BSR-Vergärungsanlage in Berlin
Weniger Plastiktüten und mehr Speiseabfälle in der Biotonnne wünscht man sich in der Vergärungsanlage der Berliner Stadtreinigung - zum Start einer neuen Kampagne der BSR hat Hans Ackermann die Anlage in Berlin-Ruhleben besucht.
Fast die Hälfte des Bioabfalls landet in Berlin immer noch in der schwarzen Restmülltonne, obwohl in fast jedem Hof eine braune Biotonne direkt daneben steht. Mit ihrer neuen Informationskampagne "Was lange gärt, wird endlich gut" will die Berliner Stadtreinigung jetzt nicht nur die Sammelquote erhöhen, sondern auch die Qualität des organischen Abfalls verbessern.
Verarbeitet wird dieser beispielweise in der Ruhlebener Biogasanlage. An der "Ablade" herrscht um die Mittagszeit Hochbetrieb. Im Minutentakt fahren große Mülllaster mit geöffneter Heckklappe rückwärts heran. Vollautomatisch öffnet sich ein Rolltor und ein hydraulischer "Stempel" im Inneren des Fahrzeugs drückt 10 bis 15 Tonnen Bioabfall heraus, der nach unten in die Sortierhalle fällt. Danach schließt sich das Tor schnell wieder, denn der organische Abfallberg verströmt einen kräftigen Geruch.
In der Halle verteilt ein großer Bulldozer den Abfall auf ein breites Förderband, das in eine riesige, langsam rotierende Siebtrommel mündet. Deren Öffnungen lassen anorganische "Störstoffe" hindurchfallen, darunter nicht nur Steine: "Hier ist unsere Bestecksammlung", erzählt BSR-Sprecher Thomas Klöckner mit Blick auf einen offenen Container direkt unter der Trommel. "Wir haben hier Messer, Gabeln, Löffel, und viele Deckel von Schraubgläsern - Metall, das wir ausschleusen müssen."
Das organische Material, das in der Trommel verbleibt, gelangt zu weiteren ausgeklügelten Sortiermaschinen. Am Ende entsteht ein fein gehäckseltes Substrat, das in zwei Fermentern landet - Schwimmbecken-große "Bioreaktoren", die mit jeweils 2.000 Tonnen organischer Substanz befüllt das Herz der Anlage bilden.
Die Fermenter erzeugen pro Jahr mehrere Millionen Kubikmeter Biogas, dazu entstehen am Ende des Prozesses 40.000 Tonnen flüssiger organischer Dünger und 20.000 Tonnen fester Kompost. Die Anlage wird rund um die Uhr betrieben, sagt Betriebsleiter Wilhelm Winkelmann. "Die Anlage läuft '24/7', an Weihnachten und Ostern, an Silvester und Neujahr", erzählt der Maschinenbau-Ingenieur. "Deshalb müssen wir gucken, dass wir immer ausreichend Material in der Halle und im Pufferspeicher haben. Damit die Anlage immer gefüttert wird."
"Gefüttert" ist für diese Anlage der richtige Ausdruck, denn hier sind tatsächlich lebende Organismen mit großem Appetit am Werk. Und genau deshalb, sagt Winkelmann, dürften in den braunen Biotonnen auch ruhig noch viel mehr Speisereste enthalten sein. "Diese Küchenabfälle, die jetzt zum großen Teil noch im Restmüll landen, sind für die Biogasanlage ganz toll. Denn sie enthalten Fette. Diese Fette mögen die Bakterien in den Fermentern und sie machen daraus sehr viel Biogas."
Aus einer Tonne organischem Gartenabfall - mit Laub, Gras und Pflanzenschnitt, rechnet der Betriebsleiter vor, entstünden etwa 40 Kubikmeter Biogas. "Bei den Speiseresten aber sind es über 160 Kubikmeter Gas pro Tonne." Anders als im Garten - wo Essensreste auf dem Komposthaufen bekanntlich ungeliebte Nagetiere anlocken - kann und soll die Biotonne mit sämtlichen organischen Abfällen befüllt werden. Denn je gehaltvoller das Substrat in den beiden Fermentern, desto mehr Gas entsteht hier.
Durch ein kleines Sichtfenster lässt sich im Inneren der Fermenter die grau brodelnde Masse beobachten, die rund um die Uhr von jeweils acht leistungsstarken elektrischen Rührwerken durchmischt wird. Ein zähes Substrat, das Betriebsleiter Winkelmann mit einem "Kuhfladen" vergleicht. "Dieses breiige Material verhält sich wie Hefeteig, mit Blasen, die sich ausbreiten. Deswegen rühren wir das Material, um diese Gasblasen auszutreiben."
Bei exakt 53 Grad produzieren die Bakterien in den luftdichten Fermenter-Becken pro Stunde etwa 700 Kubikmeter Rohbiogas. Es sammelt sich oben unter dem Dach der Reaktoren, strömt über je eine Leitung nach außen und wird in der Höhe in einem einzigen Rohr zusammengefasst - das sich draußen am Gebäude an diesem kalten Wintertag angenehm warm anfühlt.
Durch das Rohr gelangt das 56-prozentige Rohgas unterirdisch zu einer großen Speicherkuppel, wird gereinigt und verwandelt sich schließlich in hochwertiges 98-prozentiges Biomethan. Pro Jahr speist die Anlage gut drei Millionen Kubikmeter in das Berliner Gasnetz ein. Mit dieser Menge werden rund 165 Müllfahrzeuge betankt, wodurch sich etwa 2,5 Millionen Liter Diesel einsparen lassen, erzählt Betriebsleiter Winkelmann.
Insgesamt wird in Deutschland ein seit Jahren steigender Prozentsatz des Energiebedarfs aus Bioabfall gewonnen. "Bioabfall ist eine Energie-Ressource", sagt Silke Karcher. Die promovierte Ingenieurin für Umwelttechnik ist Staatssekretärin für Umwelt- und Klimaschutz in der Berliner Senatsverwaltung und hat gerade die Kampagne "Sparen mit der Biotonne" gestartet. "Die Erkenntnis, damit zur Energieversorgung beizutragen, kann helfen, dass mehr Leute ihren Biomüll in die richtige Tonne tun."
Natürlich könne man allein mit Biogas nicht die gesamte Gasversorgung der Stadt sicherstellen, sagt Karcher. "Aber beim Klimaschutz und bei der Energiesicherheit ist eben jeder Beitrag wichtig." Man dürfe keinen Stein unumgedreht lassen. "Da muss man jede Zitrone ausquetschen."
Mit Blick auf ihre Kampagnen wünschen sich sowohl Senatsverwaltung als auch BSR einen kräftigen Zuwachs bei der Sammelquote. Die Vergärungsanlage in Ruhleben, sagt Betriebsleiter Winkelmann, könnte ihren jährlichen Durchsatz von derzeit rund 75.000 Tonnen sicher noch um zehn Prozent steigern.
Insgesamt sei die Anlage allerdings für einen Mischbetrieb aus Gartenabfällen und Speiseresten konzipiert. Falls die Kampagnen zu einer deutlichen Zunahme des Bioabfalls führen und im Stadtgebiet künftig deutlich mehr Speiseabfälle gesammelt würden, könnte sich der Betriebsleiter eine zweite Anlage vorstellen, für deren Standort der Bezirk Pankow im Gespräch ist.
Dieses Vorhaben, bestätigt Staatssekretärin Silke Karcher, sei "im gültigen Berliner Abfallwirtschaftskonzept" tatsächlich vorgesehen. In eine konkrete Planung könne man aber erst gehen, "wenn die dafür notwendigen Abfallmengen" tatsächlich auch zusammenkommen. Daran arbeite man jetzt mit der Kampagne, so Karcher. "Und wenn wir in Berlin da hinkommen, wo wir hinwollen und es schaffen, in Berlin so viele Bioabfälle zu sammeln, wie es eigentlich möglich und nötig wäre, dann werden wir auch diese zweite Anlage brauchen."
Beide Kampagnen enthalten den ausdrücklichen Hinweis, den organischen Abfall idealerweise in Papiertüten zu sammeln. Denn Plastiktüten, sagt Betriebsleiter Wilhelm Winkelmann, stören bei der Abfallverwertung. Weniger bei der Biogas-Erzeugung, aber immer dann, wenn die mächtigen Rührwerke das Substrat an das Ende der Fermenter transportiert haben und "Phase 2" beginnt.
"Aus dem Bioabfall machen wir einen Flüssigdünger und einen Kompost. Diese Folienschnipsel aus den Plastiktüten gehen in den Kompost und wandern in einem kleinen Prozentsatz in die Natur. Und dort dauert es sehr lange, bis sie zerfallen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Berliner diese Folien nicht in den Bioabfall tun."
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.04.2023, 10:25 Uhr
Beitrag von Hans Ackermann
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