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Audio: rbb24 Abendschau | 16.07.2023 | Norbert Siegmund | Quelle: dpa/Michael Kappeler

Randale in Berliner Freibädern

Linnemann fordert Bestrafung von Gewalttätern am selben Tag

Wenn die Beweislage klar ist, sind gerichtliche Schnellverfahren möglich, theoretisch. Die fordert der designierte CDU-Generalsekretär Linnemann jetzt bei Gewalt in Freibädern. Vertreter der Judikative winken ab.

Nach wiederholter Gewalt in Berliner Freibädern hat der designierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die konsequente Bestrafung von Gewalttätern noch am Tattag gefordert. Der Richterbund wandte ein, ohne zusätzliches Personal sei das nicht zu leisten.

Er erwarte "ganz einfach" die "Durchsetzung unserer Gesetze", sagte Linnemann auf eine entsprechende Frage der "Bild am Sonntag". "Es braucht Schnellverfahren gegen Gewalttäter, das Justizsystem muss entsprechend organisiert werden." Wer mittags im Freibad Menschen angreife, müsse abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden. "Auch am Wochenende." Die Strafprozessordnung gebe das her. Auch das Strafmaß müsse voll ausgeschöpft werden, bis hin zu Haftstrafen.

Wiederholte Randale

Berliner Bäder führen ab Samstag Ausweispflicht ein

Wer in ein Berliner Freibad möchte, muss ab Samstag einen Ausweis vorzeigen. So sollen Auseinandersetzungen wie vor Kurzem im Columbiabad verhindert werden. Die Neuköllner Badeanstalt bleibt unterdessen länger geschlossen als geplant.

Richterbund skeptisch

"Es ist wenig überzeugend, wenn Politiker am Sonntag mit entschlossener Pose nach dem starken Rechtsstaat rufen, Montag bis Samstag aber zu wenig dafür tun", hielt ihm der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, entgegen. Es sei zwar richtig, dass eine Strafe der Tat möglichst auf dem Fuße folgen müsse, um für die Täter abschreckend zu wirken. Wer öffentlichkeitswirksam nach einer zügigen Strafverfolgung rufe, müsse die Justiz dann aber auch personell besser ausstatten.

Amtsgericht Tiergarten

Beschleunigtes Verfahren gegen Klima-Aktivisten in Berlin gescheitert

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat sei Mitte Juni in etwa 25 Fällen beim Amtsgericht Tiergarten ein beschleunigtes Verfahren gegen Klima-Aktivisten beantragt. Im ersten verhandelten Fall dieser Art ist der Antrag nun gescheitert.

Berliner Staatsanwälte: Brauchen rechtlich wie tatsächlich keine ungeeigneten Vorschläge

Reserviert ob des Linnemann Vorschlags reagierte auch die Vereinigung Berliner Staatsanwälte. "Es freut uns, wenn die Politik die Ernsthaftig- und Dringlichkeit dieses leider nicht neuen Gewaltphänomens erkennt. Doch bedürfen wir zur Lösung keiner tatsächlich wie rechtlich ungeeigneten Vorschläge", teilte Vereinsvorsitzender Ralph Knispel am Sonntag dem rbb mit. "Denn derartige Schnellverfahren kommen nur bei insbesondere geständigen Beschuldigten und einfach gelagerten Sachverhalten in Betracht - und eben daran wird es fast immer fehlen! Der untaugliche Versuch bei den Straßenklebern ist in frischer Erinnerung", so der Oberstaatsanwalt weiter in Anspielung auf das Scheitern eines beschleunigten Verfahrens gegen Klima-Aktivisten in Berlin.

Erster Tag der Ausweispflicht

Mehrere Berliner Freibäder stoppen Einlass

Strafprozessordnung zieht klaren Rahmen

Generell ermöglicht es die Strafprozessordnung der Staatsanwaltschaft, einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zu stellen, wenn die Sache aufgrund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist. Bei Straftaten, die an einem Wochenende verübt werden, ist dafür allerdings mancherorts nicht immer ein Richter greifbar. Das Schnellgericht darf Beschuldigte maximal zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilen.

Anfang Juli war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Freibädern in Neukölln und Kreuzberg gekommen. Das Columbiabad in Neukölln wurde zum wiederholten Mal geräumt.

Grünen-Chef weist auf CDU-Verantwortung in Berlin hin

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sagte im ZDF-Sommerinterview zum Vorschlag Linnemanns, die CDU trage in der Berliner Landespolitik inzwischen Verantwortung. Daher hoffe er, dass Linnemann solche Vorschläge nicht nur in Interviews mache, sondern auch mit Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) darüber spreche, "damit schnellstmöglich Richter und Richterinnen eingestellt werden", um schnelle Verfahren zu ermöglichen. Ebenso wichtig seien Prävention und Sozialarbeit.

Der Co-Parteivorsitzende fügte hinzu: "Das, was wir da gerade erleben in bestimmten Freibädern, ist komplett indiskutabel, das braucht eine harte, klare Antwort." Es müsse eine Grenzziehung geben, "bis hierhin und nicht weiter - und diese Grenze ist das Recht".

Staatssekretär stimmt Parteikollegen zu

Zustimmung erntete Linnemann aber aus dem Berliner Senat, von einem, der als ehemaliger Jugendstadtrat die Neuköllner Lage kennt: "Ich halte den Vorschlag von Carsten Linnemann für klug und in jedem Fall diskussionswürdig", sagte der heutige Staatssekretär für Jugend und Familie - Falko Liecke (CDU) - dem rbb. "Wir haben großen Druck in Berlin beispielsweise am Columbiadamm und in anderen Bädern, wo offensichtlich auch schwere Gewalttaten stattfinden, und das wollen wir als Stadt nicht hinnehmen", so Liecke weiter.

Das sieht Die Linke ganz anders. "Diese Forderung ist aus meiner Sicht populistisch und geht ins Leere, weil das nur bei einfacher Sach- und Beweislage der Fall ist ", meinte die Migrationspolitische Sprecherin der Linken - Elif Eralp.

"Man kann es machen, wenn Videobeobachtung in den Bädern installiert wird und wenn verstärkter Wachschutz unterwegs ist, der als Zeuge auftreten kann", widerspricht Liecke. "Wenn die Täter- und Tatlage so klar ist, kann auch sehr schnell verurteilt werden", betonte der Staatssekretär.

Auch wenn die Bäderbetriebe dem Land gehören, sind die Bäder formal Privatgelände. Also wäre Videoüberwachung zwecks Beweissicherung rechtlich hier denkbar. Der Senat hatte das unlängst angekündigt und werde es im Aufsichtsrat der Bäderbetriebe durchsetzen, so Liecke weiter. Das Columiabad öffnet am Montag wieder.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.07.2023, 19:01 Uhr

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