Interview | Kriminalist zum Fall Rebecca - "Einen Tatort so zu reinigen, dass keine Spuren mehr da sind, ist fast unmöglich"
Die Berliner Schülerin Rebecca verschwand vor vier Jahren. Die Polizei hält sie für tot. Nun wurde erneut das Haus ihres Schwagers durchsucht. Warum eine Durchsuchung nach so langer Zeit Sinn machen kann, erklärt der Kriminalist Christian Matzdorf.
rbb|24: Herr Matzdorf, gibt es möglicherweise eine neue Spur im Fall Rebecca?
Christian Matzdorf: Davon muss man ausgehen. Wir können allerdings nicht sagen, ob die Spur an sich neu ist oder nur in der Konstellation von verschiedenen Informationen eine neue Bedeutung erlangt hat. Das wird uns die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen mitteilen.
Wenn ein Ort schon als Tatort im Gespräch war und nach so langer Zeit nochmal durchsucht wird, dann muss man davon ausgehen, dass sich neue Tathergangsversionen ergeben haben.
Es können allerdings auch neue Erkenntnisse zu bereits bestehenden Versionen des Tathergangs dazu gekommen sein. Nur dann kann ein Gericht davon überzeugt werden, einen neuen Durchsuchungsbeschluss auszusprechen. Das heißt, es müssen ganz gewichtige Gründe dafür sprechen, jetzt nach neuen Beweismitteln zu suchen.
Wonach suchen die Ermittlerinnen und Ermittler denn nach vier Jahren noch in diesem Haus? Was könnte in diesem Fall ein Indiz sein, das zur Überführung eines Täter führen könnte?
Ich sage es mal ganz fiktiv: Ein mit DNA behaftetes Kleidungsstück, das zu einem bestimmten Zeitpunkt als nicht relevant eingestuft wird, kann nach neuen Hinweisen oder Aussagen von Zeugen wieder in den Blick von Ermittlern geraten. Dann kann dieses Beweismittel eine Spur sein, die einen hohen Beweiswert hat - obwohl sie schon lange Zeit vorliegt. Wenn ich dann nach diesen Spuren suche, kann ich erfolgreich sein.
Wenn wir in diesem konkreten Fall von einem Bademantel sprechen, bei dem ein Gürtel fehlt, dann hat dieser fehlende Gürtel möglicherweise aufgrund von neuen Hinweisen heute eine ganz andere Bedeutung als noch vor vier Jahren.
Hat ein mutmaßlicher Täter innerhalb von vier Jahren nicht alles am Tatort vertuscht?
Wir können uns in der Kriminaltechnik mittlerweile mit Spuren befassen, die vor ein paar Jahren noch gar nicht sichtbar waren. Wenn das dazu führen kann, diese Spuren bei einer neuen Durchsuchung zu finden und neu zu bewerten, kann es dazu führen, einen Täter zu fassen.
Einen Tatort so zu reinigen, dass keine Spuren mehr zu finden sind, das ist nach heutiger Sicht fast unmöglich. Noch Jahre danach kann eine gezielte Suche nach speziellen Spuren noch Ergebnisse liefern, die dann im Rahmen einer kriminaltechnischen Auswertung zum Erfolg führen.
Wir sind heute in der Lage, Spuren in der Größe von einer Hautschuppe so auszuwerten, um damit das DNA-Profil eines Menschen festzustellen. Deshalb ist es nicht abwegig, sich so einen Ort auch nach Jahren noch mal anzuschauen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass nach vier Jahren noch eine Leiche gefunden wird?
Vier Jahre sind ein großer Zeitraum. Es gibt aber andere Fälle, die zeigen, dass auch nach Jahrzehnten noch Fälle aufgeklärt werden und Überreste von getöteten Menschen gefunden werden. Das heißt, die kriminalistische Hoffnung besteht weiter und wir sind mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft optimistisch, zu einem Aufklärungsergebnis zu kommen. Auch wenn es kein schönes Ergebnis im Sinne einer lebenden Person ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Yasser Speck, rbb|24.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.04.2023, 19:30 Uhr