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Video: rbb|24 | 17.06.2023 | Tim Jaeger | Quelle: dpa/Thomas Trutschel

Bürgermeister fordert mehr Festnahmen von Dealern

Drogentod von 15-Jähriger beschäftigt Rathenow

In Rathenow ist am Wochenende eine Jugendliche gestorben, nachdem sie Drogen konsumiert hatte. Präventive Angebote gab es bereits zuvor. Jetzt müssten mehr Dealer festgenommen werden, fordert der Bürgermeister. Von Anna Bordel

Die Meldung bewegt Brandenburg: Ein 15 Jahre altes Mädchen aus Rathenow (Havelland) ist am Wochenende im Uniklinikum Brandenburg an der Havel an einer Überdosis gestorben. Das Mädchen sei mit Vergiftungssymptomen am Freitagabend ins Krankenhaus gebracht worden, wie die "Märkische Allgemeine Zeitung" am Montag berichtete. Am Samstagmorgen ist die Jugendliche demnach verstorben. Als Grund wurde multiples Organversagen genannt. Welche Drogen sie genommen hat, ist nicht bekannt.

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Drogenproblem in Rathenow seit Jahren bekannt

Die Staatsanwaltschaft Potsdam bestätigte dem rbb, dass derzeit ein Todesermittlungsverfahren wegen einer jugendlichen verstorbenen Person in Rathenow laufe. "Es besteht der Verdacht auf Tod infolge von Betäubungsmittelkonsum. Die Person ist in einem Krankenhaus verstorben", sagte Hanna Urban, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft. Nähere Angaben wolle sie nicht machen, da es sich um einen jugendlichen Menschen handele, der besonders geschützt werden müsse.

In dem Zusammenhang mit dem Todesfall hätte eine Durchsuchung stattgefunden. Ob dabei das Haus der Verstorbenen oder das eines potenziellen Dealers gemeint sei, war zunächst nicht bekannt.

Bürgermeister fordert mehr Festnahmen

Der Tod des Mädchens scheint kein zusammenhangloser Einzelfall zu sein. Ohne dass es jedes Mal zum Tod käme, ist der Umgang mit Drogen vieler Jugendlicher in Rathenow offenbar alarmierend. "Die Drogen sind da in der Stadt, das ist seit vielen Jahren bekannt. Wir stellen uns dem Thema", sagt Jörg Zietemann (parteilos), Bürgermeister von Rathenow, dem rbb.

Aus dem Todesfall leitet er für sich und auch für die Arbeit der Polizei Handlungsbedarf ab: "Da ist ein junges Mädchen gestorben und sie ist einfach eines zu viel", sagt Zietemann. Die Stadt könne verstärkt präventive Arbeit an Schulen leisten, "Dealer festnehmen" könne sie aber nicht, da sei die Polizei gefragt. Und genau das sei jetzt erforderlich: "Die Stadt braucht mehr Festnahmen", sagt Zietemann.

Chemische Drogen sind oft günstig, weil sie gestreckt sind

Nehmen Jugendliche in Rathenow im Vergleich zu Menschen in anderen Ortschaften besonders viele Drogen? "Ich glaube, dass Drogen ein bundesweites Thema sind, nicht nur in Rathenow", sagt Bürgermeister Zietemann dazu. Notfallsanitäter Rayk Sommer und Streetworker André Neid, beide aus Rathenow und Mitglieder des Facharbeitskreises Sucht und Drogen, sehen das ebenfalls so. "Wir haben hier den Fokus darauf", sagt Sommer, deshalb falle das Thema in Rathenow so sehr auf. Was nicht heißt, dass der Konsum nicht gravierend ist. "Unter Jugendlichen ist Kiffen das, was bei mir früher Rauchen war. Kiffen ist Trend", sagt Streetworker Neid.

Das sei ein Problem. Schlimmer sei aber etwas anderes und zwar die chemischen Drogen: Speed und verschiedene Varianten von MDMA. "Die sind im Vergleich zu anderen Drogen spottbillig, häufig, weil sie gestreckt sind – sei es mit Zementanteilen, Rattengift oder Glasteilen – das ist sehr gefährlich", so Notfallsanitäter Sommer.

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Drogen im Schulumfeld

Er möchte verstärkt mit Schulen arbeiten, so Sommer, damit Jugendliche schon im Grundschulalter das Thema Drogen kennenlernen und wissen, was da auf sie zukommen kann, in ihrem Leben, wie er es beschreibt. Dass Drogen im Schulumfeld eine Rolle spielen, ist auch in einer Facebook-Gruppe "Leben in Rathenow" nachzulesen. Einige Eltern erzählen dort, dass ihre Kinder bereits Drogenerfahrungen gemacht haben und Dealer sich häufiger in der Nähe von Schulen aufhalten würden.

Die Eltern mit einzubinden sei wichtig, so Sommer. Sie müssten zum Beispiel wissen, auf welche Alarmsignale man achten müsse. "Wenn Kinder sich verändern, sie besonders aufgedreht oder schläfrig sind oder rote Augen haben, können das Anzeichen sein", sagt er. Dann sei es wichtig, nachzufragen.

Weiteres Mädchen nach Drogenkonsum gestorben

Um die präventive Arbeit zu koordinieren, tritt Christoph Seide ab August die Stelle als Suchtpräventivkoordinator in Rathenow an. Sein Job ist es, alle Betroffenen für das Thema Drogenkonsum zu sensibilisieren und miteinander zu vernetzen.

Dass nicht nur Rathenow betroffen ist, zeigen weitere aktuelle Fälle. In Mecklenburg-Vorpommern endete der Drogenrausch mehrerer Jugendlicher am Wochenende für ein 13 Jahre altes Mädchen ebenfalls tödlich [ndr.de]. Es verstarb am Montag im Klinikum Neubrandenburg. Eine 14-Jährige sei zudem laut Polizeiangaben nach wie vor in einem kritischen Zustand. Die Jugendlichen sollen "Blue Punisher"-Pillen geschluckt haben, eine starke Variante von Ecstasy.

Vier Tatverdächtige wurden der Polizei zufolge am Dienstag festgenommen – wegen Handels mit Betäubungsmitteln und der Weitergabe an Minderjährige. Gegen einen Verdächtigen ist am Dienstag ein Haftbefehl erlassen worden.

Ob es einen Zusammenhang zwischen den Fällen in Neubrandenburg und dem in Rathenow gibt, untersuchen Ermittler eigenen Angaben zufolge.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 27.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Anna Bordel

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