Sabotage im Oktober 2022
Vor neun Monaten durchtrennten Unbekannte wichtige Bahnkabel neben der Trasse bei Berlin-Karow. Der Fernverkehr in ganz Norddeutschland stand daraufhin still. "Spiegel"-Recherchen legen offen: Die Bahn hat daraus offenbar nichts gelernt.
Auch neun Monate nach dem Sabotageangriff auf die Bahninfrastruktur im Norden Berlins sind die betroffenen Stellen offenbar nicht ordnungsgemäß gesichert. Das zeigen Recherchen des "Spiegel".
Die Online-Ausgabe des Magazins [spiegel.de/€] veröffentlichte am Freitag Fotos, die im Juli an der nach wie vor leicht zugänglichen Stelle des Sabotageakts gemacht wurden. Darauf zu sehen sind frei liegende Glasfaserleitungen und Kabel für die Telekommunikation in einer Böschung. Die Kabel ragten dem Bericht zufolge aus maroden Führungen heraus und waren mit Zahlen und Symbolen beschriftet.
Der "Spiegel" hat die Deutsche Bahn mit diesen Erkenntnissen konfrontiert. Dort sei man überrascht gewesen: Man habe die ordnungsgemäße Verlegung in Auftrag gegeben, sagt eine Bahn-Sprecherin. "Die Arbeiten sollen bis zum kommenden Wochenende abgeschlossen sein."
Am Freitag steuerte dann eine Bahnsprecherin nach: Ihren Angaben zufolge sei die Stelle inzwischen wieder ordnungsgemäß abgesichert. "Kommunikationskabel sind üblicherweise in Betontrögen verlegt, die mit Betonplatten abgedeckt sind", teilte sie mit. "Das ist ein weltweit anerkannter Standard. An der besagten Stelle fehlte offensichtlich die Abdeckung." Dies sei mittlerweile behoben. "Die Kabel sind jetzt ordnungsgemäß verlegt."
Die Spiegel-Recherche hat auch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) auf den Plan gerufen. "Die Fotos zeigen einen Verstoß gegen die einschlägigen anerkannten Regeln der Technik. Grundsätzlich sind Kabel geschützt zu verlegen", teilte das Amt auf Anfrage am Freitag mit. "Das EBA hat den Sachverhalt bereits in der Aufsicht aufgegriffen und wird, je nach Befund vor Ort, über das weitere Vorgehen entscheiden."
Bei dem Sabotageangriff am 8. Oktober 2022 waren in Berlin-Karow sowie im nordrhein-westfälischen Herne von Unbekannten zentrale Datenkabel für den Zugfunk der Bahn durchtrennt worden. Dadurch war das Zugfunknetz der Bahn ausgefallen. Der Zugverkehr in weiten Teilen Norddeutschlands musste für mehrere Stunden eingestellt werden. Auch Berlin war betroffen: Zahlreiche Fernzüge mussten stundenlang im Hauptbahnhof verharren oder konnten Berlin nicht ansteuern.
Die Bundesanwaltschaft hatte danach das Ermittlungsverfahren übernommen. Wegen möglicher verfassungsfeindlicher Sabotage hatte die Behörde ein Verfahren gegen unbekannt eingeleitet. Das Bundeskriminalamt übernahm die Ermittlungen.
In dem "Spiegel"-Bericht heiß es weiter, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl von Sabotageakten an Bahnanlagen deutlich zugenommen hat - und in Berlin bundesweit am höchsten liegt. Laut internen Statistiken der Bahn sind allein im vergangenen Jahr über 1.500 Sabotageaktionen verübt worden, im Jahr 2021 waren es demnach nur rund 1.200. Die meisten der Taten im vergangenen Jahr (310) seien in Berlin verübt worden, so der Bericht.
Sendung: rbb88,8, 28.07.2023, 11:30 Uhr
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