Berlin-Mitte
Berlin-Mitte will die Mohrenstraße umbenennen, weil der Name Schwarze herabwürdige. Anwohner wollen das verhindern. Jetzt entscheidet ein Gericht. Allerdings setzt es an einem ganz anderen Punkt als der Rassismus-Debatte an.
Ist der Name Mohrenstraße erlaubt oder nicht? Ist er möglicherweise rassistisch? Darüber wird in Berlin und anderen Städten schon länger gestritten. Nun wird die geplante Umbenennung und der darum entstandene Protest von Anwohnern der Berliner Mohrenstraße am Donnerstag vor Gericht verhandelt.
Die politisch-gesellschaftliche Debatte um den Begriff "Mohr", mit dem vor Jahrhunderten schwarze Menschen bezeichnet wurden, steht allerdings nicht im Fokus des Gerichtsverfahrens. Vielmehr wird es um juristische Fragen des Verwaltungsrechts gehen.
Anwohner der Mohrenstraße im Zentrum Berlins hatten gegen die vom Bezirk Mitte geplante Umbenennung wegen des von manchen als rassistisch empfundenen Begriffs "Mohr" vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Nach der mündlichen Verhandlung am Donnerstag könnte nach Angaben eines Gerichtssprechers noch am selben Tag ein Urteil gesprochen werden.
Sieben klagende Anwohner argumentieren, es gebe kein öffentliches Interesse an der Umbenennung in "Anton-Wilhelm-Amo-Straße" - nach dem ersten Gelehrten afrikanischer Herkunft an einer preußischen Universität im 18. Jahrhundert. Weiter betonen sie, der von Grünen und SPD geführte Bezirk habe bei der Entscheidung ihre privaten Interessen nicht ausreichend berücksichtigt.
Der bekannte Historiker und Journalist Götz Aly, der zu den Klägern gehört, schrieb 2021 in der "Berliner Zeitung", laut Gesetz wäre das Bezirksamt verpflichtet gewesen, die "Mitwirkung der Einwohnerinnen und Einwohner zu fördern" und diese rechtzeitig "über ihre Mitwirkungsrechte zu unterrichten". Das sei nicht geschehen. Der Bezirk sei stattdessen nur den Forderungen einer kleinen antikolonialistischen Gruppierung nachgekommen. "Dagegen sollte man sich zur Wehr setzen."
Mehr als 1.000 Menschen beschwerten sich beim Bezirk. Klagen durften aber nur direkt betroffene Bewohner der Straße. Grüne, SPD und Linke im Bezirk Mitte hatten die Umbenennung schon vor Jahren angekündigt, weil der Name rassistisch und kolonialistisch sei.
Die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), deren Ministerium an der Mohrenstraße liegt, hatte im Jahr 2020 den Plan als "sichtbares Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung" begrüßt.
Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG wollten damals auch ihre U-Bahnstation Mohrenstraße umbenennen. Sie sollte Glinkastraße heißen nach der benachbarten Straße, deren Namen auf den russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka (1804-1857) zurückgeht. Nach Vorwürfen, Glinka sei Antisemit gewesen, wurde der Plan erstmal zurückgezogen.
Dabei ist unklar, woher der Begriff "Mohr" stammt. Die einen argumentieren, er sei eine diskriminierende Bezeichnung für schwarze Menschen. Andere sagen, das Wort gehe auf "Maure" zurück, eine neutrale Benennung für muslimische Nordafrikaner.
Viele Mohren-Apotheken änderten ihr Logo und ihren Namen, der auf die frühere Heilkunst im Nahen Osten und Nordafrika zurückgeht. Die Süßigkeit "Mohrenköpfe" heißt jetzt "Schokoküsse".
Der klagende Historiker Aly betonte in einem Artikel, die Mohrenstraße gehöre seit 330 Jahren zum historischen Stadtkern Berlins. Damals seien bestimmte Gruppen durch Straßennamen nicht diskriminiert, sondern hervorgehoben worden.
Daher gebe es die Schützenstraße, die Jüdenstraße, den Gendarmenmarkt, den Kadettenweg und den Hugenottenplatz. Straßennamen seien "Schriftdenkmale, die es uns Heutigen ermöglichen, die Vergangenheit unserer Stadt zu lesen und besser zu verstehen". Zudem werde das Wort "Mohr" im Deutschen seit langer Zeit nicht mehr als Bezeichnung für Menschen dunkler Hautfarbe verwendet und existiere auch nicht als Schimpfwort.
Sendung: rbb24 Abendschau, 06.07.2023, 19:30 Uhr
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