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Audio: rbb24 Inforadio | 01.06.2023 | Ann Kristin Schenten | Quelle: rbb/Philipp Boerger

Gefahr durch Großbrand

Wie es zur großflächigen Warn-Meldung in Berlin kam - und warum nicht alle sie erhielten

Der Großbrand von Neukölln und vor allem die großflächige Warnung über alle Systeme hat viele Berliner:innen verunsichert. Bei manchen piepten die Handys mehrfach, bei anderen passierte nichts. Warum war das so?

Noch immer ist die Berliner Feuerwehr mit den Folgen des Großbrands in einem Recyclingbetrieb in Neukölln beschäftigt. Die Nachlöscharbeiten würden noch mehrere Stunden in Anspruch nehmen, hieß es am Donnerstag.

Doch viele Berlinerinnen und Berliner beschäftigt vor allem die großflächige Warnung der Feuerwehr über alle gängigen Systeme wie die Apps Katwarn, Nina und Cell Broadcasting am Mittwochabend. Gegen 20:51 Uhr poppte beispielsweise in der Katwarn-App die Meldung auf: "Land Berlin - Berliner Feuerwehr meldet: Großbrand in Berlin Neukölln in einer Lagerhalle für Papierabfälle [...] kommt es zu einer beträchtlichen Rauch- und Geruchsbelästigung [...] Informieren Sie sich in den Medien [...] Schließen Sie Fenster und Türen [...]".

Warnapps alarmierten Bevölkerung

Löscharbeiten nach Großbrand in Neukölln beendet

Nach langwierigen Löscharbeiten hat die Feuerwehr am Donnerstagabend ihren Einsatz auf dem Gelände einer Entsorgungsfirma in Neukölln beendet. Zuletzt wurden noch letzte Glutnester gelöscht. Der Brand hatte zu einer Handy-Warnmeldung geführt.

Menschen in der ganzen Stadt erhielten diese Warnung. So eine breit ausgesteuerte Warnkette habe es laut Feuerwehr in Berlin noch nicht oft gegeben. Schnell wendeten sich viele Berliner:innen über soziale Medien auch an den rbb. So schrieb ein User: "Warum wird da volles Rohr über das Telefon gewarnt, wenn das Feuer schon halb gelöscht ist? War ja bestimmt schon eine Stunde nachdem es die schwarze Rauchwolke gab." Eine andere Userin schrieb: "Große Verwirrung im Edeka ... Menschen starrten sich in die entgleisten Gesichter und suchten ihr Handy in der Tasche. Das war schon seltsam." Andere schrieben, dass sie keine Warnung erhalten hätten.

Warum kam die Warnung am Mittwochabend so spät?

Die Warnung ging, ungefähr eine Stunde nach der ersten Brandmeldung, gegen 20:51 Uhr raus. Die Berliner Feuerwehr begründet das unter anderem mit dem Prozess, der hinter so einer amtlichen Warnung steckt.

Warnungen werden nicht automatisch ausgelöst, wenn zum Beispiel eine Brandmeldeanlage anschlägt, sondern durch menschliche Entscheidungen nach einem Abwägungsprozess und in Kenntnis des Gesamtbilds herausgegeben, betont Sprecher Dominik Pretz.

Nach Auskunft der Berliner Feuerwehr hat die Einsatzleitung vor Ort schließlich die großflächigen Warnungen veranlasst.

Quelle: dpa

Warum hat sie das entschieden?

Die hohe Rauchwolke des Brandes war in weiten Teilen Berlins und auch aus großer Entfernung mit bloßem Auge gut erkennbar. Laut Feuerwehr kamen schon vor der Warnung via Twitter viele Anfragen. Beispielsweise aus Lichtenberg und Hellersdorf fragten User die Feuerwehr an, was denn los sei.

Gleichzeitig wurde in Gesprächen mit dem Neuköllner Recyclingbetrieb klar, dass neben Altpapier auch Farben und Lacke brannten. Daher wurde von der Einsatzleitung dann entschieden, alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle zu nutzen, damit Anwohner Fenster und Türen schließen. Zudem konnte auf diesem Weg die Bevölkerung informiert werden, was los ist, so ein Feuerwehrsprecher gegenüber rbb|24.

Wurde zielgerichtet gewarnt?

Nach Auskunft der Feuerwehr wurde nicht ganz Berlin gewarnt. Mithilfe von Wetter- und Winddaten ist ein Radius um den Brandort in Neukölln errechnet worden, für den dann die Warnung ausgesprochen wurde. Die Feuerwehr nutzt für diesen Prozess spezielle Computersysteme, die dann auch die anliegenden Windrichtungen berücksichtigt.

Die Feuerwehr machte auf Anfrage auch deutlich, dass Rauchgeruch von vielen Menschen als Warnsignal wahrgenommen wird. Rauch versetzt sie in Alarmbereitschaft. Daher nutzt die Berliner Feuerwehr Warnungen auch, um zu informieren. Hier sei es laut Feuerwehrsprecher Dominik Pretz darum gegangen, auch Menschen anzusprechen, die nicht in unmittelbarer Nähe des Brandorts wohnen, damit sie Fenster und Türen schließen.

Zweiter "Warntag"

Bund verschickt Testwarnungen - Meldungen kommen nicht überall an

Auch beim zweiten "Warntag" des Bundes scheinen die Warnmeldungen nicht überall und pünktlich alle Menschen erreicht zu haben. Am Donnerstag sollten die Menschen in Deutschland um 11 Uhr per SMS, App, Sirenen oder Radio eine Testwarnung erhalten.

Welche Warnsysteme werden von der Feuerwehr genutzt?

Die Berliner Feuerwehr nutzt ein abgestuftes System.

Zuerst wird die Presse informiert, die dann entsprechend warnt und informiert.

Auf Stufe zwei können Meldungen über die App-Warnsysteme Katwarn [katwarn.de] und Nina [bbk.bund.de] abgesetzt werden. Hierfür müssen die Apps heruntergeladen und installiert werden. Internetempfang ist für den Empfang der Warnungen Voraussetzung.

Auf oberster Stufe kann Cell Broadcast [bbk.bund.de] eingesetzt werden. Dieses System kann als Reaktion auf die Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal (Nordrhein-Westfalen) seit dem 23. Februar 2023 [bbk.bund.de] auch für den Versand von Warnnachrichten - etwa bei Unwetter, Überflutung oder Rauchentwicklung - auf Mobiltelefone eingesetzt werden. Es ist keine App erforderlich. Die Warnung wird via Handynetz verschickt und erscheint als Nachricht direkt auf den Displays. Bei Eintreffen der Nachricht wird zusätzlich ein Warnton ausgespielt, auch wenn das Handy auf stumm steht.

Bei Cell Broadcast werden die Nachrichten wie Rundfunksignale an alle Geräte gesendet, die das auslesen können. Das passiert aber nur, wenn man sich in den entsprechenden Funkzellen befindet, für den der Warnradius gilt. Wenn nun ältere Mobiltelefone oder Handys mit älteren Betriebssystemen im Einsatz sind, können dessen Besitzer diese Nachrichten nicht erhalten. Deshalb haben auch am Mittwoch nicht alle die Nachricht erhalten.

Ein modernes Smartphone und ein Aufenthalt innerhalb des Warnradius allein garantiert aber noch nicht den Nachrichtenempfang. Voraussetzung ist auch, dass das Handy mit dem Mobilfunknetz verbunden ist. Im Flugmodus kann das Smartphone keine Warnung empfangen. Internetempfang ist für Cell-Broadcast-Meldungen nicht notwendig.

Letztlich kann mit den App-Systemen und Cell Broadcasting ganz Berlin, ein einzelner Stadtbezirk oder in einem definierten Umkreis um den Gefahrenort gewarnt werden. Letzteres fand Mittwochabend Anwendung.

Mehrheit hat keine Katastrophen-Warnapp

Warum habe einige am Mittwoch Warnungen bekommen und andere nicht?

Der Feuerwehr-Einsatzleiter in Neukölln hatte am Mittwochabend entschieden, dass die Rauchwolke so groß ist, dass sie über einen Großteil des Berliner Südens ziehen könnte und deswegen hat man dann großflächig gewarnt.

Warum einige dann aber doch keine Warnung bekommen haben, obwohl sie im betroffenen Gebiet wohnen, muss zwischen Cell Broadcast und den Warn-Apps unterschieden werden.

Nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung erhält die Warnmeldungen von Cell Broadcast. Das hat der Testlauf am Warntag Ende 2022 ergeben, so das Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Das habe mit technischen Rahmenbedingungen zu tun, erklärte eine Sprecherin. Es kann also nicht jede:r Bewohner:in mit Cell Broadcast gewarnt werden.

Wenn Warn-Apps genutzt werden, aber keine Warnungen kommen, liegt das vermutlich an den individuellen Einstellungen. So können die Apps so konfiguriert werden, dass man bei Gefahr am im System angegebenen Standort Push-Nachrichten erhält.

Worauf muss ich denn achten, damit ich in Zukunft auch wirklich gewarnt werde?

Das Handy sollte nicht im Flugmodus oder ausgeschaltet sein. Mobile Daten beziehungsweise Wlan müssen aktiviert sein. Zudem muss auf dem Device das aktuelle Betriebssystem installiert sein.

Bei der Warn-App Nina muss die Standortfunktion aktiviert sein. Die Daten werden dabei nicht an Dritte weitergeleitet. In der App selbst muss noch die Gefahreninformation aktiviert sein, damit man überhaupt benachrichtigt wird. Bei I-Phones muss eingestellt sein, dass man auch im "Nicht stören"-Modus benachrichtigt werden kann. Ein ähnliches Vorgehen verlangen auch Android-Systeme. Hier müssen die Benachrichtigungen in den App-Einstellungen aktiviert werden und den Standort teilen. Bei Katwarn sollte man den Modus "Kritischer Alarm" aktivieren und dafür die Einstellung "Ab Gefahr“ wählen.

Entsprechende Tipps bekommt man auch beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz [bbk.bund.de].

Quelle: dpa

Gibt es auch Entwarnungen?

Bei den Warn-Apps folgt auf die Warnung auch eine Entwarnung. Bei Cell Broadcast sieht das der internationale Standard bisher nicht vor.

Wie sollte auf Gefahrenmitteilungen reagiert werden?

Ganz wichtig: Wenn der Alarm los geht, erst einmal Ruhe bewahren. Dann sollte man prüfen, ob man sich wirklich in der Nähe der kritischen Situation befindet und wie man sich schützen kann, etwa über Medien.

Die breite Warnung der Bevölkerung hat für Verunsicherung gesorgt. Wie reagiert die Berliner Feuerwehr hierauf?

Feuerwehrsprecher Dominik Pretz räumte gegenüber rbb|24 ein, dass für die Bevölkerung keine extreme Gefahr vorlag. Dennoch habe man eine "kritische Gefahrenmeldung" herausgegeben, weil die Bevölkerung reagieren und Fenster und Türen schließen sollte.

Gleichwohl habe die Berliner Feuerwehr die Verunsicherung und den großen Widerhall registriert. Pretz erklärte, dass der Einsatz ganz genau ausgewertet und auch geprüft werde, ob und wie man hätte früher oder anders warnen können oder müssen.

Pretz erklärte zudem, dass in Berlin bislang noch nicht so oft in so großem Rahmen gewarnt wurde, also auch mit dem Einsatz von Cell Broadcast. "Deshalb ist das auch ein Lernprozess. Wir werden uns das ansehen", betonte Pretz.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.06.2023, 17:30 Uhr

Beitrag von Georg-Stefan Russew

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