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Tangentialverbindung im Osten Berlins
Seit Samstag demonstrieren Umweltschützer in der Wuhlheide gegen den Bau der Tangentialverbindung im Osten Berlins. Bislang ist allerdings noch nicht einmal das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Von Philipp Rother
Umweltschützer demonstrieren in der Wuhlheide in Berlin-Oberschöneweide gegen die sogenannte Tangentiale Verbindung Ost (TVO). Sie haben Bäume besetzt, Baumhäuser errichtet und in luftiger Höhe Hängematten gespannt. Die Baumbesetzer wollen nach eigenen Angaben mit der Aktion verhindern, dass für den Bau der Entlastungsstraße im Bezirk Treptow-Köpenick etwa 15,8 Hektar Wald gerodet werden.
Die Tangentiale soll künftig im Osten Berlins Biesdorf mit Köpenick verbinden. Der nördliche und südliche Abschnitt des Verkehrsweges ist als Märkische Allee und Spindlersfelder Straße schon in Betrieb.
Das Mittelstück steht nun im Fokus. Der Abschnitt soll teils durch die Wuhlheide führen und die Lücke zwischen Märkischer Allee und der Straße An der Wuhlheide schließen. Dadurch sollen unter anderem die Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick vom Durchgangsverkehr entlastet werden. Die zuständige Senatsverwaltung plant mit Gesamtkosten von 351 Millionen Euro für die rund 6,5 Kilometer lange, vierspurige Straßenverbindung.
Anwohner fordern seit Jahren den Lückenschluss, weil sich der Verkehr vor ihren Haustüren staut. Insbesondere die Köpenicker Straße, die Treskowallee und die Straße Am Tierpark sollen entlastet werden. Der Bau hat sich allerdings immer weiter verzögert. Schon zu DDR-Zeiten vor über 60 Jahren gab es erste Planungen.
"Wir werden die Planungen und den Bau der Tangentialverbindung Ost (TVO) vorantreiben, das heißt, das Planfeststellungsverfahren erfolgreich abschließen und noch in dieser Legislaturperiode mit dem Bau der TVO beginnen", heißt es nun im aktuellen Berliner Koalitionsvertrag von CDU und SPD. Bis 2026 soll demzufolge also zumindest mit dem Bau begonnen werden. Weitere Details sind im Koalitionsvertrag nicht niedergeschrieben.
Die Vorgänger-Koalition hatte zudem eine Schienen-TVO (Nahverkehrstangente) und eine parallele Radschnellstraße geplant. Dazu stehe im aktuellen Koalitionsvertrag "kein Wort", kritisiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Auch deshalb lehne die Umwelt- und Naturschutzorganisation den Bau der TVO ab.
Das Geld müsse angesichts der Klimakrise in Maßnahmen für den klimaneutralen Umbau Berlins fließen, forderte Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin. Darüber hinaus würde die Tangentialverbindung die bestehende Flora und Fauna in der Wuhlheide stark beeinträchtigen.
Im Januar dieses Jahres hatten Meike Niedbal, zu der Zeit noch Staatssekretärin für Mobilität, und der Leiter der Tiefbauabteilung der Senatsverwaltung Lutz Adam bei einer Bürgerversammlung über den aktuellen Stand der Planungen und das weitere Vorgehen informiert.
Sie verkündeten [vgdn.de], dass im dritten Quartal 2023 die Planungsunterlagen bei der zuständigen Anhörungsbehörde eingereicht werden sollen. Damit würde das Planfeststellungsverfahren beginnen. Im frühesten Fall ist das nach zwei Jahren abgeschlossen. Danach könnte die Umsetzung des Projekts beginnen.
Der damalige Senator für Stadtentwicklung Andreas Geisel (SPD) sprach in dem Rahmen vom "bedeutendsten Stadtentwicklungsprojekt im Osten der Stadt".
Mittlerweile liegt die Behörde im Verantwortungsbereich der CDU, die TVO wird aber weiter als "ein wichtiges, lange geplantes Straßenneubauprojekt" gesehen. Das teilte Sara Lühmann, die Sprecherin der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, dem rbb auf Nachfrage mit.
"Wie bei anderen Infrastrukturbaumaßnahmen wird auch diese Maßnahme Eingriffe in die Natur mit sich bringen", konkretisierte Lühmann: "Die Planung der TVO wurde bewusst in einem aufwändigen Verfahren mit insgesamt zehn verschiedenen Trassenkorridoren immer wieder optimiert, um im gesamten Gebiet und in der Wuhlheide die Eingriffe so gering wie möglich zu halten."
Die vorliegende Vorzugsvariante sei die Variante "mit den geringstmöglich vertretbaren Eingriffen für Natur und Grundstücke". Die Eingriffe würden nun überwiegend in den Randbereichen der Waldgebiete stattfinden. Zum zeitlichen Rahmen äußerte sich die Sprecherin nicht.
Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) kämpft seit mehr als 15 Jahren für den Bau der TVO. Sein Ziel ist es, die Siedlungsgebiete im Südosten Berlins vom stark gewachsenen Autoverkehr zu entlasten.
"Die Grünen hatten zuletzt den Fuß auf der Bremse", sagte der Vizepräsident des VDGN, Peter Ohm, dem rbb am Montag. Mit der CDU stehe nun eine Partei in der politischen Verantwortung, die zu 100 Prozent für die Tangentiale sei. Die Aufnahme in den Koalitionsvertrag sei ein deutliches Zeichen.
Es habe auch schon vor der Wahl von Kai Wegener ein klares Signal von ihm gegeben, fügte Ohm hinzu: "Die Politik kennt das Thema seit Jahren, mit wenigen Ausnahmen sind alle für die Straße." Dennoch rechnet er mit Klagen. Darauf sei die Politik aber vorbereitet.
Der Klimapolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Ferat Koçak, ist gegen den Bau der Entlastungsstraße: "Alle reden von einer klimafreundlichen Stadt und doch soll dieses Wahnsinns-Projekt durchgezogen werden. Bis zu 15,8 Hektar, also 22 Fußballfelder, wertvoller Wald sollen zerstört, Bodenfläche versiegelt und der motorisierte Individualverkehr ausgebaut werden." Zuvor hatte die Linke bereits bemängelt, dass im Koalitionsvertrag nur die Straßen-TVO Thema sei.
Dazu verwies Ohm auf die Tatsache, dass der Radschnellweg mittlerweile in den Planungen der TVO integriert sei. Daher müsse er nicht gesondert erwähnt werden. Zudem sei auch eine Trasse für den Bahnverkehr eingeplant worden. Straße und Schiene könnten aber nicht miteinander verknüpft geplant werden.
Am Montagnachmittag hielten sich noch rund 30 Personen im Camp südlich des S-Bahnhofes Wuhlheide auf, zu Hochzeiten waren es 100 bis 200 Menschen. Das teilte ein Sprecher der Berliner Polizei dem rbb auf Nachfrage mit. Es sei bis dahin alles friedlich verlaufen. Die Polizei sei nicht permanent vor Ort, hieß es weiter. Im Rahmen der "Streifentätigkeit" schaue sie aber "regelmäßig vorbei".
Wie es nun in der Wuhlheide weitergeht, muss nach Angaben des Polizeisprechers der Hausrechtsinhaber - also die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz - entscheiden.
Am Montagabend wollten Vertreter des Forstamtes und der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz das Waldstück begehen und sich ein eigenes Lagebild machen. "Die Gegebenheiten werden auch in den kommenden Tagen weiter durch die Berliner Forste beobachtet und bewertet", ergänzte Lühmann. Die Umweltschützer rechnen derweil mit der Räumung des Camps am Dienstag. Das teilten sie auf Twitter mit. Sie wollen den Wald freiwillig erst verlassen, wenn der Bau vom Tisch ist.
Sendung: rbb24 Abendschau, 15.05.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Philipp Rother
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