Renaturierungsprojekt in Berlin
Die Panke ist Berlins viertgrößter Fluss - jetzt soll sie auf 17 Kilometern renaturiert werden. Dafür muss wieder Strömung her und auch richtige Flussschleifen im Wedding sind geplant. In Sachen Wasserqualität sind dem Projekt allerdings Grenzen gesetzt. Von Maren Schibilsky
Reinhard Müller kennt jede Biegung der Panke. Mit Kescher und Wathose steht der Berliner Hydrobiologe mitten im Fluss und dokumentiert die Artenvielfalt. Er ist Spezialist für die kleinen wirbellosen Bewohner - alle vier Jahre führt er für die Berliner Senatsverwaltung ein Monitoring an der Panke durch. Die entspringt bei Bernau und fließt 20 Kilometer durch Berlin bis ins Nordhafenbecken.
Die Renaturierungspläne für die Panke findet Müller gut. Von den Berliner Flüssen habe die Panke das größte Potenzial: "Gerade kurz nach der Quelle bei Bernau, in den Pölnitzwiesen bei Buch, wo die Panke noch schöne Auenwiesen hat und die Wasserqualität gut ist."
Doch auch hier könnte die Artenvielfalt größer sein, sagt Müller. Mit seinem Kescher fischt er Köcherfliegen- und Libellenlarven aus dem Wasser, dazu Bachflohkrebse. Auch ein Stichling ist mit dabei. In seiner Wasserwanne wimmelt es vor Leben, trotzdem würde er in so einem naturnahen Gewässer noch mehr Arten erwarten, sagt er."Mal schauen, was die Renaturierung bringt."
Die Baumaßnahmen für die Renaturierung plant Katrin Vietzke in der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt. Die Pläne gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren für die Panke. 2015 verschwanden sie allerdings erstmal in der Schublade, weil sich der Abfluss der Panke änderte.
Die Berliner Wasserbetriebe leiteten damals gereinigtes Abwasser aus dem Klärwerk Schönerlinde vom Tegeler See in die Panke um. Damit sollte verhindert werden, dass das Wasserwerk Tegel – und damit das Trinkwasser - durch Arzneimittelrückstände belastet wird, das auch in gereinigtem Abwasser in Berlin immer enthalten ist. Über die Panke wurde es über Spree, Havel und Elbe ins Meer abgeleitet. Die Panke führte dadurch plötzlich aber viel mehr Wasser und die Renaturierungspläne mussten diesen größeren Wassermengen angepasst werden. Jetzt geht es endlich los.
Katrin Vietzke steht an der Mündung der Panke in das Nordhafenbecken. Hier bereiten Schwimmbagger alles für eine große Fischtreppe vor, die in diesem Jahr noch fertig werden soll. Rund 1,7 Millionen Euro wird das Bauwerk kosten. Es soll Wanderfischen den Aufstieg vom Nordhafenbecken in die Panke erleichtern. Diese Elemente seien wichtig, um die Durchgängigkeit der Panke für Fische und Kleinstlebewesen zu ermöglichen, sagt Vietzke: "Wir hatten hier einen Absturz von etwa drei Meter Höhe. Das schafft ein Fisch nicht, wenn er stromaufwärts schwimmen möchte."
Ein paar hundert Meter die Panke aufwärts am Erika-Hess-Eisstadion zeigen sich die Grenzen der Renaturierung im Stadtgebiet: Hier fließt die Panke in einem betonierten und kanalartigen Flussbett, ihre Ufer sind bebaut. Um trotzdem etwas Struktur in den Fluss zu bringen, hat Katrin Vietzke mit Steinen gefüllte Drahtkörbe am Flussgrund verankern lassen: "Die sorgen dafür, dass das Wasser seine Fließrichtung wechselt." Das Wasser schlängelt sich jetzt in S-Form von Drahtkorb zu Drahtkorb, auf denen sich erste Wasserpflanzen ansiedeln. Dadurch entstehe überhaupt erst Strömung, sagt Vietzke: "Das schafft Anreize für Fische und Kleinstlebewesen sich flussaufwärts zu bewegen."
Da wo Platz ist, soll sich die Panke auch wieder durch die Landschaft schlängeln. Geplant ist das in den Pölnitzwiesen bei Buch, aber auch im Soldiner Kiez im Wedding. Hier gibt es in der Nähe der Stockholmer Straße eine große Wiese, wo der Fluss künftig in Schleifen durchgeführt werden soll.
Hydrobiologe Müller begrüßt solche Pläne. Dadurch werde die Panke wieder dynamisch, könne über die Ufer treten und artenreiche Mini-Auen mitten in der Stadt schaffen, sagt er. Seiner Meinung nach könnte die Berliner Senatsverwaltung bei der Panke-Renaturierung weniger technischen Aufwand betreiben und mehr auf die Natur setzen: "Die Gewässer werden technisch schön hergestellt und dann kommt der Wasser- und Bodenverband und pflegt wieder alles zu Tode. Gehölze am Rand und auch Totholz im Wasser sollte man ruhig zulassen."
Um die Artenvielfalt in der Panke zu stärken, muss sich laut Müller künftig auch die Wasserqualität im Stadtgebiet ändern. Den die etwas anspruchsvolleren Arten benötigten nicht nur eine gute Gewässerstruktur, sodern auch eine gute Wasserqualität. "Hier ist der limitierende Faktor die Wassergüte, weil das Klärwerk Schönerlinde gereinigtes Abwasser einleitet. Im Sommer, wenn wenig natürliches Wasser aus dem Quellgebiet nachfließt, haben wir teilweise zu 100 Prozent gereinigtes Abwasser in der Panke. Das ist eine Situation, die sehr wenige Arten verkraften."
Katrin Vietzke dämpft deshalb auch zu hohe Erwartungen an den Artenschutz. Schließlich fließt die Panke durch eine Millionenmetropole. Für sie ist wichtig, dass der Fluss für viele Berlinerinnen und Berliner auch erlebbar wird. Mehr als zehn Jahre wird die Renaturierung der Panke wohl noch dauern und rund 40 Millionen Euro kosten.
Sendung: rbb24 Abendschau, 26.05.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Maren Schibilsky
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