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Quelle: Ehlert

Interview | Soldat aus liegengebliebenem RE2

"Um einen ernsten Ausgang zu vermeiden, war es richtig, die Türen zu öffnen"

Keine Weiterfahrt, keine Klimaanlage, keine Kommunikation. Nachdem ein Regionalexpress auf freier Strecke liegen blieb, gibt es Diskussionen über das Krisenmanagement der Bahn. An Bord waren auch Bundeswehrsoldaten - einer berichtet über seine Erfahrung.

rbb|24: Die Deutsche Bahn behauptet, der RE2 stand am Sonntag circa 30 Minuten. Sie waren einer von vier Bediensteten der Bundeswehr, die sich in Uniform im Zug befanden. Wie lang dauerte es, von dem Zeitpunkt an, an dem der Regionalexpress liegen blieb, bis die Fahrgäste evakuiert wurden?

Bundeswehrsoldat: Anhand meines Chatverlaufs habe ich so einen groben Anhalt, weil ich mit Freunden und Familien geschrieben habe in der Zeit, in der wir stehen geblieben sind. Das war, glaube ich, so gegen 17:40 Uhr. Da standen wir erst mal eine ganze Weile da ohne Informationen.

Ich hätte schon um 17:20 Uhr in Berlin ankommen sollen. Wir hatten aber so circa 20 Minuten Aufenthalt in Lübbenau, wegen einer defekten Tür. Da ist schon der eine oder andere Passagier ausgestiegen, weil das Gerücht kursierte, das ein anderer Zug kommen sollte. Ich bin aber sitzen geblieben, wie die meisten.

Bis wir dann das Gleisbett überqueren durften, war es 19:20 Uhr. Ich war allerdings im mittleren Teil des Zugs. Hinter mir standen noch sehr viele Menschen, die später evakuiert wurden.

Passagiere verließen Zug auf freier Strecke

Widersprüchliche Angaben über liegengebliebenen Regionalexpress

Nach einem Fahrzeugschaden im RE2 saßen am Sonntag Hunderte Passagiere auf freier Strecke fest und verließen irgendwann den Zug. Die Deutsche Bahn spricht von einem Stillstand von 30 Minuten. Doch Fahrgäste widersprechen.

Wie waren die Bedingungen im Zug? Hat die Klimaanlage funktioniert?

Es war wirklich warm, und ich würde beinahe behaupten, dass die Klimaanlage von Anfang an nicht funktioniert hat. Als ich in Cottbus eingestiegen bin, war es schon warm im Zug. Ich fahre regelmäßig mit dem Zug und bin da anderes gewöhnt. Dementsprechend bin ich der Meinung, dass die Klimaanlage nicht wirklich funktioniert hat, beziehungsweise nur vielleicht die Lüftung an war.

Nach dem Stillstand wurde es stetig wärmer, denn wir standen in der prallen Sonne. Die Bahn war gut ausgelastet. Ich erinnere mich, dass die Lüftung leicht ging, als ich im Flur stand. Da war aber kein Kühleffekt, das hat nur ein bisschen gepustet. Ich habe versucht die Ruhe zu bewahren und alle so ein bisschen beobachtet, weil ich mir Sorgen machte, besonders um die Älteren. Viele wurden rot im Gesicht und auch ich wurde nass vor Schweiß.

Kam irgendeine Durchsage oder jemand von der Bahn, der die Fahrgäste informierte?

Wir standen bestimmt schon 25 bis 30 Minuten bis irgendwann mal die Durchsage kam, dass die Türen geöffnet werden sollen, niemand aber aussteigen darf. Da hatte ich bereits von einem Kameraden erfahren, dass vorne jemand durchgedreht sein soll und die Fensterscheibe einschlagen wollte. Da war die Deutsche Bahn in Zugzwang.

Ich würde behaupten, erst wurden die Türen geöffnet und dann kam die Durchsage, möchte mich aber da nicht festlegen. Die Soldaten haben die Tür, zumindest im vorderen Abteil aufgemacht, um die Lage zu beruhigen. Die Kameraden haben niemanden über den Notruf in der Bahn erreicht und sind dann eigenmächtig ausgestiegen, um sich vorne mit dem Lokführer zu verständigen. Dann kam dieser Austausch: Ok, macht die Türen auf und wir machen eine Durchsage.

Sind die Fahrgäste dann ausgestiegen?

Anfangs verhalten. Ich saß am Fenster und konnte das beobachten. Zwei drei Leute sind erst ausgestiegen, um einfach Platz zu schaffen. Ich bin sitzen geblieben, weil ich mir dann doch schon ein bisschen Gedanken gemacht habe über die älteren Leute.

Alle haben sich Luft zugefächelt. Nach einer weiteren halben Stunde wurde es mir dann sehr warm und ich bin auch ausgestiegen, um Platz zu schaffen und dem ein anderen zu helfen auszusteigen und sich dabei nicht zu verletzen.

Zugverkehr läuft inzwischen wieder normal

Regionalexpress bleibt nahe Wuhlheide auf offener Strecke liegen

Nach einem Fahrzeugschaden im RE2 am Sonntagabend saßen Hunderte Passagiere auf freier Strecke fest. Feuerwehrleute mussten erschöpfte Menschen versorgen. Am Montagmorgen rollt der Zugverkehr wieder nach Plan.

Trafen keine Rettungskräfte ein?

Irgendwann mal kam die Polizei dazu und hat darauf hingewiesen, man solle nicht rauchen, wegen der Waldbrandgefahr, während ich versucht habe, sie darauf hinzuweisen, dass es wohl wichtiger wäre sich um die Leute zu kümmern. Ich weiß nicht, ob es die Berliner Polizei oder die Bundespolizei war.

Die Soldaten sind dann vor den Türen hin und her gelaufen und haben die Menschen gleichmäßig verteilt. Die Polizei ist am Anfang und Ende des Zuges stehen geblieben, um sicher zu gehen, dass niemand auf die andere Seite des Zugs kommt.

Die Deutsche Bahn mahnte, dass die Türen nur von autorisierten Personen geöffnet werden dürfen. Finden Sie das in diesem Fall angebracht?

Um wirklich einen ernsten Ausgang zu vermeiden, war es definitiv richtig, die Türen zu öffnen. Es gab keine offenen Kabel auf den Gleisen. Der Sprung hätte trotzdem gefährlich werden können. Deswegen sind die Soldaten an den Türen stehen geblieben, um den Leuten zu helfen.

Geltendes Recht sollte beachtet werden. Ich finde aber, dass unter besonderer Aufsicht, es richtig war, die Sache dadurch zu deeskalieren. Es waren uniformierte Soldaten an Bord, die die Zivilbevölkerung schützen müssen. Darauf werden wir geschult.

Sie gehören zum Truppenteil Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) und Katastrophenschutz. Wie bewerten Sie die Reaktion der Deutschen Bahn und der Polizei in diesem Fall?

Was diesen Fall betrifft, muss ich sagen, dass der Informationsfluss gar nicht stattgefunden hat. Ich habe die Kontrolleurin zum Beispiel gar nicht gesehen. Und es hätte durchgesagt werden können, wir haben ein Problem mit der Lok. Da muss man schneller reagieren. Ich fand das kontraproduktiv.

Wenn die Polizei und Rettungskräfte bei der Wetterlage, zu einem Einsatz gerufen werden, sollte man darauf vorbereitet sein, dass doch vielleicht der ein oder andere Kreislaufprobleme hat. Das hat man auf jedem Festival und das würde ich bei so einer Besonderheit auch machen.

Als wir über die Gleise gegangen sind, hat uns zudem niemand begleitet. Wir mussten selbständig schauen, wo wir hinmüssen – kranke, alte, gehbehinderte und Familien mit Kindern und Kinderwagen. Nachdem wir übers Gleisbett sind, gab es keine Unterstützung.

Vielen Dank für das Gespräch.

Der Gesprächspartner wurde auf eigenen Wunsch anonymisiert. Der Name ist der Redaktion bekannt.

Das Interview führte Efthymis Angeloudis

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