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Audio: rbb24 Inforadio | 25.05.2023 | Jessica Wiener | Quelle: dpa/Christoph Soeder

Debatte um "Letzte Generation"

Berliner Senat will "sehr konsequent" gegen Klima-Blockierer vorgehen

Ist die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung oder nicht? Mit dieser Frage befassen sich nicht nur Justizbehörden in Bayern und in Berlin. Auch in der Politik wird heftig diskutiert, ob die bundesweite Razzia gegen die Gruppe angemessen war.

Die bundesweite Großrazzia gegen Mitglieder der "Letzten Generation" hat in Berlin und Brandenburg eine neue Debatte über den Umgang mit den Anhängern der Klima-Protestgruppe entfacht.

Im Abgeordnetenhaus verurteilte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner am Donnerstag die Straßenblockaden der Klimaschutzgruppe Letzte Generation scharf. Es müsse dafür gesorgt werden, dass diese Blockaden ein Ende haben, verlangte der CDU-Politiker. Viele Berlinerinnen und Berliner seien nach seiner Einschätzung mittlerweile wirklich genervt. "Sie sind nicht genervt vom Klimaschutz, sondern sie sind genervt von diesen Aktionen", so Wegner. "Wir sagen klar Ja zum Klimaschutz, aber Nein zu diesen Aktionen."

Fragen und Antworten

Was die Razzia um die "Letzte Generation" bedeutet

Bei einer Razzia um die "Letzte Generation" wurden Konten eingefroren und die Homepage offline genommen. Um wie viel Geld geht es? Wie arbeitet die Aktivistengruppe nun und müssen Spender mit juristischen Folgen rechnen? Einige Fragen und Antworten.

Wegner sprach sich nicht für klares Nein zu Selbstjustiz aus

Wegner unterstrich, dass dem Senat ein klimaneutrales Berlin wichtig sei. "Ich würde gerne viel häufiger über Klimaschutzmaßnahmen sprechen, über die Klimaziele, die wir erreichen wollen, als ständig über diese gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr, über die Sachbeschädigungen, die wir derzeit haben." Wegner weiter: "Wir werden nicht länger zulassen, dass einige wenige dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen, und einige wenige diese Stadt in den Stau legen." Der Senat wolle "sehr konsequent dagegen vorgehen" und prüfe dazu weitere Maßnahmen.

Ein klares Nein zu Selbstjustiz durch empörte Autofahrer gegen die Aktivisten wollte Wegner sich aber auch durch mehrere Nachfragen in einer Fragestunde des Berliner Abgeordnetenhaus nicht abringen lassen. Die Antwort übernahm dann die SPD-Innensenatorin Iris Spranger: Die Berliner sollten warten, bis die Polizei kommt. Straftaten gegen Klimaaktivisten würden genauso verfolgt wie gegen die Protestierer selbst.

Innenausschussvorsitzende uneins mit SPD-Innensensatorin

Unterdessen warf die Vizefraktionschefin der SPD im Abgeordnetenhaus und Vorsitzende des Innenausschusses, Melanie Kühnemann-Grunow, der bayerischen Staatsanwaltschaft vor, mit der Razzia am Mittwoch über das Ziel hinausgeschossen zu sein.

Kühnemann-Grunow räumte am Donnerstag im rbb24 Inforadio allerdings ein, dass die Gruppe die Aktion provoziert hat. Wahrscheinlich gehe es der "Letzten Generation" aber genau darum, zu provozieren. Dennoch sei das Ziel der Gruppe, für den Klimaschutz einzustehen nicht kriminell, so Kühnemann-Grunow. Sie rief dazu auf, mit den Demonstranten zu sprechen - zum Beispiel darüber, wie Berlin klimaneutral werden kann.

Innensenatorin Spranger widersprach ihrer Parteikollegin. Sie werde sich nicht mit Straftätern an einen Tisch setzen.

Brandenburger CDU-Landeschef befürwortet Razzia

Mit einer Razzia waren Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwochmorgen gegen die Klimaschutzgruppe vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Aktivisten bestreiten vehement, kriminell zu sein.

Brandenburgs CDU-Landeschef Jan Redmann hatte die Durchsuchungen am Mittwochabend verteidigt. Redmann sagte in einem rbb24 spezial, es habe Angriffe auf Braunkohletagebaue gegeben, auf die PCK-Raffinerie in Schwedt und den Flughafen BER. Die Gruppe gehe organisiert vor. Ihre Teilnehmer verabredeten sich zu Straftaten, so Redmann. Was sei das, wenn nicht eine kriminelle Vereinigung, fragte er rhetorisch.

Interview | Protestforscher über "Letzte Generation"

"Die Frage ist sicherlich, ob sich das Festkleben auf Dauer abnutzen wird"

Fast täglich legen die Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" den Verkehr auf Berlins Straßen lahm. Sie kleben sich mit den Händen an Straßen und Autos fest. Was ist von dieser Protestform zu halten? Fragen an den Soziologen Vincent August.

Justizsenatorin nennt Aktionen "irritierend" und "unverantwortlich"

Ob es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handelt, lässt derzeit auch Berlins neue Justizministerin Felor Badenberg (parteilos) prüfen. Die Blockade-Aktionen der Aktivisten bezeichnete Badenberg als "irritierend" und "unverantwortlich". "Wer trägt die Verantwortung, wenn da jemand zu spät ins Krankenhaus kommt?", so Badenberg gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Wir als Gesellschaft können es nicht gutheißen, dass hier Menschen mittels Gewalt ihren Willen durchsetzen wollen, ich finde das absolut unverantwortlich."

Natürlich sei es gut, dass sich junge Menschen für Politik interessieren, auf die Straße gehen und demonstrieren würden. "Was mich bei der 'Letzten Generation' irritiert, ist die gewählte Protestform. Ich finde es belastend, dass die Aktivisten andere Menschen mittels Gewalt - im juristischen Sinne - tagtäglich nötigen."

Weiter kritisierte die Senatorin: "Es gibt Menschen, die ihre Kinder nicht pünktlich von der Kita abholen können, nicht zu ihren pflegebedürftigen Eltern gelangen bis hin zu Geschäftsleuten, die Termine nicht wahrnehmen können, Flüge verpassen, finanzielle Einbußen haben." Viel wichtiger sei für sie aber die Tatsache, "dass unter anderem Rettungswagen und Feuerwehrwagen behindert werden und verspätet eintreffen", sagte Badenberg. "Wir hatten Fälle, bei denen es unter anderem einen Verdacht auf Schlaganfall gab mit Atemnot und Herzbeschwerden und bei denen der Rettungswagen circa 26 Minuten später eingetroffen ist."

Klimagruppe kündigt Ausweitung der Proteste an

Die bundesweite Razzia hat derweil laut Angaben der "Letzten Generation" von Donnerstag eine Welle der Unterstützung ausgelöst. Die Gruppe sei seit "gestern stärker als je zuvor", schrieb die Klimaschutzgruppe in einer Mitteilung. Nach den Durchsuchungen hatten die Aktivisten in vielen Städten zu Protestmärschen, unter anderem in Berlin und München, aufgerufen. Die Demonstration in der Hauptstadt am Mittwochabend sei die größte bislang gewesen, hieß es weiter. Mehrere hundert Teilnehmer waren gekommen.

Zudem habe die Gruppe viele Spenden erhalten und kündigte an, ihre Proteste wie geplant auszuweiten. "Wir merken, dass ganz, ganz viel Unterstützung gerade kommt. Wir wachsen und wir werden unseren Protest weiter ausweiten, weil wir machen das ja nicht zum Spaß", sagte Raphael Thelen, Aktivist der "Letzten Generation", am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin".

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.05.2023, 13:00 Uhr

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