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Quelle: rbb24/Abendschau

"Happy Go Lucky"-Hostel in Berlin-Charlottenburg

Diese Geschichte und Interessen stehen hinter der bunten Smiley-Fassade

Seit Jahren streiten sich Bezirksamt und der Eigentümer des "Happy Go Lucky" Hostels über seine bunt gestrichene Fassade. Grau soll sie werden, urteilte jetzt ein Gericht. Doch bisher hat niemand zum Pinsel gegriffen. Von Bernadette Huber

Der Fall um die bunte Hostel-Fassade in der Nähe des S-Bahnhof-Charlottenburgs emotionalisiert. Das Bezirksamt möchte, dass die künstlerische Fassade grau oder beige gestrichen wird. Seit fast zehn Jahren. Mit dem letzten Urteil sah es so aus, als ob aus bunt nun wirklich grau würde. Doch noch scheint der Fall nicht endgültig geklärt.

Damals, vor elf Jahren...

Der Rechtsstreit reicht zurück bis ins Jahr 2012, als der Eigentümer Alexander Skora die Fassade orange streichen ließ und ein Schriftzug darauf die Internetadresse des Hostels zeigte. Das Bezirksamt forderte die Entfernung wegen der "unzulässigen Werbung" - um Farbe ging es damals noch nicht - und gewann einen ersten Rechtsstreit.

2016 beauftragte Hauseigentümer Skora den irischen Street-Art-Künstler Dom Browne damit, die Fassade zu besprühen. Seitdem ist das Haus am Stuttgarter Platz ein buntes Kunstwerk aus Smileys, Pilzen, imperialen Sturmtruppen aus den "Star Wars"-Filmen und Porträts von Jack Nicholson, Kurt Cobain und Bruce Lee. Der Schriftzug wurde in "Happy Go Lucky Hearts" ohne Internetadresse geändert. Damit könne nicht mehr von Werbung die Rede sein, hieß es damals von Skora.

Das Bezirksamt bot an, diese Gestaltung zu dulden, falls sie regelmäßig gepflegt werde. Gutachter sollten alle fünf Jahre prüfen, ob etwas aufgefrischt werden müsse. Der Kompromiss scheiterte, weil Skora eine Kostenbeteiligung des Bezirks verlangte und sich auch weiteren Spielraum in der Gestaltung offen halten wollte: "Das Bezirksamt führt sich auf wie eine Zensurbehörde eines totalitären Staates und erinnert an Repressalien gegen Künstler in Staaten wie Nordkorea, China oder Russland.", so Skora damals. Auch im aktuellen Interview mit rbb|24 steht er zu diesem Zitat.

Antrag auf Berufung vor OVG scheitert

Es folgte eine "Beseitigungsanordnung" des Bauamts Charlottenburg-Wilmersdorf in 2016, nachdem das Amt auf die Fassadengestaltung aufmerksam gemacht wurde. Die Anordnung sei die Folge einer amtlichen Prüfung gewesen, bei der herausgekommen war, dass die Gestaltung sowohl gegen das Denkmalschutzrecht als auch gegen das baurechtliche Verunstaltungsverbot verstößt, sagt heute der aktuelle Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU) im Interview mit rbb|24.

Skora klagte dagegen. Das Berliner Verwaltungsgericht urteilte 2020 für eine Beseitigung der bunten Fassade, auch die Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg endete Ende März mit dem Ergebnis, dass die Fassade "grau oder beige" werden müsse. Dieses Zurückweisen des Antrags auf Zulassung von Berufung ist rechtlich kaum noch anfechtbar. Doch Skoras Anwälte sind noch aktiv.

Am vergangenen Montag war die Frist für Skora mitzuteilen, ob er der Anordnung selbst nachkommen werde, verstrichen. Von Seite des Bezirksamtes hieß es zunächst, dass in den nächsten Tagen deshalb wohl eine "Ersatzvornahme" festgesetzt werde, so Stadtrat Brzezinski. Das heißt, das Bezirksamt beauftragt selbst eine Firma mit den Malerarbeiten. Wie lange die Auftragsvergabe in der Verwaltung dauert und die Fassade tatsächlich grau wird, sei zeitlich aber noch nicht abzusehen.

Bezirksbürgermeisterin lädt ein

Nach Aussage von Skora standen er und das Amt seit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Mailkontakt. Jetzt hat die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Kristin Bauch, Skora und einen Partner zum Gespräch eingeladen und schreibt "Wir möchten sehr gerne Ihre Sichtweise hören und weitere mögliche Schritte besprechen."

Wie weit kann der Rechtsstreit führen?

Nach deutschem Recht ginge es für Skora und seine Hausfassade natürlich theoretisch auch noch mit einer Verfassungsbeschwerde weiter. Darauf angesprochen sagt Skora "Da wollen wir keinen mehr weiter mit belästigen." Und fragt sich, warum sich überhaupt so viele Menschen schon damit beschäftigen mussten und warum so viel Geld ausgegeben wurde. Er selbst sähe sich in seiner Rolle nicht als provokativ, so Skora.

Allerdings habe sein ebenfalls vom Amt eingeladener Partner vor, eine Schadensersatzklage aus den USA zu starten. Der US-Amerikaner Alan Wolan, CEO einer Marketing-Firma, hatte in der Zwischenzeit alle Verwertungsrechte an dem Kunstwerk erworben. Wolan und Skora kennen sich schon seit mindestens 2000. Damals war Wolan Geldgeber für ein von Skoras entwickeltes Reality-Fangspiel für Erwachsene.

Falls er in den USA klagen würde, müssten US-Gerichte nach ihrem Rechtsverständnis entscheiden, ob sie zuständig sind. Eine entsprechende Entscheidung sei aber nicht automatisch in Deutschland durchsetzbar, so Clemens Adori, Berliner Rechtsanwalt und Urheberrechtler im Interview mit rbb|24.

Wenn das Land Berlin von dem Rechteinhaber auf Schadensersatz verklagt wird, weil überstrichen wurde, könnte sich laut Adori der Anspruch aber auch schnell gegen Skora selbst richten, der mit zu verantworten hat, dass diese Fläche gar nicht für ein Kunstwerk zur Verfügung stand.

Eine eigene politische Agenda und Kapital

In diesem Fall ist der Eigentümer auch selbst gesellschaftspolitisch aktiv. 2021 wollte Sokra Berliner Regierender Bürgermeister werden, gründete eine Partei und warb mit dem Slogan "zieht Berlin die Zwangsjacke aus" [berlinbrains.com]. Berlin verglich er in einem Interview mit "Südkorea an der Spree".

Exemplarisch sei für ihn an diesem Fall dass "die Behörden in Berlin so viel Druckmittel ausüben, dass die Leute normalerweise klein bei geben." Alles, was man in den Amtsstuben für richtig halte, werde auch durchgedrückt. "Manchmal klappt's und manchmal auch nicht."

Wie viele Immobilien Skora besitzt, teilt er auf Nachfrage nicht mit. Drei größere Mehrparteien Häuser sind es mindestens. Der Unternehmer unterhält eine Firma, die ausgewählte Start-ups finanziert und hatte 2017 überlegt, die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin zu übernehmen.

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