Interview zum Muttertag
In diesem Mai jährt sich der "Muttertag" zum 100. Mal. Wirtschaftswissenschaftlerin Heike Pantelmann sagt, es sei nicht verkehrt, Müttern an diesem Tag zu danken. Aber es brauche eigentlich mehr als eine kleine Nettigkeit.
Seit 100 Jahren wird in Deutschland der Muttertag gefeiert, immer am zweiten Sonntag im Mai. Der Ursprung dieses Tages liegt allerdings in den USA. Die Amerikanerin Anna Marie Jarvis (1864-1948) wollte das Engagement ihrer Mutter ehren - diese hatte sich für eine bessere medizinische Versorgung von Müttern und Kindern eingesetzt. Im Jahr 1908 initiierte Jarvis zu Ehren ihrer verstorbenen Mutter am zweiten Maisonntag ein Gedenkgottesdienst. Sechs Jahre später machten die USA diesen Tag dann zu einem nationalen Feiertag.
rbb: Frau Pantelmann, worum ging es ursprünglich bei dieser Mütterbewegung in den USA? Und was ist davon heute noch übrig?
Heike Pantelmann: Ursprünglich hat die Initiatorin das starke Anliegen gehabt, ihrer eigenen Mutter zu danken. Das wurde dann von Kirchen und Frauenvereinen aufgegriffen und es gab dann Lobbyarbeit für diesen Tag, der in den USA seit 1914 offiziell ein Feiertag ist. Was davon übrig geblieben ist: Heute ist das sehr viel Kommerz, vor allen Dingen in den Blumenläden und in anderen Geschäften.
Andererseits ist es ja auch was Schönes, der Mutter Danke zu sagen. Ist das noch zeitgemäß aus ihrer Sicht?
Ja. Ich denke, es ist auf jeden Fall noch zeitgemäß. Wir wissen ja, wenn wir auf die Zahlen zur Elternzeit gucken und auf die Zahlen zur Aufgabenverteilung in Haushalten bei unbezahlter Mehrarbeit, dass Mütter tatsächlich das Gros der Arbeit übernehmen. Insofern ist es nicht verkehrt, der Mutter zu danken. Ich finde aber ehrlich gesagt, dass ein Blumenstrauß oder ein bisschen Schokolade als Dank vielleicht etwas zu kurz greifen. Ich würde mir eher sozialpolitische Maßnahmen wünschen, die sich auch in den Portemonnees der Mütter niederschlagen.
Es gibt ja noch den 8. März, den internationalen Frauentag. Der wird meistens kämpferisch begangen. Da geht es um Geschlechtergerechtigkeit, Bezahlung, soziale Rechte und so weiter. Ist das der bessere Muttertag?
Das muss vielleicht auch jede Mutter für sich selbst entscheiden. Ich würde sagen, der kämpferische Impetus macht bestimmt einen Unterschied. Nur dankbar die Blumen entgegennehmen und nichts fordern - das ist nicht so mein Ding. Da würde ich mir wirklich mehr kämpferische Arbeit wünschen.
Aber hätten Sie eine Idee, was man an diesem Muttertag ändern könnte? Braucht es vielleicht Verbände, die sich da einschalten? Oder müssen die Mütter selbst rebellischer werden?
Verbände, die da sich einschalten, gibt es ja: Das sind vor allen Dingen Wirtschaftsverbände. Ich sehe die Aufgabe eher bei der Politik und vielleicht auch bei den Müttern selber. Und vielleicht auch bei den Vätern - warum nicht? Wir haben es in der Pandemie gesehen: Mütter sind sehr belastet in der Gesellschaft, weil sie diese unbezahlten Arbeiten übernehmen. Und das muss irgendwie honoriert werden. Ihre Stimmen müssen gehört werden.
Wäre es nicht vielleicht angebracht, aus dem Muttertag einen Familientag zu machen? Es geht ja nicht nur um die reine Mutterschaft, sondern auch um das Verhältnis zum Nachwuchs. Und da gehören doch auch die Väter dazu. Glückliche Mütter gibt es - nicht ausschließlich - aber doch oft, wenn auch die Familie funktioniert ...
Ich bin da ein bisschen kritisch. Die Zahlen sagen es einfach: Es sind die Frauen, die den Großteil der Erziehungsarbeit übernehmen. Aber natürlich könnte man am Muttertag auch darauf aufmerksam machen, dass Väter ihren Anteil leisten. Das wäre zum Beispiel auch diese politische Note, die ich mir wünschen würde.
Gibt es andere Länder, in denen der Muttertag etwas mehr Wumms hat als in Deutschland?
Das ist mir nicht bekannt. Aber wenn wir in die DDR zurück gucken, dann ist es ja so, dass der Muttertag gar nicht so eine große Rolle spielte, sondern der 8. März gefeiert wurde. Aber da wurden dann auch Blumen geschenkt ... es ist halt immer die Frage, wie ein solcher Feiertag begangen wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Daniel Ingold für rbb24 Inforadio.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.05.2023, 08:20 Uhr
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