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Quelle: dpa/D.Heese

Erdwärme zum Heizen

In Berlin wird an mehreren Orten 4,5 Kilometer tief gebohrt

Tief unter Berlin schlummern enorme Wärmevorkommen, die zum Heizen von Wohnungen und Bürogebäuden genutzt werden könnten. Mit kilometertiefen Bohrungen sollen diese Schichten nun erreicht werden.

Wenn es um klimafreundliche Energieversorgung geht, ist Erdwärme schwer angesagt - auch in Berlin und Brandenburg. In der Erdkruste ist Wärme gespeichert, die ihr beispielsweise mithilfe von Erdwärmepumpen entzogen werden kann. Die Ausbeute kleinerer Anlagen ist jedoch begrenzt und reicht oft nur für einzelne Haushalte, denn die Temperaturen in einer Tiefe von bis zu 400 Metern bleiben überschaubar: zwischen 8 und 20 Grad Celsius. Dann braucht es viel Technik, damit die Heizung am Ende richtig heiß wird.

Fragen und Antworten

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Je tiefer, desto wärmer

Wird aber tiefer gebohrt, wird es interessanter. "Je tiefer man kommt, desto wärmer wird es", erklärt die Geologin Magdalena Scheck-Wenderoth vom Geoforschungszentrum Potsdam. "Es wird im Schnitt drei Grad pro hundert Meter Tiefe wärmer." In solchen Regionen sei die Energie-Ausbeute aus dem dort zirkulierenden heißen Grundwasser deutlich höher.

Interessant für eine direkte Nutzung - also ohne dass eine Pumpanlage Wärme "sammelt" - seien Temperaturen ab 50 Grad Celsius, sagt Magdalena Scheck-Wenderoth. Für die Stromerzeugung sind demnach mindestens 100 Grad Celsius nötig. Doch dafür muss tief in den Untergrund gebohrt werden - sehr tief sogar: Abhängig von der lokalen Geologie müssten 2.000 bis 4.000 Meter überwunden werden, um in der Region Berlin-Brandenburg "Hot-Spots" zu erreichen, erklärt die Geologin.

In Potsdam wurde beispielsweise an der Heinrich-Mann-Allee etwa zwei Kilometer tief gebohrt. Geplant ist, so ein Neubauviertel mit rund 700 Haushalten mit Wärme versorgen zu können [potsdam.de].

Drei Bohrungen in Berlin geplant

In Berlin sind in Untersuchungen 13 potenzielle Standorte für Bohrungen ausgemacht worden. Federführend sind dabei die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt sowie lokale Nah- und Fernwärmenetzbetreiber. Aus diesen 13 Orten sollen nun drei ausgewählt werden, an denen Pilotprojektet starten, wie die Pressereferentin der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Constanze Siedenburg, rbb|24 mitteilte. Die Ergebnisse sollen bis Ende Juni vorliegen. Die Bohrungen könnten dann voraussichtlich Ende 2024 bzw. Anfang 2025 erfolgen, so die Senatssprecherin.

Bohrungen langwierig

Wie lange es dauert, ein Loch von rund vier Kilometern Tiefe zu bohren, kann dabei vorab nicht genau gesagt werden, erklärt Scheck-Wenderoth. "Ein alter Bergmannsspruch besagt: 'Vor der Hacke ist es duster.' Man hat eine Vorstellung, worin man bohrt - es kann aber auch Überraschungen geben. Sie sehen jetzt bei der Potsdamer Bohrung, wie lange es gedauert hat". Bei der Bohrung an der Heinrich-Mann-Allee war kurz vor Weihnachten mit der Bohrung begonnen worden - erst nach einem halben Jahr war man auf knapp zwei Kilometer Tiefe.

Das Bohrloch selbst ist nach Expertenaussagen eher unscheinbar. "Es ist überschaubar, vielleicht 20 bis 50 Zentimeter", sagte Magdalena Scheck-Wenderoth. "Aber so eine Bohrung ist sehr teuer. Ein Bohrkilometer kostet gerne mal anderthalb bis zwei Millionen Euro." Der Berliner Senat hat für die drei Probebohrungen sechs Millionen Euro aus dem Innovationsfond bereitgestellt.

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Hohes finanzielles Risiko

Bisher liegen für den tiefen Untergrund von Berlin nur sehr wenige Daten vor, weshalb das sogenannte Fündigkeitsrisiko sehr hoch ist. Damit gemeint ist das Risiko, viel Geld in eine Bohrung zu stecken - am Ende aber nur eine schlechte oder gar keine nutzbare Wärmequelle zu erwischen. "Es gibt keine Garantie, wirklich geeignete Bereiche zu finden, deshalb gibt es auch keine Versicherung, die das Risiko abdeckt", erklärt die Geologin Magdalena Scheck-Wenderoth. Die Gefahr einer nicht ausreichenden Temperatur oder Wasser-Fördermenge habe die kommerzielle Entwicklung bisher gehemmt.

Andererseits ist bekannt, dass es unter Berlin und Brandenburg große Salzvorkommen gibt. Diese erhöhen die Chance, sogenannte "Sweet Spots" zu finden - also gut geeignete Orte. "Salz ist doppelt bis dreimal so wärmeleitfähig wie andere Gesteine und beeinflusst die Temperaturverteilung im Untergrund", sagt die Geologin Magdalena Scheck-Wenderoth. "In Berlin und Brandenburg ist das Salz an machen Stellen bis zu vier Kilometer mächtig. Über den Salzschichten ist es superwarm, wenn darüber noch weitere, isolierende Schichten liegen."

Pilot-Bohrungen sollen künftige einfacher machen

Der Senat verfolgt mit seinen Investitionen in die Bohrungen nun im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen soll mit den Pilotprojekte erforscht werden, wie gut die tiefengeothermische Wärmeversorgung in der Region möglich ist. Die Bohrungen sollen aber gleichzeitig auch den geologischen Kenntnisstand erhöhen, um das Fündigkeitsrisiko künftiger Projekte zu reduzieren, wie Pressereferentin Constanze Siedenburg sagt.

Geothermie und Erdwärme sind keine neuen Energiethemen. Bereits in den 1980er Jahren wurde mit der "Geothermischen Heizzentrale" ein Pilotprojekt in Waren (Müritz) gestartet. Es war das erste Projekt in Ostdeutschland. Die Energiekrise durch den russischen Krieg gegen die Ukraine machte das Thema Energieversorgung sichtbarer. "Wir tragen das Thema schon sehr lange an die Politik", sagt Magdalena Scheck-Wenderoth. "Wenn es um Geothermie geht, denkt man nicht in zwei, drei oder fünf Jahresscheiben, sondern man muss in 20 Jahresschreiben denken, viel länger als eine Legislaturperiode." Dass das Thema jetzt erst an Fahrt aufnehme, sei "bedauerlich, weil die Energie vorhanden ist, und zwar in rauen Mengen. Die Erde ist irre heiß!"

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Beitrag von Sebastian Hampf

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