Bahnverkehr zwischen Deutschland und Polen
Immer mehr Menschen reisen über die deutsch-polnische Grenze. Auch der Güterverkehr zwischen den beiden Ländern nimmt seit Jahren zu. Aber im Gegensatz zu Polen kommt der Schienenausbau hierzulande kaum voran. Woran liegt das? Von Philip Barnstorf
Es gibt nicht nur schlechte Nachrichten von der Deutschen Bahn: Ab Freitag fährt der Kulturzug wieder von Berlin nach Breslau. Mit an Bord: Schriftsteller und Musiker aus beiden Ländern, die den Fahrgästen in Lesungen, Quizzen und Musikstücken deutsche und polnische Kultur näher bringen.
Der Zug überquert die Grenze am sächsischen Bahnhof Horka. Das Besondere daran: Es gibt dort eine Oberleitung. Das ist sonst nur am Übergang im brandenburgischen Frankfurt (Oder) der Fall. Die restlichen acht Schienenbrücken über Oder beziehungsweise Neiße sind dagegen nicht elektrifiziert, so dass Schnell- und Güterzüge dort nicht fahren können. Außerdem führt an sechs der insgesamt zehn Übergänge nur ein Gleis nach Polen. Viele Experten sehen daher massiven Ausbaubedarf.
Die meisten Grenzübergänge in den alten Bundesländern sind mit Oberleitungen und mehreren Gleisen gut ausgebaut. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem polnischen EU-Beitritt hatte Deutschland zwar die Autobahnen ins Nachbarland ausgebaut, an den Schienen wurde hingegen nicht viel getan. Im Gegensatz zu Polen: Am Grenzübergang im sächsischen Görlitz etwa reicht die Oberleitung von Polen kommend bis zur Mitte der Grenzbrücke und hört dann auf. Das Nachbarland baut außerdem die Strecke vom Grenzübergang Küstrin ins Landesinnere aus.
Auf deutscher Seite schieben sich derweil Brandenburg und der Bund gegenseitig die Verantwortung zu für Elektrifizierung und zweigleisigen (Wieder-)Ausbau der sogenannten Ostbahn von Berlin nach Küstrin. Die "Königlich Preußische Ostbahn" wurde bereits 1867 eröffnet und war bis 1940 zweigleisig, seitdem größtenteils eingleisig. Das zweite Gleis wurde als Reparationsleistung nach dem Krieg einkassiert. Um die Verbindung zu stärken, soll sie wieder ausgebaut werden.
"Deutsche Verkehrspolitik war über viele Jahre straßenfixiert", sagt Andreas Geißler von der Allianz Pro Schiene. Lukas Iffländer vom Fahrgastverband Pro Bahn vermutet, der Investitionsstau habe auch mit der Bevölkerungsstruktur zu tun. Viele Wahlkreise an der Grenze sind nämlich besonders groß, weil dort nur wenige Menschen leben. Das führt laut Iffländer dazu, dass die Region auf Bundesebene mit weniger Abgeordneten vertreten ist, die sich für bessere Schieneninfrastruktur einsetzen könnte.
Seit Jahren nimmt sowohl der Personen- als auch der Güterverkehr zwischen Deutschland und Polen zu. Auf der Autobahn A12 stauen sich regelmäßig die Lkw. Güterzüge sind aber häufig keine Alternative. Sie können nämlich in Brandenburg mangels Oberleitungen in Tantow, Guben, Küstrin und Forst nur in Frankfurt (Oder) nach Polen fahren. Kein Wunder, dass der dortige Grenzübergang zum Nadelöhr geworden ist. "Die Güterzüge müssen durch den Personenbahnhof der Stadt", sagt Guido Noack von der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg: "Dort stehen aber oft Personenzüge, sodass die Güterzüge warten müssen." Auch der Rangierbahnhof im Süden der Stadt sei oft überfüllt.
Neben dem Gütertransport sind auch private Fahrgäste betroffen. Während in Frankfurt (Oder) der Eurocity-Schnellzug zwischen Berlin und Warschau verkehrt, fahren an den schlechter ausgebauten Grenzübergängen meist nur Personenzüge mit Dieselloks. "Weil Diesel teuer ist, fährt oft nur ein Zug, der dann an jeder Milchkanne hält", kritisiert Lukas Iffländer vom Fahrgastverband. Unter anderem deswegen dauere etwa die Fahrt von Berlin über den Grenzübergang Tantow an die polnische Ostsee etwa vier Stunden.
Aber bei aller Schwarzmalerei, es tut sich auch etwas am grenznahen Schienennetz. Der Grenzübergang in Tantow soll bis Ende 2026 zwei Gleise und eine Oberleitung bekommen. Dann könnten dort auch Güterzüge fahren, etwa von Berlin nach Stettin. "Die Strecke käme sehr gelegen, denn in den Häfen Stettin und Swinemünde kommen immer mehr Güter an", sagt IHK-Experte Noack. Fahrgast-Lobbyist Iffländer sieht Vorteile nicht nur für Geschäftsreisende aus und nach Stettin. "Wenn die Strecke gut ausgebaut wird, dauert die Fahrt von Berlin an die polnische Ostsee nur noch 2,5 statt vier Stunden. Dann kann man das als Tagesausflug machen."
Nicht so sicher ist hingegen der Ausbau der sogenannten Ostbahn von Berlin nach Küstrin. Den fordern IHK, Fahrgastverband und Allianz Pro Schiene. Die Strecke soll der Autobahn A12 und der Bahntrasse zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) sowohl Pendler als auch Gütertransporte abnehmen. Der Bund solle den Ausbau schnell umsetzen, hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) beim Bahngipfel vergangene Woche gefordert. Laut Tagesspiegel winkte der Bund allerdings ab. Das sei eine Nahverkehrsstrecke. Daher sei Brandenburg gefragt. Bund und Land sehen also den jeweils anderen am Zug. Ob und wann auch in Küstrin Güterzüge über die Grenze rollen ist unklar.
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Beitrag von Philip Barnstorf
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