im Berliner Speckgürtel sowie Brandenburg fündig werden. So bekommt man beispielsweise im Verband der Gartenfreunde Südbrandenburg e.V. schon nach einer Woche eine Parzelle. Etwas länger dauert es in Neuruppin und Bernau - zwischen sechs Monaten und vier Jahren. In Eisenhüttenstadt, Guben, in der Prignitz und im Oberbarnim gibt es wiederum gar keine Wartezeiten.
Sendung: Super.Markt, 17.04.2023, 20:15 Uhr
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