Berlin und Brandenburg
635 Menschen sind 2022 in Berlin und Brandenburg hitzebedingt gestorben - viel mehr als üblich. Dass Hitze eine echte Gefahr ist, haben viele noch nicht realisiert. Gefährdet sind vor allem bestimmte Gruppen.
Die Zahl der hitzebedingten Sterbefälle in der Region Berlin-Brandenburg hat 2022 extrem zugenommen. Das meldet das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg auf Nachfrage von rbb24-Recherche.
Demnach sind im vergangenen Jahr in Berlin 416 und in Brandenburg 219 Menschen hitzebedingt ums Leben gekommen. Die Zahl liegt mehr als viermal so hoch wie der Durchschnitt von 98 Hitzetoten in Berlin und 59 in Brandenburg im vorherigen Zeitraum seit 1985.
Das Amt für Statistik ermittelt die Zahlen, indem es die Zahl der Hitze-Tage mit der Übersterblichkeit in diesem Zeitraum in Relation setzt. Als Hitzetage gelten Tage mit einer 24-Stunden-Durchschnittstemperatur von mehr als 23 Grad. Im vergangenen Jahr betraf das in Berlin 23 Tage, in Brandenburg 15.
Wenn mehrere Hitzetage aufeinander folgen, steigt die Übersterblichkeit besonders. Dann sind besonders kleine Kinder, Alte und vorerkrankte Menschen, beispielsweise mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Atemproblemen, gefährdet. Das Statistikamt verzeichnet seit 2010 einen merkbaren Anstieg von hitzebedingten Sterbefällen, was als Folge des veränderten Klimas in der Hauptstadtregion gewertet wird.
Die Werte für das Jahr 2022 sind allerdings kein Höchstwert in Bezug auf Hitzetote. Die meisten - 877 in Berlin und 362 in Brandenburg - hat es im Hitzejahr 1994 gegeben. Auch 2020 war die Region von einem besonderen Hitzesommer betroffen, die Todeszahlen aus diesem Jahr sind aber wegen der hohen Übersterblichkeit aufgrund der Corona-Pandemie wenig aussagekräftig.
Angesichts der erwarteten Zunahme von Hitzewellen sollen die Menschen in Berlin besser über die zugehörigen Gesundheitsrisiken aufgeklärt werden. Tipps und Hinweise dazu sollen unter anderem auf Postkarten, Flyern, Spots in der U-Bahn und auf Werbebannern zu finden sein, wie das Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin am Montag mitteilte.
Empfohlen werden etwa ausreichende Trinkmengen, leichte Kost, Abkühlung durch lauwarmes Duschen und regelmäßige Pausen. Erreicht werden sollen vor allem die besonders gefährdeten Menschen über 65.
Das Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin, das hinter der Kampagne steht, war vor rund einem Jahr von der Berliner Ärztekammer, der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) sowie der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege initiiert worden.
Auch im Jahr 2023 sei Hitze noch nicht so sehr als Gefahr in den Köpfen verankert, sagte Ärztekammerpräsident Peter Bobbert. "Aber Hitze tötet Menschen, Jahr für Jahr." Die Vielzahl an Hitzetoten sei nicht wahrnehmbar, es gebe auch keine dramatischen Bilder, etwa von überfüllten Krankenhäusern. "Weil der Hitzetod selber ein einsamer, ein stiller ist." Viele Betroffene seien etwa einsame, alleinstehende, pflegebedürftige und vorerkrankte Menschen. Man dürfe nicht denken, dass man nichts tun könne, sagte Bobbert: Vorbeugung sei bei Hitze entscheidend.
"Wir wissen es eigentlich alle: Die Klimakrise ist in Berlin angekommen", sagte Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD). Es gebe viele Stellschrauben, an denen man ansetzen könne: neben einfachen, kurzfristigen Maßnahmen auch längerfristige, etwa ein Stadtumbau mit mehr Grün. Noch sei die Stadt nicht hitzefest.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.06.2023, 16:40 Uhr
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