Vorstoß auch von Bernauer Richter
Drei Amtsgerichte, darunter aus Bernau, stellten die Strafbarkeit von Cannabis in Frage. Das Bundesverfassungsgericht sieht das anders - und beruft sich auf einen Beschluss von 1994: Es gebe kein "Recht auf Rausch".
Das bisherige Verbot von Cannabis hat nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes weiterhin Bestand. Die Karlsruher Richter erklärten am Dienstag Vorstöße von Amtsrichtern aus Bernau (Barnim) sowie Paswalk (Mecklenburg-Vorpommern) und Münster (Nordrhein-Westfalen) gegen das Verbot für unzulässig.
Die Amtsgerichte hatten die Strafnormen des Betäubungsmittelgesetzes im Umgang mit Cannabis-Produkten als verfassungswidrig angesehen, entsprechende Verfahren an ihren Gerichten ausgesetzt und sich mit der Bitte um Klärung an das Bundesverfassungsgericht gewandt.
Die Amtsgerichte machten laut Bundesverfassungsgericht geltend, dass das unter Strafe gestellte Cannabis-Verbot unverhältnismäßig in die allgemeine Handlungsfreiheit, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Freiheit der Person eingreife.
Das Amtsgericht Bernau bei Berlin begründet ausführlich, warum diese Entscheidung nicht mehr zeitgemäß sei: Der langfristige Cannabis-Konsum habe sich inzwischen als weit weniger gefährlich erwiesen als ursprünglich angenommen. Das Suchtpotential von Cannabis sei wesentlich geringer als das von Nikotin oder Alkohol.
Zwei Richterinnen und ein Richter des Bundesverfassungsgerichts erklärten die Vorlagen der Amtsgerichte jetzt jedoch als unzulässig. Die Kollegen von den Amtsgerichten hätten nicht ausreichend begründet und belegt, warum von der früheren Verfassungsgerichtsentscheidung heute abzuweichen sei.
Das Bundesverfassungsgericht verwies auf seinen Beschluss aus dem Jahr 1994, wonach die Strafbarkeit von Besitz, Handel, Einfuhr, Abgabe und Erwerb von Cannabis-Produkten ohne Erlaubnis mit dem Grundgesetz vereinbar ist. An der Sach- und Rechtslage habe sich nichts geändert. Bereits damals habe das Gericht entschieden, dass es im Rahmen der privaten Lebensgestaltung kein "Recht auf Rausch" mit Drogen gebe.
Die Verfassungsrichter gaben an, dass die Kollegen an den Amtsgerichten das Ziel des Gesetzgebers nicht richtig verstanden hätten. Mit der Strafbarkeit des Cannabis-Konsums habe der Gesetzgeber nicht nur den einzelnen Konsumenten, sondern insbesondere Jugendliche schützen wollen.
Zudem gehe es bei der Gesetzlage um den Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Zwar habe sich der Cannabis-Konsum als weit weniger gefährlich erwiesen als angenommen. Die völlige Ungefährlichkeit sei aber nach wie vor nicht belegt.
Zudem kritisieren die Verfassungsrichter das Argument der Amtsrichter, dass andere Staaten auch ihre Drogenpolitik lockern würden. Das sei noch kein Grund, dass hier von Verfassung wegen anders vorzugehen sei. Zum Punkt, dass Alkohol schädlicher und gefährlicher sei als Cannabis, sagte das Verfassungsgericht: "Ja, das haben wir schon 1994 anerkannt. Aber wir haben damals auch gesagt, dass sich der Konsum von Alkohol letztlich nicht effektiv unterbinden lässt."
Den Vorstoß gegen das Verbot von Cannabis brachte in Bernau der Jugendrichter Andreas Müller auf den Weg. Der Cannabis-Aktivist argumentiert seit Jahren für eine Veränderung der "gescheiterten Drogenpolitik" und setzt sich für eine Legalisierung von Cannabis ein. Von dem Urteil der Bundesverfassungsrichter zeigte er sich enttäuscht.
"Ich bin immer noch im Zustand des Nichtverstehens und des Schocks über das", was die Richter des Bundesverfassungsgericht gemacht hätten, schrieb Müller auf seinem Twitter-Kanal. "Wie Jahrzehnte die Homosxexuellen und Frauenverfolgung gebilligt wurde, billigen sie jetzt weiter die Cannabis-Verfolgung."
Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts ist klar: Wenn sich in Sachen Cannabis-Verbot etwas ändern soll, muss das der Gesetzgeber regeln. Die Bundesregierung plant die Legalisierung von Cannabis in einem gewissen Rahmen. Ein Gesetzentwurf sieht vor, dass grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für Menschen ab 18 Jahren und der Anbau von maximal drei Pflanzen zum Eigenbedarf erlaubt werden sollen.
Einen freien Verkauf der Droge in spezialisierten Geschäften, wie anfänglich diskutiert, soll es aber nicht geben. Sie soll stattdessen in so genannten "Cannabis Social Clubs" gemeinschaftlich angebaut und abgegeben werden dürfen. Damit sind Vereine gemeint, die nicht-gewinnorientiert sind.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.07.2023 , 12 Uhr
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