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Video: rbb|24 Abendschau | 16.05.2023 | Norbert Siegmund | Quelle: dpa/S.Kahnert

Interview | Urteil Grünes Gewölbe

"Das der Bevölkerung zu vermitteln, wird schwer fallen"

Wegen einer Absprache mit der Staatsanwaltschaft Dresden sind die Juwelendiebe des Grünen Gewölbes zu vergleichsweise milden Freiheitsstrafen verurteilt. Der Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel über den ausgehandelten Deal.

Wegen des Juwelendiebstahls aus dem Grünen Gewölbe hat das Landgericht Dresden fünf Männer aus dem Berliner Remmo-Clan verurteilt. Einige von ihnen haben Geständnisse abgelegt und Teile der Beute zurückgegeben - wenn auch teils stark beschädigt. Wegen ihrer Kooperation verhängten die Richter Freiheitsstrafen zwischen vier Jahren und vier Monaten und sechs Jahren und drei Monaten. Zur Vereinbarung gehört auch, dass sie nicht sofort ins Gefängnis kommen.

Dem Vorsitzenden der Vereinigung Berliner Staatsanwälte Ralph Knispel fällt es schwer, diesen Deal der Bevölkerung und auch Polizistinnen und Polizisten zu vermitteln. Knispel äußerte sich im rbb24 Inforadio bereits vor der Urteilsverkündung.

Zur Person

rbb24: Herr Knispel, womit rechnen Staatsanwälte in Berlin heute?

Ralph Knispel: Wir rechnen damit, dass die Urteile so ausfallen werden, wie das vorher vereinbart worden ist, der Fairness halber muss man anmerken, dass dieser sogenannte Deal, das heißt die Absprache, nicht nur von den Verteidigern und Verteidigerinnen, sondern tatsächlich dann im Zusammenwirken mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft getroffen worden ist. Und das wird jedenfalls nach unserer Einschätzung in der Bevölkerung mindestens große Verwundung hervorrufen.

Hinzu kommt noch, die Täter werden heute zunächst auf freien Fuß kommen. Sie müssen ihre Strafe erst später antreten, auch das ist Teil des Deals. Welches Signal sendet das Landgericht Dresden da?

Das wird ein Signal aussenden, dass sich sehr negativ auswirken kann. Natürlich muss man eines sehen, so eine Verfahrensabsprache ist grundsätzlich bei sachgerechter Anwendung von Vorteil. Hier allerdings muss man sehen, dass von einem Geständnis die Rede war - und Geständnis heißt nicht etwa allumfassend, insbesondere Dritte belastend, sondern das heißt nur, dass man die eigene Tatbeteiligung mit einigen wenigen Worten dürftig wiedergibt, ohne Dritte zu belasten. Die Diebesbeute wurde in einem teils erheblich beschädigten Zustand zurückgegeben. Das Signal, das von solch einer Vereinbarung ausgeht, das kann durchaus nachteilig sein.

Wie ist das zustande gekommen? Mitglieder der Remmo-Familie haben in Berlin eine Sparkasse gesprengt. Sie haben Geldtransporter überfallen. Zwei der Männer wurden schon wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Bode-Museum verurteilt. Fällt so etwas bei weiteren Straftaten nicht ins Gewicht?

Es fallen nur die Umstände ins Gewicht, die rechtskräftigen Urteilen zugrunde liegen. Das heißt, wenn die jetzt auch in diesem Verfahren Angeklagten bereits rechtskräftig verurteilt worden wären und dann zwischen Urteil und Rechtskraft diese Tat begangen hätten, dann würde sich das strafverschärfend auswirken. So aber entspricht es leider einer rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeit. Wenn Personen sich freien Fußes bewegen dürfen, ist das nicht dafür gedacht, dass sie sich andernorts an Straftaten beteiligen, aber sie dürfen sich natürlich grundsätzlich andernorts bewegen.

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Wie erklären Sie das einem Normalbürger, der sich Tag für Tag an Recht und Gesetz hält?

Das der rechtstreuen Bevölkerung zu vermitteln ist sicherlich eine ganz schwierige Aufgabe. Ob ich der gerecht würde, vermag ich nicht zu beurteilen. Das werden aber die entsprechenden Stellen in Dresden zu tun haben. Und natürlich wird die Bevölkerung zur Kenntnis nehmen, dass hier Straftäter, zum Teil auch schon einschlägig bekannt und verurteilt, im Rahmen einer solchen Absprache, mit solchen Sanktionen zu rechnen haben.

Die nächste Frage, die gestellt werden wird, dass es bei Personen die haftverschont sind, sie sich zunächst im sogenannten offenen Vollzug stellen. Ob dann tatsächlich hinterher, je nach Strafhöhe eine Verbüßung im offenen Vollzug oder im geschlossenen Vollzug standfindet, das wird erst geprüft werden müssen. Aber es ist für die Verurteilten natürlich von unschätzbarem Vorteil, wenn sie sich freien Fußes im sogenannten offenen Vollzug stellen können. Das der Bevölkerung zu vermitteln, das wird schwer fallen.

Wird diese Großfamilie nun Auftrieb bekommen? So nach dem Motto: Wir kommen mit allem durch.

Das wird solchen Kreisen Auftrieb geben. Und das Verhalten sowohl gegenüber der Polizei als auch in den Gerichten oder der Staatsanwaltschaft wird sich mindestens noch offensiver darstellen als schon zuvor.

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Und was macht das mit der Polizei, wenn die sehen, die Täter marschieren heute zur Tür hinaus?

Ich glaube, da muss man gar nicht in die berühmte Glaskugel schauen, um sich vorstellen zu können, was das bei der Polizei auslösen wird. Denn gerade bei der Polizei haben sie natürlich das ganz große Problem, dass sie auf der Straße, wenn sie mit solchen Personen konfrontiert sind, sich ganz anderen und schwerwiegenderen Problemen ausgesetzt sehen als die Justiz.

Polizeibeamte werden in ihrer Arbeit behindert, mindestens verbal, wenn nicht sogar manchmal auch körperlich. Und wenn dann bestimmte Kreise in diesem kriminellen Milieu solch eine Auftrieb erhalten, wird das das Verhalten gegenüber Polizeibeamtinnen und Beamten noch einmal verschärfen. Und wir können uns lebhaft vorstellen, dass natürlich auch in der Polizei die Frustrationstoleranz erheblich geschwächt werden wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Dahl für rbb24 Inforadio. Der Text ist eine gekürzte und redigierte Version. Das ganze Interview ist oben im Artikel als Audio eingebunden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.05.2023, 07:05 Uhr

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