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Quelle: dpa/M. Bahlo

Interview | Gutachter setzen Aquadom-Scherben zusammen

"Es ist wie ein Puzzlespiel"

Warum ist der riesige Aquadom in Berlin geplatzt? Die Antwort könnte in einer Lagerhalle bei Bad Belzig gefunden werden, dort werden die Scherben aneinandergelegt. Kunststoff-Experte Christian Bonten erzählt im Interview von der Detektivarbeit.

rbb|24: Herr Bonten, wie ist es für sie, den Aquadom zu begutachten?

Christian Bonten: Jeder Schadensfall hat etwas Trauriges. Dieser Fall ist jedoch besonders traurig, da so viele Tiere dabei verendet sind. Und auch, weil der Aquadom so wunderschön war.

Zur Person

Sie sind Experte für Kunststoffe. Woraus bestand der Aquadom?

Der Aquadom bestand aus Acrylglas, auch bekannt unter dem Markennamen "Plexiglas". Acrylglas ist eigentlich ein Baustoff, der lange Zeit sehr stabil bleibt.

Gibt es vergleichbare Kunststoff-Konstruktionen, die Sie begutachtet haben?

Nein, ein so großes Aquarium gibt es natürlich nicht so oft. Besonders ist auch, dass das Materialversagen beim Aquadom so plötzlich eintrat – so etwas habe ich noch nie erlebt.

Die Bruchstücke wurden aus Berlin in eine Lagerhalle im Landkreis Potsdam-Mittelmark gebracht. Was passiert in der Halle?

Wir machen ein Puzzlespiel. Wir rekonstruieren, an welcher Stelle welche Scherbe im Aquadom war. So versuchen wir an den Bruchkanten zu erkennen, wie die Brüche verlaufen sind. Der Sinn dahinter ist, zu erkennen, wo der Schaden begonnen hat. Das ist nicht so einfach.

Wir müssen bedenken, dass der Aquadom erst zerplatzt ist, dann sind die Scherben auf den Boden geknallt und anschließend sind sie durch das Wasser umhergeschleudert worden. Es gibt also viele Schäden, die erst im späteren Verlauf passiert sind. Wir suchen aber den Primärschaden.

Dafür bauen Sie den Aquadom wieder auf?

Nein, senkrecht aufstellen tun wir ihn nicht. Der Aquadom war 16 Meter hoch. Der Aufwand, die Scherben in der Luft schweben zu lassen, wäre enorm. Die Einzelteile wiegen gut und gerne 50 Kilo. Und es sind rund 600 Acrylscherben in verschiedenen Größen. Wir bleiben also am Hallenboden.

Quelle: dpa/M. Bahlo

Wie kann man sich das vorstellen?

Beim Aquadom handelt es sich um einen Zylinder - eine sehr einfache Form. Deswegen rekonstruieren wir ihn zweidimensional. Als würde man den Zylinder ausrollen und auf dem Hallenboden ausbreiten.

Also wirklich wie ein Puzzle zuhause.

Ja, man fängt am Rand an und arbeitet sich anhand der Bruchkanten vor. Zudem ist die Zylinderwand am unteren Rand dicker, nach oben hin wird sie dünner. Das kommt uns entgegen.

Wie weit sind Sie mit der Rekonstruktion?

Die Untersuchung läuft zwar seit Wochen, bisher haben wir aber nur einen Teil des Aquariums rekonstruieren können. Deswegen bremse ich mich auch, selbst Aussagen zu treffen. Gute Detektivarbeit erfordert es, erst mal alle Fakten zusammenzutragen und dann erst in eine Richtung zu lenken. Wenn wir jetzt schon unseren Blickwinkel einschränken würden, wäre das unprofessionell.

Quelle: dpa/M. Bahlo

Gibt es erste Hinweise auf eine Ursache für das Zerbersten?

Wir gehen aktuell sieben Schadenshypothesen nach. Die arbeiten wir nach und nach ab und schauen, welche Hypothese wahrscheinlicher und welche unwahrscheinlicher wird. So schränken wir uns immer weiter ein. Aber für eine Aussage ist es noch zu früh.

Gibt es schon Ursachen, die Sie ausschließen?

Wir schließen nichts aus. Allerdings war schon früh in der Presse von einem "Ermüdungsbruch" die Rede. Ermüdung findet statt, wenn es Schwingung gibt. Daher ist der Begriff hier für mich falsch gewählt.

Bei Kunststoffen sprechen wir von Alterung. Wir schauen besonders darauf, wie das Material nach 20 Jahren aussieht. Auch die Fügenähte des Acryl-Zylinders betrachten wir genau.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Janek Kronsteiner.

Sendung: rbb24, 10.05.2023, 13:00 Uhr

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