Hotspot Berlin
Nirgendwo in Deutschland wurden 2022 so viele Autos geklaut wie in Berlin. Die Zahlen sind zuletzt rasant gestiegen, auch in Brandenburg. Die Täter gehen dabei immer geschickter vor und die moderne Technik kommt ihnen sogar zugute. Von Carl Winterhagen
Autodiebe waren im vergangenen Jahr in Berlin und Brandenburg deutlich häufiger erfolgreich als noch im Jahr zuvor. Die Zahlen, die das Bundeskriminalamt (BKA) in dieser Woche dazu veröffentlicht hat, sprechen eine klare Sprache: Sind 2021 in Berlin 2.965 Fahrzeuge gestohlen worden, waren es im vergangenen Jahr 3.833. Das entspricht einem Plus um fast 30 Prozent. In Brandenburg stieg die Zahl der gestohlenen Autos im gleichen Zeitraum um 22 Prozent. In den Zahlen sind auch Delikte wie Raub, Unterschlagung und anderes Abhandenkommen enthalten.
Damit gehören die beiden Bundesländer zu den am stärksten betroffenen Regionen Deutschlands. Berlin liegt bundesweit sogar an der Spitze: Sowohl was die Anzahl der entwendeten Autos als auch was den Anstieg der Zahlen angeht.
Die Täter aus Berlin und Brandenburg seien, sagt die Polizei, in der Regel osteuropäische Banden, die den kurzen Fluchtweg nach Polen nutzen würden. "Egal wo man in Berlin ein Fahrzeug entwendet, in spätestens zwei Stunden ist man nach Überschreiten der Grenze erst einmal vor einer unmittelbaren deutschen Strafverfolgung sicher", sagt Thomas Susebach. Er leitet beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) die Abteilung zur Bekämpfung von internationaler KFZ-Verschiebung.
Innerhalb von Berlin seien vor allem die östlichen Stadtteile betroffen, so Susebach, weil die Täter von hier aus noch schneller über die Grenze kommen. Die Kriminellen haben es dabei in der Regel nicht auf luxuriöse Sportwagen abgesehen, obwohl laut BKA auch häufiger hochpreisige Wohnmobile entwendet werden. Die meisten geklauten Autos seien aber zwischen sechs und zehn Jahren alt, sagt der LKA-Beamte Susebach. Ein beliebtes Ziel: Kleintransporter. Denn die Diebe haben es auf die Ersatzteile abgesehen.
Die Täter schlagen meistens nachts zu, erzählt Thomas Susebach und fügt an: "Wer morgens aus dem Haus kommt und feststellt, dass sein Fahrzeug weg ist, muss leider damit rechnen, dass es schon mehrere Stunden in Osteuropa in einer Zerlegehalle ist." Die Kriminellen würden die Autos schnellstmöglich auseinanderbauen und die Komponenten als Ersatzteile auf Online-Plattformen anbieten.
Im Zuge der Corona-Pandemie war die Zahl der Autodiebstähle zurückgegangen, weil zeitweise die Grenzen geschlossen wurden. Nun, in Zeiten von Lieferengpässen, boomt das Geschäft. "Wenn ich zum Beispiel aus Frankreich oder aus Japan bestimmte Ersatzteile nicht bekomme, sind die zu Hunderttausenden auf Berliner Straßen stehenden Fahrzeuge eine neue Quelle", erläutert Thomas Susebach.
Seit zehn Jahren jagt er den Banden der Autodiebe hinterher. Dabei hat er verschiedene Trends kommen und gehen sehen, wie er erzählt. "Es gibt ein permanentes Rennen zwischen der Autoindustrie und den Dieben", sagt er. Die einen würden ständig an neuer Sicherheitstechnik arbeiten, die anderen an Tools um eben jene zu überwinden.
Ein neuerdings beliebtes Einfallstor sind moderne "Keyless"-Systeme: Autos, bei denen der Schlüssel gar nicht mehr ins Zündschloss gesteckt werden muss. Diese Technik sei zwar bequem, sagt Katja Legner vom Automobilclub Deutschland (ADAC), aber auch gefährlich.
Der ADAC hat mehr als 560 solcher Modelle untersucht und festgestellt: Nur fünf Prozent sind diebstahlsicher. Die Täter würden sich dabei zu Nutze machen, dass viele Autofahrer den Schlüssel nahe der Haustür lagern. Katja Legner erklärt das Vorgehen der Diebe: "Mit einem entsprechend präparierten Gerät kann ein Dieb das Signal von vor der Haustür empfangen." Das Signal des Schlüssels könne dann bis zu einem Komplizen am Auto verlängert werden, der das Auto damit öffnen und starten könne, so Legner.
Der ADAC rät dazu, den Schlüssel zur Sicherheit in einer Metallbox oder einem Etui zu deponieren, aus der heraus die Autodiebe das Signal nicht mehr empfangen können. Laut Thomas Susebach helfen auch klassische Sicherheitsmaßnahmen wie Lenkradsperren – "alles, was es den Dieben schwerer macht", sagt der LKA-Beamte.
Das LKA Berlin arbeitet zur Aufklärung der Fälle mit Polizeibehörden aus anderen Ländern zusammen. Allzu große Hoffnungen auf durchschlagende Erfolge macht sich Thomas Susebach offenbar nicht: "Der Trend ist leider ungebrochen." Er sieht auch die Berlinerinnen und Berliner in der Pflicht: "Ohne die Hilfe der Bevölkerung durch Anzeigen, Mitteilungen und eigene Vorsicht, ist es in einer Stadt wie Berlin schwer, eines solchen Problems Herr zu werden."
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.7.2023, 9:35 Uhr
Beitrag von Carl Winterhagen
Artikel im mobilen Angebot lesen