Superreiche in Berlin
Zu armen Menschen in Berlin ist viel bekannt, zahlreiche Daten dokumentieren ihre Lebensumstände. Für das andere Extrem gilt das eher weniger. Wie die Reichen leben, hat Anna Bordel versucht herauszufinden.
In Berlin ist es nicht sexy, reich zu sein. Verliert man sich nicht aus Versehen in Villengegenden im Grunewald oder in Boutique-Meilen am Kudamm, wird Luxus, sofern vorhanden, von den wenigsten so gezeigt, dass er sofort auffällt. Sind so wenige Menschen in Berlin reich? Oder ist in der Post-post-Wowereit-Ära, in der Berlin nicht mehr "arm aber sexy" sein möchte, Reichsein trotzdem noch nicht angesagt?
Der Versuch, Antworten zu finden, führt über viele Stellen, die in der Hauptstadt von Interesse für Reiche sein könnten: Makler für gehobene Immobilien, exklusive Clubs, Flughäfen und ihre Privatjetbewegungen, das Kaufhaus des Westens und einen Verein, in dem Reiche mehr Steuern für Reiche fordern.
Die Suche nach Antworten bleibt ein Herantasten, manche Erkenntnisse sind dafür überraschend. Zum Beispiel, dass ein Einkommen gar nicht mal extrem hoch sein muss, um in der Statistik als reich erfasst zu werden.
Reich ist laut Amt für Statistik Berlin Brandenburg, wer ein monatliches Netto-Einkommen von mindestens 3.803 Euro hat. Das hatten laut dem Sozialbericht der Behörde im Jahr 2022 knapp neun Prozent der Berliner:innen. Das ist gut ein Prozentpunkt mehr als im Bundesdurchschnitt. Vor 10 Jahren waren es in etwa genauso viele.
Armutsgefährdet oder arm sind der Statistik zufolge dagegen mehr als drei Mal so viele Menschen, nämlich 29,2 Prozent. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als im gesamtdeutschen Vergleich. Vor zehn Jahren waren noch 21,6 Prozent der Berliner:innen arm oder armutsgefährdet.
Während die Zahl der reichen Menschen also konstant geblieben ist, ist die Zahl der armen in den letzten Jahren um fast acht Prozentpunkte angestiegen. Wer arm oder armutsgefährdet ist, hat laut Statistik maximal 1.222 Euro zur Verfügung.
Aber auch bei den Gutverdienenden gibt es Abstufungen, und zwar in reich und superreich. Als superreich gilt, wer im Jahr mehr als 500.000 Euro zur Verfügung hat. Sogenannte Einkommensmillionäre kommen zwar im Sozialbericht nicht vor, wurden aber 2019 zuletzt von der Finanzverwaltung des Senates erfasst.
749 Einkommenmillionär:innen lebten der Senatsfinanzverwaltung zufolge 2019 in Berlin. Die meisten von ihnen wohnen in Charlottenburg und Wilmersdorf, nämlich 209.174 der sogenannten Steuerpflichtigen mit bedeutenden Einkünften haben ihren Wohnsitz in Zehlendorf. Die wenigsten, nämlich weniger als fünf, haben im Wedding ihr Zuhause. Auch in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf leben mit fünf und sechs eher wenige.
In diesen Zahlen sind allerdings noch nicht jene Reiche erfasst, die nicht durch Einkommen, sondern beispielsweise durchs Erben reich geworden sind. Wie viel genau davon in Berlin leben, ist nirgends erfasst.
Die Liste zu den 500 reichsten Deutschen, die jährlich vom "Manager Magazin" herausgegeben wird, gibt aber immerhin einen kleinen Einblick. Unter ihnen sind etwa 33 Superreiche, die zumindest ihren Unternehmenssitz in Berlin haben. Unklar ist, ob sie auch in der Hauptstadt leben. Und: Eine genaue Zahl kann nicht festgestellt werden, da auf manchen Rängen ganze Familien oder mehrere Personen mit jeweils mehreren Wohnsitzen angegeben werden.
Unter den ersten 100 Plätzen taucht Berlin fünf Mal auf, Hamburg dagegen elf und München sogar 14 Mal. Die reichsten Berliner:innen waren 2022 der Liste zufolge Friede Springer und Mathias Döpfner. Ihr gemeinsames Vermögen soll sich auf 3,8 Milliarden Euro belaufen, womit sie auf Platz 50 der Liste landeten.
Es gibt sie also schon, die Superreichen - auch in Berlin. Zu gerne würde man mit einem von ihnen sprechen, sich erzählen lassen, wie das so ist, superviel Geld zu haben, um dann sicher darauf hingewiesen zu werden, dass die Gruppe der Superreichen sehr divers sei und es außer der Masse an Geld kaum Schnittstellen gebe.
Darüber ein Gespräch zu bekommen, ist nicht leicht. Wer dazu etwas zu sagen hätte, tut das in Berlin nicht unbedingt. Mitglieder des Vereins "Taxmenow", die selbst vermögend sind und sich dafür einsetzen, dass die Vermögenssteuer wieder eingeführt wird, sind für einen Plausch über ihre Tätigkeit zu beschäftigt.
Also geht die Suche nach den Superreichen weiter. Mögliche Wohngegenden bieten sich einige an. Villenviertel in Pankow oder Zehlendorf. Aber auch Luxus-Appartements in Charlottenburg oder Mitte sind als Wohnsitze denkbar. Die Bezirke haben eigenen Angaben zufolge nicht erfasst, wie viele Grundstücke oder Wohnungen über dem durchschnittlichen Niveau liegen, was den Wert angeht. Anfragen einiger Immobilienunternehmen wie Engel&Völker, die vor allem im gehobenen Immobiliensektor unterwegs sind, blieben unbeantwortet.
Das Wohnungsportal Immoscout, wenn auch nicht spezialisiert auf exklusive Immobilien, hat immerhin einige Informationen zu Luxusimmobilien herausgeben. "Luxus" heißt bei Immoscout, dass der unmöblierte Quadratmeter beim Kauf mindestens 10.000 Euro, zur Miete mindestens 25 Euro kostet, so Unternehmenssprecherin Johanna Fitschen. Acht Prozent Luxuswohnungen standen ihr zufolge in den letzten Jahren zum Verkauf. Von den Mietwohnungen sind aktuell 31 Prozent luxuriös, im vergangenen Jahr waren es noch 26 Prozent. Insgesamt zeigten die Zahlen Fitschen zufolge, dass vor allem die Angebotsmieten innerhalb des letzten Jahres stark gestiegen sind, um 15 Prozent im Bestand, um 20 Prozent im Neubau.
Interessant auch, ob die Wohnungsinteressenten meist aus Berlin sind oder sich Reiche von anderswo noch eine hübsche Wohnung in der Hauptstadt dazukaufen wollen. Im Falle der Käufer könnte Letzteres laut Immoscoutzahlen zutreffen, im Falle der Mieter eher nicht. 80 Prozent der Mietinteressenten für Luxuswohnungen sind demnach aus Berlin, für günstigere Wohnungen sind es 83 Prozent. Wenn es darum geht, Luxuswohnungen zu kaufen, sind 67 Prozent aus Berlin, bei günstigeren Wohnungen sind es 80 Prozent.
Zugezogene Vermögende sind nicht nur für Berlins gehobene Immobilienszene relevant, sondern auch für die Inhaber der exklusiven Klubs von entscheidendem Interesse. 390 Euro kostet die teuerste Falsche Wein im Capitol Club – ein Rotwein aus Südafrika. Über die Exklusivität eines Clubs entscheidet aber offenbar nicht, wie teuer die Weine dort sind, sondern ob die Informationen dazu auf der Website für jede:n einsehbar sind.
So nicht im China Club Berlin, eigenen Angaben zufolge "Deutschlands prestigeträchtigster Privatclub". Dort können nur Mitglieder mehr über die dort ansässigen Restaurants und die Bar erfahren. Die Mitgliedschaft kostet einmalig 10.000 Euro, für Nicht-Berliner:innen 2.000 Euro weniger. Zahlbar nur, wenn ein Komitee positiv über die Aufnahme entscheidet. Wieso von Nicht-Berlinern weniger verlangt wird, darauf gibt es keine Antwort. Die Clubinhaber des China Clubs melden sich auf eine Anfrage nicht zurück.
2022 waren am sogenannten General Aviation Terminal (GAT) des BER 9.850 Privatjets gestartet oder gelandet, die hauptsächlich von Geschäftsreisenden genutzt werden, wie die Finanzverwaltung des Senats mitteilte. Das waren gut 500 Maschinen mehr als im letzten Jahr vor der Pandemie an den damaligen Flughäfen Schönefeld und Tegel.
Die meisten Flüge gingen demnach nach München, Zürich, Köln/Bonn und Mallorca. Auch am Brandenburger Flugplatz Schönhagen können Privatjets starten und landen. 45.000 An- und Abflüge habe es hier im vergangenen Jahr gegeben. Dazu gehörten allerdings auch Geschäftsreisen, gewerbliche und Ausbildungsflüge, sowie Sportflugzeuge. Wie viele von dort aus wirklich mit ihrem Jet zum Shoppen in eine andere Stadt fliegen, ist nicht erfasst.
Luxuriös shoppen geht ja auch in Berlin, versinnbildlicht in dem Luxuskonsumsymbol der Stadt, dem Kaufhaus des Westens. Erst 2019 eröffnete hier der sogenannten Luxus-Boulevard mit Marken wie Rolex, Dior und Chanel. Nur ein Drittel der Einkäufe wird einer Unternehmenssprecherin zufolge allerdings von Berliner:innen selbst gemacht. Am häufigsten kaufen hier Touristen ein. Dass Berliner:innen eher weniger luxuriös shoppen, wissen offenbar auch einige Marken im oberen Preissegment. Eine "Richard Mille"- Uhr zum Beispiel bekommt man in Nizza, Paris, London und München – nicht aber in Berlin.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.06.2023, 14:00 Uhr
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Beitrag von Anna Bordel
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